"Wenn sich die IT nicht intensiv um das Thema Daten kümmert, wird sie Konkurrenz bekommen", sagt André Wehner. Dann würden eben andere Unternehmensbereiche auf diesem Feld aktiv. Er sei selbst oft überrascht, wie wenig insgesamt mit Daten gearbeitet werde, insbesondere mit unstrukturierten. Entscheidungen würden allzu oft nicht datenbasiert, sondern "nach bestem Wissen und Gewissen" getroffen. Dabei seien die notwendigen Daten und Technologien vorhanden.
Wehner, seit Juni 2021 CIO des Nutzfahrzeugherstellers MAN Truck & Bus, erläuterte im Rahmen einer qualitativen Studie der Managementberatung Kobaltblau, wie sich die Zusammenarbeit zwischen Business und IT aus seiner Sicht verändert. "Wie viele andere Industrie-Unternehmen auch stehen wir in Sachen Daten am Anfang - gemessen an dem, was man heute mit einer Datennutzung erreichen kann." Außer bei Kernprozessen und strukturierten Daten gebe es im Unternehmen aktuell weder ein progressives Datenmanagement noch eine fortschrittliche Analyse. "Wenn wir weiter in Richtung digitale Geschäftsfelder wollen, müssen wir definitiv unsere Daten-Skills ausbauen." Eine übergreifende Datenstrategie werde gerade entwickelt.
Zu seinen wichtigsten Handlungsfeldern zählt der CIO die IT-Strategie und deren "Alignment" mit der neuen MAN-Strategie: "Wir haben bei MAN Truck & Bus eine gewaltige Transformation zu bewältigen. Meiner Ansicht nach ist die viel größer als im PKW-Bereich." So müsse sich das Unternehmen neben der Elektromobilität auch intensiv mit autonomem Fahren und digitalen Geschäftsmodellen befassen. Für die IT komme es darauf an, wie sie diesen Wandel optimal unterstützen könne. "Wenn das geklärt ist, geht es auch um das Modell der Zusammenarbeit von IT und Business, wer welche Rollen und Verantwortlichkeiten übernimmt."
Virtuelle Teams aus Business- und IT-Experten
Wehner kann sich vorstellen, dass Teile der IT-Organisation mit den Fachabteilungen verschmelzen und allmählich eine produktorientierte Organisation entsteht: "Business und IT müssen künftig viel enger zusammenarbeiten und viel voneinander lernen. Dafür scheinen virtuelle gemischte Teams ideal zu sein." Im Sales- und Marketingbereich hat MAN Truck & Bus damit bereits begonnen. "Da sprechen IT und Business am ehesten die gleiche Sprache, und wir konnten uns schnell auf eine standardisierte IT-Plattform einigen", so der IT-Chef.
Das Thema Citizen Development und eine womöglich daraus resultierende Schatten-IT sieht er differenziert: "Schatten-IT als etwas Negatives zu betrachten, kommt aus der IT-Denke der 80er Jahre, als wir hauptsächlich auf Mainframes unterwegs waren und die IT noch ein Closed Shop war."
Heute werde eine IT scheitern, die sich nicht für die Bedürfnisse und die IT-Aktivitäten der Fachseite offen zeige. "Das heißt allerdings nicht, dass die Fachseite machen kann, was sie will." Es gebe gute Gründe für die Verantwortlichkeiten der IT, beispielsweise in Sachen Governance und IT-Security. Entscheidend sei, Citizen-Development-Initiativen offen und transparent mit der IT-Organisation abzustimmen. Dann könne das Modell die Zusammenarbeit zwischen Business und IT fördern. Wehner: "Wenn das von der Fachabteilung als U-Boot-Ansatz gefahren wird, dann sicher nicht."
Zur Person
André Wehner startete seine Karriere 1993 bei Alcatel. Nach rund zehn Jahren wechselte er als CIO zu Kabel Deutschland. Er arbeitete zudem für E-Plus, Audi und die VW-Gruppe, wo er unter anderem als COO und CIO tätig war. Bei Skoda verantwortete er die Unternehmensentwicklung und Digitalisierung. Seit 1. Juni 2021 ist Wehner Chief Information Officer bei der MAN Truck & Bus SE.