Wie wird und bleibt man CIO?

29.11.2007
Von 
Michael Schweizer ist freier Autor in München.
Karrierestrategien mit Erfolgsgarantie gibt es nicht. Aber man sollte Technik wirtschaftlich denken, nicht zu viel Angst vor Neuem haben und Menschen mögen.

CIO kann man auf vielen Wegen werden. Alexander Trautmann, Co-Geschäftsführer des Fernkraftverkehrs-Dienstleisters DKV, ist Diplomingenieur für Luft- und Raumfahrttechnik. Der Diplomkauffrau Hannelore Reising (Dachhersteller Lafarge Roofing) steht gleichrangig der Diplominformatiker Armin Weidner zur Seite. Sven-Severin Canisius (Outdoor-Ausstatter Jack Wolfskin) hat im Betriebswirtschaftsstudium die Spezialfächer "Organisation und Führung" und "Wirtschaftsinformatik" belegt. Zwei Staatsexamen in Chemie und Mathematik hat Gabriele Welt vom Pharmakonzern Sanofi Aventis abgelegt. Sie dürfte in der deutschen IT die einzige ehemalige Lehrerin sein, die einen Etat von 53 Millionen Euro verwaltet.

Alexander Trautmann, DKV: "Die IT muss für das Geschäft Mittel zum Zweck sein."
Alexander Trautmann, DKV: "Die IT muss für das Geschäft Mittel zum Zweck sein."

Auch nach dem Studium verhalten sich spätere CIOs unähnlich. Gabriele Welt trat 1983 bei der Hoechst AG ein, ist also über mehrere Fusionen hinweg seit 24 Jahren im gleichen Unternehmen. DKV-Geschäftsführer Trautmann war dagegen schon für einen Nachrichtensender, einen Autohersteller und ein Klinikum tätig, und Sven-Severin Canisius hatte sich als IT-Consultant selbständig gemacht, bevor er bei Jack Wolfskin einstieg.

Technik-Freak oder Zahlenfuchs?

Im Prinzip herrscht Einigkeit, dass sich IT "an den Bedürfnissen des Business ausrichten" (Welt), also für das Geschäft "Mittel zum Zweck" (Trautmann) sein muss. Im Detail richtet sich aber jeder CIO ein eigenes Verhältnis zur Technik ein. Jack-Wolfskin-Mann Canisius ist "im Kopf Betriebswirt", trägt aber die "IT im Herzen". Obwohl seine IT-Abteilung mittlerweile zwölf Mitarbeiter umfasst, kümmert er, "IT-affin aufgewachsen", sich um Sourcecode gerne selbst.

Gabriele Welt, Sanofi Aventis: "CIOs brauchen eine schnelle Auffassungsgabe und müssen rasch reagieren können."
Gabriele Welt, Sanofi Aventis: "CIOs brauchen eine schnelle Auffassungsgabe und müssen rasch reagieren können."

Ungewöhnlich ist die IT-Doppelspitze bei Lafarge Roofing. Im Coordination Board ist Hannelore Reising für Applikationen, Armin Weidner für die Infrastruktur zuständig. Natürlich ist das in großen Projekten nicht zu trennen. Als Reising und Weidner die SAP-Systeme aus 14 europäischen Landesgesellschaften zu einer Mehr-Mandanten-Umgebung konsolidierten, war das auf der Ebene von Migration und Zentralisierung ein applikationslastiges Thema, das allerdings auf eine starke Infrastruktur (Hosting, WAN) angewiesen war. Die beiden Manager sehen es als "glückliche Situation" (Weidner), in solchen Fällen von verschiedenen Stellen aus in die gleiche Richtung schieben zu können.

CIOs müssen ändern können

Hannelore Reising, Lafarge Roofing: "Die schönste Applikation nützt nichts, wenn die Performance schlecht ist."
Hannelore Reising, Lafarge Roofing: "Die schönste Applikation nützt nichts, wenn die Performance schlecht ist."

