Altersvorsorge der Babyboomer

Wie sich Unternehmer von ihren Softwarefirmen trennen

01.09.2023
Von 

Henning Schreiber ist Deutschland-Geschäftsführer der auf B2B-Softwareunternehmen spezialisierten Beteiligungsgesellschaft Everfield.

Die Softwareunternehmer der „Babyboomer“-Generation denken an Ruhestand. Doch was wird aus den Unternehmen? Bevorzugt werden Investorenlösungen. Welche Optionen sind dafür denkbar?
Für Firmengründer der Generation Babyboomer ist vor dem Ruhestand guter Rat teuer. Sollen sie das Unternehmen in Familienhand lassen oder an Investoren verkaufen, um so ihre Altersvorsorge sicherzustellen?
Für Firmengründer der Generation Babyboomer ist vor dem Ruhestand guter Rat teuer. Sollen sie das Unternehmen in Familienhand lassen oder an Investoren verkaufen, um so ihre Altersvorsorge sicherzustellen?
Foto: Elnur - shutterstock.com

Zunächst ist es wichtig zu wissen: Die deutschen Softwareunternehmer dieser Generation verkaufen nicht um jeden Preis, weil sie ganz überwiegend von der Denkkultur des deutschen Mittelstands geprägt sind. Wenn sie in den Ruhestand gehen, wollen sie ihr Lebenswerk in gute Hände übergeben. Außerdem fühlen sie Verantwortung für ihre Mitarbeiter. Es soll also auch unter dem neuen Eigentümer gewährleistet sein, dass eine wertschätzende Unternehmenskultur erhalten bleibt.

Da erscheint es naheliegend, jemanden als Nachfolger auszuwählen, der das Unternehmen bereits kennt - also beispielsweise Führungskräfte. Ein solcher Management Buy-out (MBO) hat viele Vorteile. Ein vormals angestellter Geschäftsführer ist bereits in der Firmenkultur verwurzelt und fühlt sich im Idealfall der Belegschaft verpflichtet. Die Gründer haben also Einfluss darauf, dass sowohl ihr unternehmerisches Erbe als auch ihre Mitarbeiter vorerst abgesichert sind.

Management Buy-out oder Wettbewerber?

Klingt gut, oder? Ganz so einfach ist es aber nicht. Nicht selten scheitert ein MBO an der Finanzierung - zumal die Gründer ihr Lebenswerk nicht für "Kleingeld" hergeben. Sie wollen einen marktgängigen Kaufpreis erzielen, der sich an Umsatz, Ertrag und Wettbewerbsposition orientiert. Hinzu kommt, dass wachsende und gut etablierte Softwareunternehmen beim Verkauf an externe Investoren sehr attraktive Kaufpreise erzielen können - nicht selten das Vielfache des Umsatzes.

Der Verkauf an einen externen Erwerber ist deshalb für den Unternehmer die attraktivste Option. Hier sind zum einen Wettbewerber zu nennen. Doch auch eine solche Lösung führt oft nicht zum Ziel. Denn die meisten Wettbewerber haben lediglich Interesse an den Marktanteilen des Konkurrenten und an seiner Technologie. Die Erfahrung zeigt, dass das erworbene Unternehmen in den meisten der Fälle stark in die Strukturen des Wettbewerbers integriert wird und schließlich ganz verschwindet. Kurz: Das Unternehmen wird regelrecht "geschluckt". Das ursprüngliche Ziel, die Unternehmenskultur und die Eigenständigkeit zu erhalten, wird nicht erreicht.

Auswahl geeigneter Investoren

Was bleibt, sind Beteiligungsunternehmen, die sich auf die IT-Branche spezialisiert haben. Hier gibt es im Großen und Ganzen zwei Varianten:

  • der Verkauf an einen reinen Finanzinvestor oder

  • die Veräußerung an eine Branchen-Holding.

Bei Private-Equity-Gesellschaften handelt es sich um Profi-Investoren, die ihre Investitionsentscheidungen meist nach festen Kriterien treffen. Jeder Unternehmer sollte sich deshalb das Geschäftsmodell des Investors genau ansehen, ob beide Seiten zueinander passen.

Kaufpreis und Kaufvertrag

In die Ermittlung des Kaufpreises fließen viele Kriterien ein. Am wichtigsten ist naturgemäß der Umsatz. Genauer gesagt der "wiederkehrende Umsatz", kurz: Annual Recurring Revenue (ARR). Hinzukommen das historische Umsatzwachstum und die Profitmarge als weitere wichtige Kriterien. Relevant sind bei Softwareunternehmen zudem die Gross Retention Rate sowie Net Retention Rate, also der Umsatzverlust der Bestandskunden pro Jahr und die Nachfrageentwicklung bei den Bestandskunden. Aus diesen und weiteren wichtigen Zahlen ergibt sich aus Sicht des Investors vereinfacht gesagt das Potenzial des Unternehmens.

Der gesamte M&A-Prozess ist natürlich deutlich komplexer: Ist der Kontakt hergestellt und auf beiden Seiten Interesse vorhanden, unterzeichnen beide Seiten eine Vertraulichkeitserklärung (NDA). Anschließend findet eine erste Prüfung der Geschäftsunterlagen statt. Danach unterbreitet der Investor ein unverbindliches Kaufpreisangebot. "Auf dieser Basis beginnt die Sorgfaltsprüfung (Due Diligence) und wird der Kaufvertrag entwickelt. Der Investor führt die notwendige Due Diligence durch, um ein klares Verständnis für die Organisation, die Software und etwaige finanzielle und operative Risiken zu entwickeln. Des Weiteren wird mit den Eigentümern ein gemeinsames Verständnis hinsichtlich der Entwicklung des Unternehmens in den nächsten Jahren entwickelt. Der Eigentümer erhält den Kaufpreis zum Zeitpunkt des Verkaufs basierend auf der aktuellen Performance des Unternehmens und wird in der Regel an der Entwicklung der kommenden Jahre beteiligt.

Dieser Prozess ist zwar recht umfangreich, kann aber erstaunlich schnell über die Bühne gehen. Vom Erstkontakt bis zum Closing des Verkaufs vergehen manchmal nur drei Monate. Das hängt davon ab, wie schnell die Beteiligten ihre Entscheidung fällen. Drei Monate sind anspruchsvoll, aber nicht unrealistisch.

Und wie geht es nach dem Kaufvertrag dann weiter? Das hängt von dem jeweiligen Investor ab. Zum Beispiel, ob die Holding-Gesellschaft bewusst die Unternehmenskultur erhalten will und aktive Unterstützung bietet. Natürlich liegt der Fokus auf einem nachhaltigen Wachstum des Umsatz und Ertrags, wobei zum Beispiel im Fall von Everfield ein hauseigenes Operations Team das Unternehmen unter anderem dabei unterstützt, das Produkt und die Organisation zielgenau zu verbessern. Die Entwicklung und Förderung der Mitarbeiter nimmt oft ebenfalls einen sehr wichtigen Stellenwert ein, da Holding-Gesellschaften verstanden haben, dass die Qualität der Software und auch anderer Produkte vollständig auf der Fähigkeit und der Leistung der Mitarbeiter beruht. Es gibt aber auch Investoren, die auf rasches Wachstum abzielen, gefolgt von einem schnellen Exit. Hierbei hat jedes Geschäftsmodell seine Berechtigung, und jeder Unternehmer muss selbst entscheiden, was für sich und sein Unternehmen am besten ist. (pg)