Cyber Physical Systems

Zentrale Bausteine von Industrie 4.0

10.12.2014
Von 
Ralf Neubauer arbeitet als Principal Project Manager für die Branche Automotive bei der msg group in München. Das Unternehmen ist spezialisiert auf strategische IT-Beratung sowie die Entwicklung nachhaltiger IT-Lösungen. Als Leiter von großen Softwareentwicklungs- oder Beratungsprojekten verfügt er über eine langjährige Erfahrung in den Kernprozessen der Automobilhersteller und deren Unterstützung durch effiziente IT Systeme. Darüber hinaus beschäftigt er sich mit effizienten und wertschöpfungsorientierten Projektvorgehen in der Software-Entwicklung wie agilen Methoden und DevOps.
Produkte und Maschinen kommunzieren untereinander und sorgen dafür, dass Bauteile zur richtigen Zeit und im gewünschten Zustand dort ankommen, wo sie gerade benötigt werden. Dieser Artikel beleuchtet die Hintergründe dieser Automatismen.
Durch Industrie 4.0 lassen sich einzelne Produktkomponenten durch Interaktion aktiv in den Produktionsablauf mit einbeziehen. So lassen sich vor allem bei größeren Produkten Zeit und Geld sparen.
Durch Industrie 4.0 lassen sich einzelne Produktkomponenten durch Interaktion aktiv in den Produktionsablauf mit einbeziehen. So lassen sich vor allem bei größeren Produkten Zeit und Geld sparen.
Foto: EADS

Wichtige Elemente dieser Vision sind die sogenannten Cyber-Physischen Systeme, kurz CPS. Mithilfe von Sensoren und Aktuatoren stellen sie die Verbindung zwischen der virtuellen und der realen Welt her. CPS können die reale Welt wie Temperaturfühler wahrnehmen und in der virtuellen, vernetzten Welt darauf reagieren. Auf der anderen Seite sind sie in der Lage, aus der virtuellen Welt heraus die reale Welt zu beeinflussen – wie beim Einstellen eines Thermostats. Aktuelle Systeme bieten diese Möglichkeiten natürlich schon lange und in deutlich höherer Komplexität.

Industrie 4.0 und die CPS der Zukunft zeichnen sich durch einen sehr hohen Grad der Vernetzung, durch Interoperabilität und die Fähigkeit, (teil-)autonom zu agieren, aus. Ein CPS kann sich dabei aus einzelnen Objekten, die für sich genommen ebenfalls ein CPS sein können, zu einem neuen System verbinden und mit seiner Umwelt interagieren. In einer Fahrzeuglackiererei zum Beispiel könnte ein CPS aus dem zu bearbeitenden Fahrzeug, welches mit Sensoren ausgestattet ist, dem Roboter, der den Lack aufträgt, dem Steuerungssystem der Produktion und dem Produktdatenmanagement-System des Unternehmens gebildet werden. Die Grafik zeigt die wesentlichen Bestandteile von Cyber-Physischen Systemen:

Physische/virtuelle Entität
Eine physische/virtuelle Entität repräsentiert das zu betrachtende Objekt, welches ebenfalls aus verschiedenen Objekten zusammengesetzt sein kann. Ein Fahrzeug beispielsweise besteht aus einzelnen (Fahrzeug-)Modulen, die jeweils eine Entität bilden können. Zusammengenommen handelt es sich aber um die Entität Fahrzeug, die alle Module vereint.
Ein wichtiger Aspekt in diesem Zusammenhang ist die Objektidentität. Sie ermöglicht es, ein bestimmtes Objekt zweifelsfrei zu identifizieren und anzusprechen.

Objektbeziehungen
Ein Objekt kann in verschiedenen Beziehungen zu anderen Objekten stehen. Diese erfordern jeweils unterschiedliche Betrachtungen. Ein Fahrzeugmodul zum Beispiel ist sowohl in Beziehung zum Gesamtfahrzeug, in dem es verbaut ist, zu sehen als auch zum Container, in dem es transportiert wird. Darüber hinaus können Beziehungen zu weiteren Objekten bestehen, etwa zu weiteren Fahrzeugmodulen. Diese Beziehungen müssen verwaltet, überwacht und gesteuert werden.