"Offen für Wechsel" sei sie beruflich von Anfang an gewesen, sagt Sanofi-Aventis-CIO Welt. Diese Eigenschaft braucht man, um CIO nicht nur werden, sondern auch bleiben zu können. Kaum ein Teilnehmer des Wettbewerbs "CIO des Jahres" hat in den letzten Jahren nicht Veränderungen herbeigeführt, die nötig, aber alles andere als Selbstläufer waren. 2004 fusionierten die Pharmaunternehmen Sanofi-Synthelabo und Aventis. Gabriele Welt und ihre Mitarbeiter integrierten danach die CRM- und ERP-Systeme beider Firmen binnen vier Monaten. Was für die Anwender in der Hauptsache nach Kontinuität aussah – der Betrieb lief ja weiter -, bedeutete für das IT-Team viel Neuerungsaufwand. Noch viel größer angelegt war das Programm "IS Optimization". Seit Frühjahr 2005 zielte es darauf ab, die IT so zu überarbeiten, dass sie schneller auf die im Pharmamarkt häufigen Regulierungsänderungen reagieren konnte. Dabei ließ sich der Betriebskostenanteil des Budgets von 2004 bis 2007 um 20 Prozent senken.

Wen Veränderungen ängstigen, für den hat DKV-Geschäftsführer Trautmann eine leicht mildernde Nachricht: "Alle Unternehmen ticken ähnlich." Ein CIO müsse in jeder Branche das Gleiche tun: die "Kernthemen" und "Kernabläufe" eines Unternehmens ausfindig machen, um mittels IT die "Prozesse" und den "Kundennutzen" zu verbessern. Fast immer gelte die "80-20-Regel: 80 Prozent kann man standardisieren, in maximal 20 Prozent kann man sich durch Individualisierung und Optimierung der Prozesse vom Wettbewerb abheben." Die IT muss insofern sowohl standardisieren als auch individualisieren.

Ständiger Gesprächsbedarf

Sven-Severin Canisius, Jack Wolfskin: "Ich erfahre zum Glück durch informelle Kontakte und offene Türen, was die IT wissen sollte."
Sven-Severin Canisius, Jack Wolfskin: "Ich erfahre zum Glück durch informelle Kontakte und offene Türen, was die IT wissen sollte."

Wenn man mit CIOs redet, kommen sie meist von selbst auf das Thema Kommunikation zu sprechen. Sie machen sich Gedanken, wie sie die Anwender im Haus, aber auch die Kunden verstehen und von ihnen verstanden werden können. Das Problem wird jeden Tag von selbst aktuell. Wem es grundsätzlich keine Freude macht, sich mit anderen auszutauschen, der wird es wahrscheinlich auch nicht im nötigen Ausmaß können.

Sven-Severin Canisius kann bei Jack Wolfskin mit seinen rund 300 Mitarbeitern "zum Glück" noch darauf setzen, "durch informelle Kontakte und offene Türen" zu erfahren, was die IT wissen sollte. Beim internationalen Konzern Sanofi Aventis (in Deutschland 10.000 Beschäftigte) institutionalisierte Gabriele Welt dagegen zwei neue Rollen, um dafür zu sorgen, dass auch genügend andere IT-Mitarbeiter "die Sprache des Business verstehen und selbst sprechen" können. Der "Key Account Manager" soll als Forderungs-Manager direkten Kontakt zur Business-Seite pflegen, und der "Service-Manager" ist für einen der Services, in denen die ganze IT jetzt organisiert ist, komplett verantwortlich.

Armin Weidner, Lafarge Roofing: "Wir können mit unseren IT-Dienstleistern jederzeit auch technisch reden."
Armin Weidner, Lafarge Roofing: "Wir können mit unseren IT-Dienstleistern jederzeit auch technisch reden."

Ebenso wichtig ist IT für die externe Kommunikation mit Kunden, Partnern und Dienstleistern. Wahrscheinlich gibt es keinen CIO, der nicht unter dem Druck steht, hier Fortschritte nachzuweisen. Die Plattform "Wolftalk" für den Kontakt mit Großkunden bezeichnet Sven-Severin Canisius als sein wichtigstes Projekt der letzten beiden Jahre. Hannelore Reising und Armin Weidner ist es wichtig, mit den vielen Outsourcing-Partnern von Lafarge Roofing auch technisch auf mindestens gleichem Niveau reden zu können. Gabriele Welt hat für Blinde, die sich zum Beispiel für Sanofi Aventis’ Diabetes-Portal interessieren, das Internet barrierefrei gemacht. Alexander Trautmann schließlich kämpft gegen Gedrucktes. Der DKV hat in den Niederlanden die Tochterfirma ERS gegründet, die für Kunden die Rückerstattung von Auslands-Mehrwertsteuer abwickelt. 15 Prozent der Belege kommen auf Papier, elektronisch ginge es aber schneller. Der Geschäftsführer traut dem Unternehmen erfolgreiche Überzeugungsarbeit zu: "Kunden sind immer bereit zu vereinfachen, wenn sie einen Nutzen sehen."