Collaboration

Wohin sich Sharepoint und Jive entwickeln

09.05.2013
Von  und
Thomas Bayer ist Manager bei der Business- und IT-Beratung Q_Perior in München.
Jörg Schmidl ist Manager bei A.T. Kearney.
Die Hersteller Jive Software und Microsoft haben neue Versionen ihrer Plattformen für Social Business Collaboration vorgestellt (SBC). Im Vergleich lassen sich Trends und Innovationen ableiten, die die Branchen derzeit antreiben.

Werkzeuge für Social Business Collaboration (SBC), die den Austausch zwischen Mitarbeitern sowie mit Partnern und Kunden effizienter, schneller und zielgerichteter gestalten, stehen nach wie vor weit oben auf der Liste der strategischen Assets vieler Unternehmen. Während einigen Firmen die Ersteinführung einer solchen Plattform noch bevorsteht, haben viele andere bereits eine SBC-Plattform im Einsatz und profitieren von deren Vorteilen. So bestärkt, stehen viele Unternehmen nun vor dem nächsten Schritt, die Plattform weiterzuentwickeln sowie ihre Nutzung auszuweiten. Dabei fragen sich die Entscheider: Wie kann ich noch mehr aus dieser technischen Plattform herausholen, um die Interaktion meiner Mitarbeiter weiter zu optimieren? Die gleiche Frage stellen sich auch die Hersteller dieser Plattformen.

Neue Versionen zeigen die Trends

Aktuelle Entwicklungstrends lassen sich gerade besonders gut betrachten, da zwei der am häufigsten eingesetzten Produkte - Microsoft Sharepoint und Jive - jetzt in neuen Versionen vorliegen. Da die Plattformen unterschiedliche Ursprünge und deutlich andere Produktinnovationszyklen aufweisen, sind ihre Funktionen und strategischen Entwicklungen besonders spannend zu beobachten.

1. Mobile Arbeit braucht mobile Interaktion

Gerade hinsichtlich der immer stärkeren Mobilisierung von Mitarbeitern und ihren Tätigkeiten sind SBC-Plattformen stark gefragt, handelt es sich doch letztendlich um Werkzeuge für eine bessere Interaktion. Microsoft bietet mit der neuen Sharepoint-Version unterschiedliche Optionen der Mobilunterstützung: Eine moderne Ansicht basierend auf HTML5, eine klassische Ansicht, die der mobilen Vorgängerversion entspricht, und eine Vollbildansicht für alle Endgeräte, die größer als ein Smartphone sind. Zudem lassen sich die Designs nun nach sogenannten Device Channels unterscheiden - das ermöglicht endgerätespezifische Darstellungen. Ferner bietet die neue Version von Sharepoint eine Browser-basierte und -optimierte Version der gängigen Office-Anwendungen, und über neue Ereignisse können sich Benutzer per Push-Nachricht informieren lassen.

Auch Jive hat sein Mobile-Angebot ausgebaut und stellt nun für iOS und Android native Apps bereit, die ebenso Push Notification erlauben und kleine, zur Usability beitragende Verbesserungen enthalten. Die nativen Anwendungen gestatten den Zugriff auf Kamera und Bildarchiv, was den Informationsaustausch unterwegs deutlich effizienter gestaltet. Eine angenehme und effiziente Nutzung von SBC-Plattformen auf mobilen Endgeräten zeichnet sich demnach als Trend ab, der sich in den kommenden Jahren noch weiter verstärken wird.

2. Struktur in die Informationsflut bringen

Nach Einführung einer SBC-Plattform erliegen die Nutzer oft der Versuchung, Inhalte möglichst vieler Interaktionen zu erfassen. Schnell stellen sie dann jedoch fest, dass hier ein Information Overload droht. Die neue Währung unserer Zeit heißt Aufmerksamkeit. Die Steuerung fällt dabei zu einem großen Teil den Activity Streams zu, die nutzerbezogen die richtigen, weil relevanten Neuigkeiten zusammenfassen sollen. Gerade im Bereich Activity Streams und ihrer Arbeitsweisen ist ein starker Entwicklungsfortschritt deutlich erkennbar.