Kommunikation
Die Möglichkeit, sich ad-hoc mit seiner Umgebung auszutauschen, bildet die entscheidende Grundlage für die Interaktion eines Objekts mit weiteren Bestandteilen des gleichen Systems oder anderen Systemen. WiFi, NFC, Bluetooth, Internet und Mobilfunk stellen dafür die gebräuchlichsten Kommunikationstechnologien dar.

Sensoren und Aktuatoren
Sensoren und Aktuatoren stellen die Verbindung eines Objektes mit seiner realen Umwelt her. Sensoren sind in der Lage, Temperatur, Druck, Licht und vieles weitere zu messen. Aktuatoren übernehmen die Aufgabe, Aktivitäten anzustoßen und so die Umwelt zu beeinflussen. Beispiele sind Regler, Motoren oder Schalter.

Kontextmanagement
Ein Objekt muss wissen, in welchem Kontext es sich befindet. Das können verschiedene Netzwerke, aber auch einsatzspezifische Kontexte ein. Ein Fahrzeugmodul beispielsweise wird bei einem Hersteller und damit auch in dessen Netzwerk produziert, im „Transport-Kontext“ vom Produzenten zum Automobilhersteller gebracht und dort in einem weiteren Kontext verbaut. Je nachdem, in welchem Umgebungskontext sich ein Objekt befindet, muss es andere Dienste zur Verfügung stellen – das ist insbesondere aus Sicherheitsgründen wichtig.

Objekt-Dienste/Ereignisse
Jedes Objekt kann selbst Dienste anbieten und Dienste anderer Objekte nutzen. Die Möglichkeiten sind vielfältig. Sie reichen von Diensten, die Auskunft zum Status oder der Historie des Objekts geben, bis hin zu Diensten, die in Kombination mit anderen Diensten über den weiteren Produktionsweg eines Objekts entscheiden.

Das Anbieten und Nutzen von Diensten erfordert in der Regel eine Beziehung zu einem Dienstanbieter oder Dienstnutzer. In verteilten Umgebungen, unterschiedlichen Netzwerken und Infrastrukturen ist das aber nicht immer gegeben. Hier spielen Ereignisse eine wichtige Rolle. Darunter versteht man Nachrichten, die Objekte an eine Infrastruktur absetzen, ohne zu wissen, ob und von wem diese Nachricht verarbeitet wird. Zugleich kann ein Objekt auf das Eintreffen von anderen Ereignissen warten. Ein simples Beispiel sind vernetzte Feuermelder. Wird ein Brand registriert, wird dieses Ereignis gemeldet. Andere Feuermelder greifen dieses auf und geben ihrerseits Alarm.

Objektgedächtnis
Ein Objekt muss sich seinen Status oder seine Historie merken können. Je nach Anforderung, zum Beispiel in sicherheitskritischen Bereichen, muss dieses Objektgedächtnis (Digital Object Memory – DOM) sogar revisionssicher sein. Mithilfe des Objektgedächtnisses könnte zum Beispiel der Produktionsweg eines Objekts nachvollzogen werden. Für nachfolgende Maschinen, auf denen ein Werkstück bearbeitet wird, könnte die Historie des Objektes interessant sein, um die Art der weiteren Bearbeitung zu bestimmen oder um Fertigungstoleranzen zu prüfen. Andere Anwendungsfälle sind beispielsweise das Abfülldatum bei Flaschen oder das Haltbarkeitsdatum von Lebensmitteln.

Objektmanagement
Ein solchermaßen intelligentes Objekt muss in der Lage sein, sich selbst zu verwalten oder verwaltet zu werden – beispielsweise für Software-Aktualisierungen oder das Energiemanagement des Objekts. Da nicht alle Objekte Elektronik in sich tragen, wird diese am Objekt befestigt oder auch aufgeklebt. Das aber kann zu Einschränkungen hinsichtlich der Größe und der Energieversorgung führen.

Herausforderungen

Die größte Herausforderung in der weiteren Entwicklung liegt darin, gemeinsame Standards zu vereinbaren, um die Interoperabilität der Systeme zunächst in spezifischen industriellen Kontexten und später auch in übergreifenden allgemeinen Kontexten zu gewährleisten. Erst wenn die Systeme trotz unterschiedlicher Technologien reibungslos zusammenspielen, wird es möglich sein, das volle Potenzial der Vision Industrie 4.0 auszuschöpfen. (bw)