Recruiting in Indien

10.000 auf einen Streich

19.10.2010
Von 
Alexandra Mesmer war bis Juli 2021 Redakteurin der Computerwoche, danach wechselte sie zu dem IT-Dienstleister MaibornWolff, wo sie derzeit als Head of Communications arbeitet.
Fachkräftemangel ist in Indien ein Fremdwort. Indische Hochschule entlassen jedes Jahr 500.000 Ingenieure. IT-Dienstleister wie Cognizant stellen Tausende neuer Mitarbeiter ein.

Schneller wachsen als die Wettbewerber. Diesem Ziel verschreiben sich viele Unternehmen, so auch Cognizant. Binnen drei Jahren hat sich die Zahl der Mitarbeiter auf 88.700 mehr als verdoppelt, jedes Jahr stellte der IT-Dienstleister mit Hauptsitz in dem amerikanischen Bundesstaat New Jersey vor allem in Indien im Durchschnitt 10.000 neue Mitarbeiter ein. Im Fokus standen neben Berufserfahrenen vor allem Bachelor- und Master-Absolventen der Fachrichtungen Informatik, aber auch Elektro- und Messtechnik.

Um so viele qualifizierte Bewerber zu finden und anzustellen, muss die Personalsuche gut strukturiert und schnell sein. Für Shankar Srinivasan, Chief People Officer India and Head of Human Resources von Cognizant, und sein Team bedeutet das vor allem harte Arbeit. Das Recruiting des Nachwuchses, der etwa zwei Drittel der neuen Stellen besetzen soll, findet vor allem an den Hochschulen des Landes statt, so Srinivasan: "Wir richten unser Augenmerk auf die 50 bis 100 Top-Universitäten und Colleges in Indien." Im ganzen Land gibt es mehr als 350 Universitäten und 18.000 Colleges. An einer Top-Universität wie in Chennai schließen jedes Jahr etwa 2500 Bachelor- und Master-Absolventen ab.

Recruiting auf dem Campus

Um möglichst viele dieser Ingenieure zu gewinnen, schickt Cognizant 100 Mitarbeiter aus Personal- und Fachabteilungen zum Rekrutierungstag an diese Hochschule (an kleinen Universitäten ist die Zahl der Rekrutierer entsprechend geringer). Dort werden die Studenten interviewt und auf Fachwissen, Lernbereitschaft, Soft Skills und Auftreten getestet. Noch am selben Tag erhalten sie ein Vertragsangebot, für das sie in der Regel einen Tag Bedenkzeit haben. Dass die Cognizant-Mitarbeiter einen wahren Interview-Marathon bewältigen müssen, verdeutlichen folgende Zahlen: Im Durchschnitt werden pro Rekrutierungs-Tag mehr als 100 Arbeitsverträge den Absolventen einer Universität angeboten. Von zehn Bewerbern, die die Einstellungsanforderungen erfüllen, stellt der IT-Dienstleister zwei Kandidaten aufgrund ihrer überzeugenden Leistung ein. Prinzipiell müssen alle Cognizant-Mitarbeiter in der Lage sein, Vorstellungsgespräche zu führen. Jede Führungskraft beschäftigt sich zwei Stunden in der Woche mit dem Thema Recruting.

Shankar Srinivasan: "Da wir sehr schnell wachsen, ergeben sich auch viele Entwicklungschancen für Mitarbeiter."
Shankar Srinivasan: "Da wir sehr schnell wachsen, ergeben sich auch viele Entwicklungschancen für Mitarbeiter."
Foto: Shankar Srinivasan, Cognizant,

In Indien ist der Kampf um die besten Köpfe auf den Campus verlagert. Anders als in Deutschland entscheidet schon die Hochschule, die ein Student besucht, über seine späteren Chancen auf dem IT-Arbeitsmarkt. Die meisten Unternehmen werben direkt an bevorzugten Hochschulen um den Nachwuchs und stellen ihn dort auch ein. Um sich einen guten Ruf unter den Studenten zu erwerben, pflegen die Firmen über Alumni die Kontakte zu den Studenten. Cognizant setzt laut Personalchef Srinivasan zudem auf das Argument Wachstum: " Da wir eine der am schnellsten wachsenden Firmen sind, ergeben sich auch viele Entwicklungs- und Lernmöglichkeiten für die Mitarbeiter."

Dieter Berz, Cognizant: "Auf die Fähigkeit, Neues dazuzulernen, legen wir bei den Bewerbern großen Wert."
Dieter Berz, Cognizant: "Auf die Fähigkeit, Neues dazuzulernen, legen wir bei den Bewerbern großen Wert."
Foto: Dieter Berz, Cognizant

Der Wille, Neues zu lernen, kombiniert mit einer schnellen Auffassungsgabe ist laut Dieter Berz, Deutschland-Chef von Cognizant, eine wichtige Voraussetzung, die Einsteiger mitbringen sollten. Das Einarbeitungsprogramm an der unternehmenseigenen Cognizant Academy dauert gerade einmal 14 Tage, in denen nicht nur technisches Wissen, sondern auch Qualitäts-, Prozess- und Projekt-Management oder Rhetorik und Präsentationstechnik vermittelt werden.