Jive, das in den bisherigen Versionen bereits einen zentralen Activity Stream integriert hat, bietet in seiner neuen Version nun die Möglichkeit, mehrere Streams frei zu konfigurieren. Das stellt einen klaren Evolutionsschritt dar: Die eingehenden Informationen lassen sich nicht nur durch explizite Abonnements, intelligente Empfehlungen und weitere Präferenzen filtern. Es ist auch möglich, die Interaktionen nach einem eigenen, individuell definierten effizienten Muster zu strukturieren.

SharePoint wird immer "sozialer".
SharePoint wird immer "sozialer".
Foto: Microsoft

Bei Sharepoint heißt das Äquivalent weiterhin "Newsfeed" und ist auf der persönlichen Benutzerseite zu finden. Die in die Jahre gekommene Funktion wurde nun ausgebaut: Das Verhalten steuern weiter Informationen aus dem eigenen Profil, ebenso aber auch explizite Aktionen wie das Folgen eines Dokuments oder einer Person. Zudem kennt Sharepoint nun auch klassische Social-Business-Funktionen wie das "Mentioning" einer Person, um sie in den Gesprächsfluss einzubinden, sowie Hashtags im Fließtext. Damit ist Sharepoint einen Evolutionsschritt weiter gegangen. Klar zu erkennen ist, dass der Activity Stream als wichtiges Differenzierungsmerkmal gegenüber anderen SBC-Plattformen wahrgenommen wird.

3. Verbinden, was zusammengehört

SBC-Plattformen sollen auch operative Prozesse unterstützen. Das gelingt umso besser, je einfacher sich die Integration der Abläufe für den Endnutzer gestalten lässt. Daher ist es interessant zu sehen, dass die entsprechenden Integrationsmöglichkeiten der Plattformen in ihren neuen Versionen stark zugenommen haben.

Jive bietet neben verbesserten Versionen seines Office- und Outlook-Konnektors sowie eines komplett neu gestalteten Konnektors zum Mitbewerberprodukt Sharepoint, eine weitere, sehr interessante Funktion an: "Jive Anywhere". Diese bettet sich in den Browser ein und erlaubt den Nutzern, Websites direkt in die Interaktion auf der Plattform einzubeziehen. Für den Endanwender ist dies mit einem Klick umsetzbar und gestattet dadurch den einfachen Informationsaustausch direkt aus dem größten Wissensfundus überhaupt - dem World Wide Web. Für bestimmte Seiten wie Salesforce.com geht die Integration bis auf Feldebene. Zudem gibt es im neuen Jive auch die "!App"-Funktion, die während der Erstellung einer Nachricht eine Applikationsfunktion direkt einbinden kann. Unverändert bleiben die Möglichkeiten, sowohl über Plug-ins die Funktionalität zu erweitern als auch über Apps, die von einem öffentlichen Markt bezogen und deren Verteilung vom Administrator oder Endnutzer gesteuert werden können.

Alle SharePoint-Dienste in der Übersicht.
Alle SharePoint-Dienste in der Übersicht.
Foto: Microsoft

Auch Microsoft Sharepoint - klassisch bereits als Integrationsplattform angesehen - bietet in der neuen Version mit dem "App-Modell" eine weitere schlanke Möglichkeit, Anwendungen zu integrieren. In diesem Zuge gibt es nun auch einen öffentlichen Sharepoint Store in Analogie zu Apples App Store. Damit haben Anwender die Möglichkeit, Apps in der Cloud zu betreiben. Zudem können Endnutzer eigenständig Apps installieren, wenn sie zuvor genehmigt wurden. Der Administrator verwaltet hierzu einen internen App Catalog. Die einstigen Kommunikationsplattformen integrieren sich also zunehmend in andere Bereiche - ein Trend, der sich weiter verstärken und zur breiten Akzeptanz der Plattformen einen wertvollen Beitrag liefern wird.

