Die Transparenz des Wissens

Wie Social Media Organisationen verändern

08.03.2013
Von 
Jochen Günther hat Wirtschaftsingenieurwesen mit Schwerpunkt Informatik und Operations Research an der Universität Karlsruhe (TH) studiert. Er ist Projektleiter am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in Stuttgart. Im Rahmen von Beratungs- und Forschungsprojekten beschäftigt er sich mit dem Einsatz von Kollaborationstechnologien in Unternehmen, insbesondere mit den Potenzialen von Social Media und der mit ihrem Einsatz verbundenen organisatorischen Fragestellungen.
Immer mehr Unternehmen vernetzen ihre Mitarbeiter mit Social Media. Welche Potenziale und Herausforderungen birgt dieses Medium für Unternehmen und für die konzernweite Wissensverteilung?

Wissen ist eine der wichtigsten Ressourcen eines Unternehmens und trägt unbestreitbar stets einen wesentlichen Anteil zur Wertschöpfung in den Unternehmen bei. Die effektive Organisation des Wissens stellt daher eine besondere unternehmerische Herausforderung dar. Wissen soll für die Mitarbeiter transparent sein, aber auch effektiv abgerufen und eingesetzt werden können. Auch der Kommunikation kommt in dieser Entwicklung eine gesteigerte Bedeutung zu. Sie stellt ein wichtiges Vermittlungsmedium für Wissen dar und ist gleichzeitig ein Koordinierungsinstrument für immer häufiger räumlich verteilte Mitarbeiter und Standorte.

Erfolgreiche Verbindungen

Wikis, Blogs, Activity-Streams und Social Networks schaffen die Möglichkeit, Wissen und Kommunikation erfolgreich miteinander zu verbinden - unabhängig von Zeit und Ort. Das geschieht, indem das Wissen aus den Köpfen der Mitarbeiter, Datenbanken, Dokumenten, Nachrichten und aus dem persönlichen Arbeitsumfeld herausgelöst wird.

Die Kommunikation verläuft immer weniger in Eins-zu-eins-Beziehungen. Die Absprache und Zusammenarbeit über Social Media bietet das Potenzial, Informationen beziehungsweise Wissen transparent, einfach zugänglich, auffindbar und veränderbar sowie potenziell auch unternehmensweit verfügbar zu machen. Gleichzeitig wird dadurch die (wissensbezogene) Kommunikation zwischen Mitarbeitern sowie die Weiterentwicklung, Verdichtung und Anreicherung von Wissen dokumentiert und nachvollziehbar gemacht. Damit wird der Prozess der Wissensentstehung auch für später beteiligte Nutzer transparent.

Einer Studie von McKinsey zufolge profitieren wissensintensive Unternehmen oder Unternehmensbereiche wie Beratung oder Entwicklung in besonderem Maße von Social Media. Laut Analyse sind Produktivitätssteigerungen von bis zu 25 Prozent möglich. Im Bereich der Produktentwicklung können beispielsweise Ideen von Kunden einfließen und im direkten Austausch mit Ingenieuren konzeptionell vorangetrieben werden. Den so dokumentierten Entstehungsprozess der Ideen können auch andere Mitarbeiter nachvollziehen und verstehen.

Durch ihren simplen und intuitiven Aufbau unterstützen Social-Media-Plattformen Mitarbeiter bei der Veröffentlichung von eigenen Inhalten. Social Media tragen damit wesentlich zu einem gesteigerten Informationsaustausch von Mitarbeitern untereinander bei. Zudem werden auf diese Weise im Unternehmen existierende Kompetenzen transparent, themenbezogene Ansprechpartner werden besser sichtbar.

Aufgaben in der Gestaltung

Die Kommunikation verschiebt sich weg von der E-Mail Social-Media-Plattformen gewinnen in der Kommunikation der Internet-Nutzer an Bedeutung, E-Mail und Instant Messaging verlieren.
Die Kommunikation verschiebt sich weg von der E-Mail Social-Media-Plattformen gewinnen in der Kommunikation der Internet-Nutzer an Bedeutung, E-Mail und Instant Messaging verlieren.
Foto: IDG/TrendMonitor

Unternehmen haben dieses Potenzial erkannt. Social Media und Social Business (Letzteres beschreibt die interne Social-Media-Nutzung) haben längst in Form von Wikis, Blogs und Social Networks Einzug in den Arbeitsalltag vieler Unternehmen gehalten. Beispielsweise verfolgt Bosch das Vorhaben einer konzernweiten Integration von Social Media zur Arbeitsplatz- und Kommunikationsunterstützung. Die Synaxon AG dokumentiert und entwickelt interne Prozesse ausschließlich über Wikis. Die Continental AG setzt darauf, mittels Social Media die unternehmensinterne Kommunikation und Organisation in eine Art interne Netzwerkorganisation umzubauen.

