Es war zum Haareraufen: Nichts funktionierte, und obendrein behauptete der Kunde, seine Anforderungen seien nicht verstanden worden. Es ging um ein Testsystem für autonomes Fahren, bei dem sich die Implementierung der Algorithmen als bedeutend anspruchsvoller herausstellte, als zu Projektbeginn angenommen. Mittlerweile war der Kunde richtig sauer und drohte mit der Aufkündigung der Zusammenarbeit. Ein Turnaround musste her, und zwar schnell.
Da auch in anderen Projekten die Gefahr bestand, ins Hintertreffen zu geraten, fasste sich der Engineering-Chef ein Herz und setze kurzfristig ein außerordentliches Review für alle größeren Projekte an. Doch leider hatte er die Rechnung ohne seinen Kollegen, den Projektdirektor, gemacht. Dieser fühlte sich ob des Vorpreschens brüskiert und griff kurzerhand zum allerletzten Mittel: Er drohte mit Kündigung, falls es bei dem Review bliebe. Die Folgen: Absage, offener Konflikt, massive Irritation bei den Projekten und der Führungsmannschaft.
Was unternehmerisch völlig richtig war, geriet zum Fiasko. Ja, es wäre eleganter gewesen, den Kollegen sofort mit einzubeziehen. Doch nein, es kann nicht sein, dass das Ego eines Einzelnen über das Wohl und Wehe wichtiger Projekte entscheidet. Gang und gäbe ist es dennoch und das Umfeld schreckt meist davor zurück, solche Egoisten in ihre Schranken zu verweisen. Sie scheinen entweder wohlgelitten oder von allen gefürchtet - zwei komplett entgegengesetzte Regungen mit allerdings identischen Folgen: Das unternehmerisch kontraproduktive Verhalten wird zementiert statt abgestellt.
- Der Über-Versprecher
Speziell in Situationen, in denen immenser Druck herrscht, neigen manche Mitarbeiter dazu, alle möglichen, absurden Versprechungen zu machen. Entweder um Aufmerksamkeit zu erringen oder um dem Vorgesetzten beziehungsweise dem Management zu gefallen. Versprechungen machen ist immer einfach, aber wenn das Mega-Projekt dann eben nicht in den versprochenen zweieinhalb Wochen abgeschlossen ist, ist das ungünstig. <br><br/> Alexander Maasik empfiehlt: "Wenn es ein Teammitglied gibt, das am laufenden Band falsche Versprechungen gibt, von denen bereits vorher klar ist, dass sie unmöglich einzuhalten sind, sollten Sie seine Worte nicht mehr für bare Münze nehmen. Wenn Sie können, verlängern Sie den Zeitrahmen und/oder erhöhen Sie Budget oder Ressourceneinsatz, um Engpässe in anderen Bereichen kompensieren zu können." - Der Verantwortungsschieber
Dann gibt es diese Kollegen, die das Collaboration-Prinzip der geteilten Verantwortung auf ihre ganz eigene Weise interpretieren. Getreu dem Motto: "Die anderen werden es schon richten." Experte Maasik rät in einem solchen Fall dazu, dem betreffenden Mitarbeiter eine definierte Rolle und spezifizierte Verantwortlichkeiten im Team zuzuweisen. Alternativ könnten Sie den Verantwortungsschieber auch fragen, ob es Bereiche gibt, die ihn besonders interessieren. Eventuell könnten Sie so seine Leistungs-Leidenschaft neu entflammen. <br><br/> "Manchmal können Sie solche Leute motivieren, indem Sie ihnen Führungsverantwortung übertragen oder ihnen die Verantwortung für ein bestimmtes Gebiet/Thema übertragen, das ihnen am Herzen liegt. Sollte betreffender Kollege allerdings für ausschweifende Arbeitsunlust bekannt sein, hilft unglücklicherweise nur, ihn (oder sie) im Auge zu behalten und sich wenn nötig an höhere Instanzen zu wenden." - Der Fremdfeder-Connoisseur
Es ist nur menschlich, nach Wertschätzung und Anerkennung zu streben. Aber einige Menschen übertreiben das in einem Ausmaß, dass sie fast schon selbst daran glauben, wenn sie sich fälschlicherweise die Erfolge anderer zuschreiben. <br><br/> Maasik: "Leider nimmt der Enthusiasmus dieser Leute rasant ab, wenn es darum geht, die Verantwortung für Misserfolge zu übernehmen. Um solchen Entwicklungen entgegenzuwirken, empfiehlt es sich, genau festzuhalten, wer für welchen Part der Projektarbeit zuständig ist. So können auch alle Beteiligten sehen, wer welchen Beitrag leistet. Sollte jemand auf das Einheimsen von Lorbeeren bestehen, stellen Sie sicher, dass derjenige auch im Fall des Misserfolgs sein Fett abbekommt." - Der Makel-Magnat