4. Betrieb verlagert sich in die Cloud

Die Verlagerung von Plattformen in die Cloud ist von anderen Anwendungen und Geschäftsprozessen bereits bekannt. Betrachtet man die SBC-Plattform, gilt dieser Trend auch für Social Collaboration. Jive vermarktet seine neue Plattform neben der bekannten On-Premise-Version auch als Cloud-Dienst und stellt so sicher, dass immer die neueste Version verfügbar ist. Ein entsprechendes Rechenzentrum, um den europäischen Datenschutzanforderungen gerecht zu werden, gibt es ebenfalls.

Microsoft Sharepoint treibt das Thema Cloud noch ein wenig weiter. So wurde die Architektur für das Zusammenspiel mit Komponenten oder Apps ausgerichtet, die wahlweise on Premise beim Anwender oder on Demand in der Cloud liegen. Auch hier wird deutlich, wohin der Weg führt: Einerseits etabliert sich mit der Cloud ein Betriebsmodell, das wie bei anderen IT-Plattformen auch auf die Flexibilisierung der Betriebskosten abzielt. Andererseits wird weiterhin das "klassische" Modell angeboten, so dass Anforderungen an den Datenschutz nicht außen vor gelassen werden. Dies ist besonders bei Interaktionsplattformen ein wichtiger Aspekt.

5. Mit besserer Usability zu größerem Nutzen

SBC-Plattformen müssen einfach bedienbar sein und ihren Nutzern klar aufzeigen, wie sie Mehrwert erzeugen können. Da hilft es, wenn das User Interface bereits ut-of-the-Box eine angenehme Nutzerführung mitbringt.

Sharepoint baut hierzu auf die neuen Interface-Konzepte der Microsoft-Welt, setzt diese aber nicht so radikal um wie in seinen anderen Neuerscheinungen. Generell erinnert die Benutzerführung nun etwas an Anwendungen aus dem Consumer-Bereich wie bei Twitter oder Amazon. Ein weiterer Pluspunkt ist die einfachere Gestaltung des Designs. Bisher flossen bei Sharepoint-Projekten nicht unerhebliche Aufwände in die Layout-Anpassungen - in der Vergangenheit blieb deshalb offenbar umso weniger Geld für funktionale Aspekte übrig. In der neuen Version ist es auch ohne tiefe Sharepoint-Kenntnisse möglich, ansprechende Designs zu entwerfen.

Jive hatte bis dato meist positive Rückmeldungen für seine Benutzerführung bekommen. Dennoch wurde auch hier die Oberfläche weiter optimiert und die Personalisierbarkeit erhöht. Um die Nutzbarkeit weiter zu erhöhen, hat Jive aber stark auf ein anderes Pferd gesetzt: Gamification heißt das Schlagwort. Der Nutzer wird durch kleine Aufgaben an die Nutzung der Plattform gewöhnt. Die Erledigung solcher Aufgaben und intensives Interaktionsverhalten werden mit Auszeichnungen honoriert. Ebenso wird das Statussystem, wenn es aktiviert ist, durch Hinweise erweitert, wie man durch stärkere Interaktion seine positive Strahlkraft in der Plattform steigern kann. Zudem gibt es ein eingebautes Tutorial für Erstnutzer. Fachlich-gestalterische Aufgaben werden also schon von der technischen Plattform aktiv unterstützt.

Beide Plattformen fokussieren stark auf eine einfache Nutzung. Gerade bei Plattformen, die von der Akzeptanz der Endnutzer abhängen, ist dies eine konsequente und notwendige Weiterentwicklung.

