Die Digitalisierung prägt die gesamte Wirtschaft und auch Gesellschaft. Viele Unternehmen sind aufgrund dieses Trends stark damit beschäftigt, groß angelegte Digitalisierungsstrategien auszuarbeiten. Sie setzen alles daran, diese entsprechend umzusetzen. Doch mit rein digitalen oder gar disruptiven Geschäftsmodellen ist es nicht getan. Zum einen können Großkonzerne und etablierte Unternehmen nicht von heute auf morgen ihre Geschäftsmodelle über den Haufen werfen. Zum anderen sollte bei neuen Ausrichtungen ein ganzheitlicher Ansatz angestrebt werden. Viele deutsche Unternehmen, die sich momentan mit der Digitalisierung befassen, haben keinen Hauptverantwortlichen, der das Thema steuert und vorantreibt, nämlich einen Chief Digital Officer (CDO).
Die Strategie in Sachen Digitalisierung sollte möglichst vom Unternehmen insgesamt ausgehen und nicht nur aus der Marketingabteilung heraus, weil sie den gesamten Betrieb betrifft. Es ist keine Seltenheit, dass Unternehmen "Digitalisierungs-GmbHs" gründen oder dieses Thema komplett in die IT-Abteilung, also direkt an den CIO, abschieben. Andere wiederum etablieren Abteilungen und Bereiche, die sich mit diesem Thema auseinandersetzen und die erforderlichen Projekte dann umsetzen müssen. In Unternehmen, die bereits die Position eines Verantwortlichen "Digital" geschaffen haben, ist diese zumeist auf der Führungsebene angesiedelt. Der typische CDO verantwortet in der Regel den Digitalisierungsprozess für das Land, in dem sein Unternehmen tätig ist.
Unterstützung auch durch HR erforderlich
In der Regel ist der CDO direkt dem Vorstand oder der Geschäftsführung unterstellt. Der Bereich Human Resources (HR) sollte bei der digitalen Transformation jedoch im Wesentlichen eingebunden sein. Allem voran im Bereich der Unternehmensentwicklung, denn Voraussetzung für eine erfolgreiche digitale Transformation ist ein wohldurchdachtes und professionell organisiertes Change Management. Dieses sollte von der HR-Abteilung und idealerweise mit professioneller Unterstützung begleitet werden, um die neue Strategie und Ausrichtung erfolgreich in der gesamten Belegschaft zu verankern. Auch bei der personellen Ausgestaltung des digitalen Geschäftsmodells sowie der damit einhergehenden Ableitung der neuen personellen Rollen, Verantwortlichkeiten und relevanter Funktionsprofile bedarf es kompetenter Hilfe.
Was genau macht ein Chief Digital Officer?
Namhafte internationale Konzerne wie McDonald’s, Toyota, Starbucks, Nestlé oder L’Oreal haben bereits eigene CDOs an Bord. Zahlreiche deutsche Unternehmen hingegen überlegen derzeit, ob sie einen Neuzuwachs auf Vorstandsebene rekrutieren sollen. Der CDO sollte derjenige sein, der die Online-Strategie und digitale Transformation entwickelt, vorantreibt und letztendlich auch verantwortet. Mit anderen Worten: Für diese Rolle ist ein Stratege, ein Umsetzer, ein Change Manager und Impulsgeber in einer Person gefragt. Für die erforderliche Handlungsfähigkeit sollte er im Vorstand angesiedelt sein, denn durch die Digitalisierung werden häufig neue Geschäftsmodelle ermöglicht, während andere Prozesse und Geschäftszweige sogar hinfällig werden können.
- Diskussion um den CDO
Braucht ein Unternehmen einen dezidierten Chief Digital Officer (CDO) oder ist Digitalisierung Aufgabe des CIO - dazu gibt es unterschiedliche Positionen. - Andreas Pfisterer, vormals CIO bei Telefonica
Andreas Pfisterer ist (mittlerweile ehemaliger) CIO der Telefónica Germany GmbH & Co. Er nahm die Digitalisierung seines Unternehmens selbst in die Hand. Pfisterer verstand sich dabei als Enabler und aktiver Gestalter. In dieser Rolle beriet er sowohl den CEO als auch jeden, der das operative Geschäft verantwortet. Seine These: Der klassische CIO, der sich in erster Linie um Rechenzentrum, Server, Netze und Anwendungs-Entwicklung kümmert, ist ein Auslaufmodell. - Frank Ridder, Gartner
Frank Ridder ist Analyst beim Marktforscher Gartner. Seine These: Der CIO kann die Digitalisierung nur dann selbst managen, wenn er sein klassisches Tagesgeschäft abgibt. - Alexander Wink, Korn Ferry
Alexander Wink ist Senior Client Partner und Member of the Global Technology & Industrial Practice beim Headhunter Korn Ferry. Viele seiner Kunden, die einen CDO suchen, haben nur ungenaue Vorstellungen vom Anforderungsprofil. Die Rolle eines CDO ist einfach noch nicht ausgereift. - Harald Linné, Atreus
Harald Linne ist Geschäftsführer beim Interim-Management-Anbieter Atreus. Er beobachtet ein steigendes Interesse der Unternehmen an Interim Managern, die Digitalisierungsprojekte stemmen sollen. Im Gegensatz zu Beratern, die Erkenntnisprobleme lösen sollen, werden Interim Manager wegen Umsetzungsproblemen geholt und typischerweise in der Linie eingesetzt. - Wilfried Lyhs, Interim Manager
Wilfried Lyhs von Hilderts & Partner ist Interim Manager. Seine Erfahrung: "Digitalisierung des Unternehmens ist derzeit ziemlich hype. Ich glaube allerdings, dass viele Unternehmen, vornehmlich mittelständische, Entwicklungsbedarf in ihren Prozessen und ihrer IT haben. Diese sind noch als Vorstufe zur 'Digitalisierung' zu betrachten."
Eine der essentiellen Aufgaben eines CDO liegt darin, durch die Digitalisierung entstehende Potenziale zu identifizieren und für das Unternehmen zu nutzen. Dazu gehört die Entwicklung von digitalen Produkten und Dienstleistungen, die zum einen neue Einnahmequellen erschließen und zum anderen eine Steigerung der Kundenzufriedenheit bedeuten. Ferner muss der CDO in seiner Planung bedenken, welches Mitarbeiter-Know-how für die Digitalisierung erforderlich ist, welches Wissen im Unternehmen vorhanden ist und welches es zu rekrutieren gilt. Von der Digitalisierung betroffen sind letztendlich alle Unternehmensbereiche: von den Mitarbeitern über interne Prozesse und Strukturen bis hin zur Erschließung neuer Absatzwege und Kommunikationskanäle.
Diverse Qualifikationen erforderlich
Abschließend muss der CDO sehr viele Qualifikationen mitbringen, weil ihm in seinem Job viel abverlangt wird. Er ist kein reiner IT-Manager, der in erster Linie einen technischen Hintergrund vorweisen muss, sondern kann aus verschiedenen Bereichen kommen, wie zum Beispiel Betriebs- und Volkswirtschaft, Kommunikation, IT, Verwaltung, Produktentwicklung, Dienstleistung und mehr. In jedem Fall muss er aber höchst diverse Skills in seiner Person vereinen. (pg)