Nicht führt die Team-Moral schneller und geradliniger in den Abgrund, als einer, der ständig nur kritisiert, auf Fehler "hinweist" oder sich über jeden Aspekt eines Projekts nur beschwert. Egal, ob es um Zuständigkeiten, Workloads oder die Strategie geht, der Makel-Magnat hat einfach immer was zu meckern. <br><br/> "Dieses Verhalten ist absolutes Gift für das Teamwork. Diese Leute verbringen mehr Zeit damit, sich zu beschweren, als mit der Erfüllung ihrer Aufgaben. Der beste Weg solche Menschen zu handlen: 1. Ignorieren Sie das Gemecker, 2. Geben Sie ihm so viel Verantwortung, dass er (oder sie) keine Zeit mehr hat rumzujammern." - Der Aussteiger
Manche Leute arbeiten besser alleine. Ist auch gar kein Problem. Außer es handelt sich um Personen, die in Team-Projekte eingebunden sind. Dann könnte jemand, der Anweisungen aus Prinzip ignoriert und affin für Alleingänge ist, das ganze Projekt auf's Spiel setzen. <br><br/> Deswegen empfiehlt auch Alexander Maasik, solche Leute lieber aufs "Abstellgleis" zu befördern: "Finden Sie einen Bereich im Projekt, an dem ein solcher Mitarbeiter alleine arbeiten oder sich selbst verwirklichen kann. So holen Sie das Maximum an Produktivität aus diesem Kollegen heraus und stellen gleichzeitig sicher, dass der Rest des Teams intakt bleibt."
"Ego über alles?"
Um das zu verhindern, lohnt sich der Blick auf drei typische Verhaltensmuster, die darauf hindeuten und ein Gegensteuern brauchen:
Drohen statt Unterstützen: "Ich bin wichtiger als die Sache" - das ist die eigentliche Aussage, die meist in Drohungen steckt. Damit wird das Klima sofort und nachhaltig vergiftet. Das ist ein nicht zu tolerierendes No-Go, das es sofort zu entlarven gilt. Konter: "Was willst Du mit Deiner Drohung sagen?" "Das zieht bei mir nicht" - derart aufgedeckt, fallen die meisten Drohungen in sich zusammen. In hartnäckigen Fällen braucht es Hilfe durch Eskalation. Denn das Gefährliche daran ist, dass diese Art der Einschüchterung eine Schattenhierarchie mit heimlichen Anführern erzeugt, die eine Abteilung wie ein Pilz zersetzen kann.
Abwerten statt Lösen: "So geht es auf keinen Fall!" - Wie gut, dass einer den Mut hat, es auszusprechen - oder? Komischerweise wird diese Aussage bevorzugt in großen Runden und nach eigener Beteiligung bei der Vorbereitung verwendet. Das ist destruktive Doppelzüngigkeit. Konter: "Was genau stört dich heute daran, nachdem Du letztens noch einverstanden warst? Wenn du mir die genauen Gründe nennst, können wir sie hier mit den anderen besprechen." - Es gibt kaum ein geeigneteres Mittel, inhaltsleeres Schlechtmachen abzustellen, denn echte Argumente sind hier kaum zu erwarten.
Abgrenzen statt Anpacken: "Ich weiß, wie es geht, doch ich packe nicht mit an." - Es ist doch viel bequemer, nur die Richtung zu weisen, sich jedoch selbst herauszuhalten, denn schließlich müsste sonst geliefert werden. Klappt die Sache, die der Großspurige propagiert, schreibt er sich den Erfolg auf die eigene Fahne. Geht sie schief, wäscht er seine Hände in Unschuld. Konter: "Du hast die Wahl: entweder du bist ganz dabei oder du hältst dich ganz heraus." - Diese unangemessene Abgrenzung dürfen sich davon Betroffene nicht bieten lassen. Diese Antwort ist daher nicht nur legitim, sondern in einer solchen Situation notwendig.
Es ist an der Zeit, Egoisten Einhalt zu gebieten. Das muss explizit geschehen. Das alleinige Ballen der Faust in der Hosentasche ist nutzlos. Ein guter Teil von ihnen dürfte belehrbar sein, beim anderen Teil ist die Frage nach der Zukunft zu stellen, denn "Destruction by Ego" ist untragbar. (hk)