Die Beispiele zeigen, dass der Einsatz von Social Media nicht ohne Wirkung auf die bestehenden Strukturen und Arbeitsweisen bleiben kann. Die Legitimation vorhandener Hierarchien, die oft ja nicht nur auf Entscheidungsbefugnissen, sondern auch in einem (vermeintlichen) Wissensvorsprung und der Verfügungsmacht über Wissen begründet ist, wird durch Vernetzung und Transparenz stärker in Frage gestellt.

Um Social Media erfolgreich einzuführen und nachhaltig zu betreiben, bedarf es nicht nur der Technik. Wichtig ist die Akzeptanz im Unternehmen, dass Mitarbeiter einbezogen werden und sich beteiligen. Wesentliche Bestimmungsfaktoren sind die Struktur und Kultur eines Unternehmens sowie der Wille, Veränderungen als Chance und nicht als Gefahr zu verstehen.

Offene Kommunikation ist wichtig

Eine wesentliche Rolle für den Erfolg spielt eine offene Unternehmenskultur. Die Einführung von Social Media in Unternehmen erfordert Mut und Offenheit, weil sie oft mit dem Prinzip einhergeht, dass jeder Mitarbeiter Inhalte ohne organisationale Kontrolle (etwa durch einen zentralisierten Redaktionsprozess) einstellen und verändern kann. Wo Mitarbeiter die Möglichkeiten haben, sich an der Gestaltung von Inhalten, Prozessen und Entscheidungen zu beteiligen, dort sollten Unternehmen die Bereitschaft zeigen, den Mitarbeitern entsprechende Freiräume zu gewähren und gegebenenfalls Strukturen anzupassen.

Um den Zusammenhang zuzuspitzen: Eine grundlegende Voraussetzung für die Akzeptanz und Nutzung solch einer Plattform ist, dass im Unternehmen insgesamt flache Hierarchien verbunden mit hoher Eigenverantwortung der Organisationseinheiten und Mitarbeiter gepflegt werden.

Neues Führungsverhalten nötig

Social-Media-Budget Meistens finanzieren die Fachbereiche die Social-Media-Aktivitäten.
Social-Media-Budget Meistens finanzieren die Fachbereiche die Social-Media-Aktivitäten.
Foto: IDG/TrendMonitor

Die Vernetzung verändert herkömmliche Organisations- und Kommunikationsstrukturen. Sie stellt auch neue Anforderungen an Arbeits- und Führungskräfte, weil die Selbststeuerung der Mitarbeiter an Bedeutung gewinnt. Damit ergeben sich völlig neue Herausforderungen für die Führung von Mitarbeitern in zunehmend vernetzten und flexibleren Organisationsformen. Der notwendige Wandel sollte aktiv vom Unternehmen gestaltet und durch dessen Führungsspitze entsprechend gefördert, gelebt und kommuniziert werden. Die Identifikation der Belegschaft mit den anstehenden Veränderungen und dem daraus folgenden Wertewandel entfaltet noch eine weitere Wirkung: Mitarbeiter mit einer hohen Identifikation mit dem eigenen Unternehmen neigen dazu, die Ziele des Unternehmens zu den eigenen Zielen zu machen. Damit steigt auch die Bereitschaft, Social Media aktiv zu nutzen.

Auf Ebene des Mitarbeiters kommen weitere Anforderungen hinzu: Mitarbeiter müssen zum Beispiel in der Zukunft noch viel besser in der Lage sein, die Einsatzmöglichkeiten der vielen ihnen zur Verfügung stehenden Medien zu beurteilen und zu nutzen. Insbesondere bei Social Media sind individuelle Kompetenzen zur Informationsselektion, -bewertung und -aufnahme von entscheidender Bedeutung, wenn es darum geht, die Potenziale von neuen Hilfsmitteln in der eigenen Arbeit nutzen zu können. Werden Social-Media-Plattformen eingeführt, sollten folglich die Kompetenzen der Mitarbeiter genauso erhoben, beurteilt, entwickelt und gefördert werden, wie das auf Ebene der Unternehmenskultur geschieht.

Erst die Analyse

Damit diese Potenziale tatsächlich ausgeschöpft werden, müssen die Unternehmen die zwangsläufigen Veränderungen gezielt aufgreifen und bewusst gestalten. Vor der Einführung von Social Media ist es daher ratsam, die Voraussetzungen in der eigenen Organisation genau zu analysieren und dar-aus individuelle Gestaltungsfelder abzuleiten. Eine sorgfältige Begleitung der Einführungsphase, die sich nicht nur mit den technikinduzierten Fragestellungen auseinandersetzt, ist für den Erfolg dringend geboten. (jha)