Die Cloud hat sich soweit etabliert, dass der Erfolg eines Unternehmens zunehmend von ihr abhängt. Das bezieht sich sowohl auf Qualität und Skalierbarkeit der Services, die der Anbieter liefert, als auch auf einen drohenden Vendor-Lock-in. Das zumindest erklärt das amerikanische Marktforschungs- und Beratungshaus Gartner in dem Papier "Predicts 2019: increasing reliance on cloud computing transform IT and business practices".
Die Analysten argumentieren mit zwei Begriffen: CQoS für Cloud Quality of Services und EQoS, Enterprise Quality of Services. Hatten sich Unternehmen jahrzehntelang an ihren eignen Standards orientiert, richten sie sich nun zunehmend nach denen des jeweiligen Cloud-Providers. Schon 2021, schätzt Gartner, werden drei von vier Unternehmen eine Multicloud betreiben oder einen hybriden Ansatz fahren. Das gelte für Konzerne ebenso wie für Mittelständler.
Das heißt auch: die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens werde zu 90 Prozent auf der Public Cloud basieren. Der Markt für Public Cloud Services werde bis 2022 ein Volumen von rund 360 Milliarden US-Dollar erreichen. Die Analysten schätzen jedoch, dass nicht einmal jede zehnte Multicloud ihre Möglichkeiten in Sachen Übertragbarkeit ausschöpft. Das Versprechen der Cloud sieht Gartner insbesondere in Self-Service-Elementen, Agilität, Skalierbarkeit und Resilienz.
Daraus sollen den Anwendern Vorteile in puncto Effizienz, Daten-Integrität und Innovationsfähigkeit entstehen. Doch mit dem üblichen "Lift-and-Shift"-Ansatz ist es nicht getan. Eine These von Gartner lautet: CIOs vermeiden einen tiefergehenden Einstieg in die Cloud, um die Sachbearbeiter im Unternehmen nicht zu "belasten", das gilt insbesondere für Endnutzer aus dem Business.
On-Premise komplett zu ersetzen, war eine Illusion
Dabei sei die Multicloud oder Hybrid Cloud selbst schon ein Zeichen für die Ernüchterung, die auf den anfänglichen Hype folgt, so Gartner weiter. Entscheider hätten anfangs noch gedacht, On-premise-Systeme komplett ersetzen zu können.
Die Analysten formulieren drei Empfehlungen für CIOs:
1. Sich an innovative Service Provider halten: Die Anbieter auf dem Cloud-Markt punkten mit Innovationsfähigkeit und dem Bereitstellen neuester Technologien. Wer davon profitieren will, muss den Markt beobachten. Gartner erwartet, dass sich die Zahl der Cloud Managed Services Provider bis 2020 verdreifachen und dann bis 2023 "massiv" konsolidieren wird.
- Carl Mühlner Damovo, Managing Director Central Europe bei DAMOVO
„Es ist nicht zielführend, in die Cloud zu migrieren, ohne die Arbeitsprozesse auch auf kultureller Ebene zu verändern. Die Frage nach der richtigen Strategie ist alles andere als trivial, auch weil es noch zu wenige Experten gibt, die Migration wirklich gut beherrschen. Doch gerade weil es an praktischer Erfahrung mangelt, können neue horizontale Geschäftsmodelle nur erschlossen werden, wenn es eine gewisse Bereitschaft für Experimente und die richtige Fehlerkultur gibt.” - Christian Hofstadt, Manager Strategy & Business Development bei plusserver
„Cloud ist immer weniger Technik und immer mehr Strategie. Doch stattdessen dominiert in vielen Unternehmen noch die Skepsis. Diese können sich Unternehmen aber langfristig nicht leisten. Wer wettbewerbsfähig bleiben will, muss neue Geschäftsfelder und Erwerbsquellen erschließen. Die Cloud verändert schließlich nicht nur interne Prozesse, sondern das gesamte digitale Geschäft und somit das Verhältnis zwischen Unternehmen und Kunden bzw. Geschäftspartnern fundamental.” - Marco Meier, Vertriebsleiter BroadSoft.
„Der Vertrieb und damit auch der Dialog mit den Kunden hat sich geändert. Wenn früher Software verkauft wurde, ging es im Grunde nur um den Verkauf einer Technologie. Bei der Cloud verkaufe ich Managed Services. Das muss man anders kommunizieren und auch anders supporten. Entscheidend ist, was für Services überhaupt ausgelagert werden und wie ich in die Cloud gehe. IaaS? PaaS? SaaS? Das sind ganz verschiedene Ebenen, auf denen Transformationsprozesse anders zu verorten, aber auch anders zu messen sind.” - Matthias Frühauf, Director Technical Sales bei Veeam
„Cloud Migration bedeutet im Kern, dass man sich von alten On-Premise-Strukturen lösen und etwaige Geschäftsprozesse neu denken muss. Dabei geht es gar nicht darum, alle Anwendungen komplett zu migrieren, sondern je nach Anwendung gezielt zu entscheiden welche Teile migriert werden sollen und welche On-Premise bleiben. Ein „blindes” Lift & Shift führt oft dazu, dass nicht das umgesetzt wird, was technisch möglich ist. Die Potenziale hängen dabei eng vom Level der Standardisierung bei der Migration von Daten, Prozessen und Techniken ab.”
2. Lock-In vermeiden: Laut Gartner ist die Angst vor einem Vendor-Lock-In bei den Entscheidern spürbar. Denn viele Unternehmen binden sich langfristig an große Vendoren. Das Gegenmittel ist die Multicloud.
3. Ökoysteme bilden und eine Integrations-Strategie entwickeln: Viele Unternehmen setzen Projekte rund um das Internet of Things (IoT) um. Technologisch ist das mit Stichworten wie Edge Computing und Plattformen verbunden, organisatorisch mit der Zusammenarbeit verschiedenster Partner innerhalb eines Ökosystems. Gartner rät, Strategien für das technische und geschäftliche Zusammenspiel solcher heterogenen Landschaften zu entwickeln.
Fazit: Cloud ist das "new normal" in IT und Business. Dass das Ganze sehr komplex wird, verhehlen die Analysten nicht. Sie betonen aber, welche Vorteile Unternehmen gewinnen, wenn sie das Thema systematisch angehen. Gartner bleibt bei seiner positiven Bewertung von Cloud Computing, weil es IT-Ressourcen "demokratisierte" und den Zugang zu künstlicher Intelligenz ermögliche.