6. Die gleiche Philosophie - Arbeit effizienter machen

Viele Entwicklungen der beiden Anbieter visieren das gleiche Ziel an: Die Arbeit soll effizienter und effektiver werden. Den gro-ßen Trends der IT, wie stärkere Integration und Nutzung der Cloud, folgen beide Hersteller und geben so auch die Messlatte für andere SBC-Plattformanbieter vor. Bei der Umsetzung liegt wie so häufig der Unterschied im Detail und erfordert im konkreten Fall eine detaillierte Betrachtung der Passgenauigkeit auf das Unternehmen.

Gerade durch ihre Vorgeschichte, ihre strategische Ausrichtung und ihre grundlegende Philosophie unterscheiden sich die hier betrachteten Produkte. Sharepoint ist ein etabliertes Werkzeug für die Unterstützung strukturierter Prozesse und spielt seine Stärken im Dokumenten-Management aus. Diese Kernkompetenz wurde in der neuen Version ausgebaut und deutlich um soziale Funktionen erweitert. Jive hingegen ist als Werkzeug gedacht, das eher unstrukturierte Prozesse unterstützen soll. Andere Bereiche werden durch Konnektoren angebunden. Damit will Jive erreichen, dass Arbeit dynamischer wird, und hat daher einen Großteil der Entwicklung in die Unterstützung von Einführungsprozessen gelegt, die mit dem Ansatz "Plan for Success" in die Software integriert wurden.

Hieraus resultieren letztlich auch die entscheidenden Fragen, die sich Unternehmen im Zuge der Einführung einer SBC-Plattform stellen müssen: Arbeiten die eigenen Leute in starken Strukturen und klaren Prozessen, und soll hiervon nur in manchen Bereichen abgewichen werden? Oder ist eine dynamische Arbeitsweise bereits etabliert beziehungsweise soll sie sich entwickeln? Der Weg vom Status quo der Zusammenarbeit zur Zielvision ist in beiden Gangarten ein komplexes Thema. Die dafür notwendigen Transformationsprozesse müssen passgenau vorbereitet und begleitet werden.

Fazit

Die beiden großen Player entwickeln ihre Produkte in ähnlichen Kategorien weiter. Auf funktionaler Ebene sind zwar deutliche Unterschiede erkennbar, in der groben Stoßrichtung ähneln sich die Produkterweiterungen jedoch. Bedenkt man die unterschiedliche Vergangenheit und Verankerung bei den Kunden sowie die teils recht unterschiedlichen Firmenphilosophien, so ist dies besonders interessant. Man bekommt damit ein Gefühl, wie sich die Social-Business-Collaboration-Plattformen insgesamt weiterentwickeln werden: mit Vollkraft zu mehr Interaktion, lautet das Schlagwort. Ein Weg, der sich lohnt, der aber auch geeignet unterstützt werden will. (ba/sh)

Produktinnovationen im Vergleich

Jive 6

Sharepoint 2013

Mobility

Native Apps für Android und iOS, Push Notification

Native Apps für Windows Phone, Push Notification, geräteabhängige Darstellung

Strukturierung

Sehr fein granularer Activity Stream, personalisierte und strukturierbare Streams

Activity Streams mit "klassischen" Abonnementfunktionen

Integration

Integration in MS Office, Sharepoint, Jive AnyWhere Browser, App Market und !App-Direktintegration

Integration in MS Office, etablierte Integrationsplattform, App Market

Cloud

Wahlweise Cloud-Betrieb oder On-Premise-Betrieb der Plattform

Architektur auf Cloud-basierte Apps und Komponenten ausgelegt

Usability

Designoptimierungen, mehr Personalisierbarkeit, Gamification- Modul, First Step Tutorials

Annäherung an UI etablierter Web- Plattformen, einfacheres Layout

Philosophie

Dokumente und Prozesse mit mehr Social Collaboration versehen

Social Collaboration ist neues Arbeitsparadigma, andere Funktionen werden integriert

Quelle: Q_Perior