SAP Leonardo

Wie SAP die Technologie-Plattform zu neuem Leben erweckt

19.06.2018
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Scott Carey ist Redakteur bei unser IDG-Schwesterpublikation Computerworld in Großbritannien. Der IT-Journalist mit dem Schwerpunkt auf Unternehmensanwendungen moderiert auch Branchenveranstaltungen. Besonders interessieren ihn die großen IT-Player und Cloud-Service-Anbieter. Er hat ein Diplom in Journalistik an der Universität Cardiff in Wales erworben. In seiner Freizeit treibt er Sport, reist viel und beschäftigt sich intensiv mit der Medienlandschaft in Großbritannien.
Der Software-Riese nimmt einen vollständigen Relaunch von Leonardo vor. Das System umfasst jetzt Funktionen in den Bereichen KI, maschinelles Lernen, Analytics, Blockchain und IoT.
SAP CEO Bill McDermott auf der Sapphire 2017
SAP CEO Bill McDermott auf der Sapphire 2017
Foto: SAP

SAP hat im Juni 2017 auf der Sapphire-Konferenz in Orlando sein Leonardo-System als "digitales Innovationssystem" relauncht und damit eine Abkehr von dem einst als IoT-Plattform bezeichneten System vollzogen. Die Idee des neuen Leonardo ist, dass Kunden von den Vorteilen neuer Technologien wie künstliche Intelligenz (KI), Machine Learning, Advanced Analytics und Blockchain zusätzlich zu ihren Geschäftsdaten profitieren können. Jetzt möchte SAP seinen Kunden eine einfache Möglichkeit bieten, all diese neuen Technologien zu nutzen, um spezifische Geschäftsprobleme zu lösen.

Statt die Kunden im Bereich IoT mit einem Cloud-System und einer Reihe von Templates zu unterstützen, hat SAP Leonardo auf das gesamte Spektrum von geschäftsrelevanten Fragestellungen ausweitet. Wie Mike Flannagan, Senior Vice President of Analytics bei SAP, damals sagte: "Bei Leonardo geht es darum, die Zeit bis zur Wertschöpfung zu verkürzen, indem man allgemeine, gemeinsame Geschäftsprobleme in einer Branche findet."

"Es geht darum, ein für einen Kunden spezifisches Geschäftsproblem anzunehmen, die Elemente dieses Problems, die in der gesamten Branche vorzufinden sind, ausfindig zu machen, dann die Methoden und die zur Lösung dieses Problems benötigten Technologien zu definieren und diese dann dem nächsten Kunden als Business-Beschleuniger zur Verfügung zu stellen".

Vereinfachend hat Pat Bakey, Präsident von SAP Industries, Leonardo als die "SAP-Art, Innovation zu verpacken" bezeichnet. Auf der Pressekonferenz der Sapphire 2018 sagte SAP-Innovationschef Jürgen Müller, dass SAP bisher 196 Leonardo-Szenarien aufgezeichnet habe, gegenüber 15 zum Zeitpunkt der Einführung. "Wahrscheinlich werden wir in einem Jahr eine vierstellige Anzahl von Leonardo-Szenarien haben", fügte er hinzu.

Was genau ist SAP Leonardo?

Es kann schwierig sein, an dieser Stelle eine Definition von SAP Leonardo zu finden, da es sich um einen Oberbegriff für eine Reihe von SAP-Technologien handelt, die alle auf dem offenen Platform-as-a-Service (PaaS)-Angebot namens SAP Cloud Platform basieren. Dr. Hasso Plattner, Mitbegründer und Vorsitzender des SAP-Aufsichtsrats, bezeichnete Leonardo während der Sapphire 2017 in Orlando, Florida, als einen "Rahmen um eine Reihe von Objekten" herum. Es handelt sich also um eine "Sammlung von Tools zum Aufbau eines Systems, das dann mit Machine-Learning-Algorithmen Erkenntnisse findet, die wir an Transaktionen in SAP-Umgebungen anhängen können."

Plattner zufolge ist der SAP-Ansatz für KI und Machine Learning dadurch einzigartig, dass die Kunden alle wichtigen Geschäftsdaten direkt unter sich haben, in den SAP-Transaktionssystemen, und dass die Aufbewahrung der Daten an einem Ort die beste Möglichkeit ist, sie zu sichern. Während seiner Sapphire-Keynote sagte CEO Bill McDermott: "Leonardo ist der größte Schritt, den unser Unternehmen seit HANA gemacht hat.

Es ist an der Zeit, dass Ihre Kernsysteme Ihre digitale Innovation fördern. Es ist an der Zeit, dass Ihre Daten, ein neues Kundenerlebnis schaffen. Es ist an der Zeit, dass Machine Learning Ihre Arbeit erleichtert. Es ist an der Zeit, dass Milliarden von Geräten vom Denken zum Handeln übergehen." McDermott unterstrich auch die Offenheit von Leonardo für alle wichtigen SAP-Neukunden, die nach kognitiven, IoT- oder großen Datenlösungen suchen.

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Da Leonardo auf der SAP-Cloud-Plattform basiert, können Kunden "Leonardo beziehen und in jede Architektur oder Umgebung integrieren", erklärt McDermott, denn die SAP-Cloud-Plattform ist "eine offene Plattform mit allen offenen Standards und jeder, auch Nicht-SAP-Kunden, kann hier einsteigen." Dazu gehört auch der Betrieb auf den drei großen Anbietern von Public Cloud-Infrastrukturen: AWS, Microsoft Azure und Google.

Erste Schritte mit SAP Leonardo

Mala Anand, Verantwortliche für Leonardo, sagte 2017 auf der Sapphire-Bühne: "Bei Leonardo geht es um das Business, wir beginnen mit einem Geschäftsproblem, wir wenden unsere Designmethoden an, um die gewünschte Lösung zu definieren, und wenden Rapid Prototyping an, um zu beweisen, wie wir die Lösung schnell in die Tat umsetzen können."

"Wir haben die Absicht, die Bereiche Machine Learning, Big Data, Analytik und IoT zusammenzuführen, und sie integriert auf unserer Cloud-Plattform bereitzustellen. "Letztendlich wollen wir Ergebnisse abliefern, um Geschäftsergebnisse oder -modelle zu verbessern. Das kann nicht mit nur einer Technologie erreicht werden." SAP bietet drei Möglichkeiten, mit Leonardo zu beginnen. Erstens sind Leonardo-Funktionen in SAP-Anwendungen eingebettet, wie z.B. Smart Insights in SAP Ariba, Hybris und S/4HANA.

Zweitens hat SAP während der Sapphire 2018 23 Leonardo-basierte Innovationskits für bestimmte Branchen für Anwendungen in den Bereichen Handel, Life Sciences, Fertigung und Automotive veröffentlicht. Das Leonardo-Kit für die Automobilindustrie beispielsweise ermöglicht einen schnellen Zugriff auf Daten zur Fahrzeugflotte. "Diese Cloud-basierte Anwendung optimiert den Flottenbetrieb, indem sie Sensordaten mit Geschäftsdaten zusammenführt, um eine globale Sicht auf die Flottenleistung für strategische Entscheidungen und eine detaillierte Sicht auf jedes Fahrzeug für die Betriebsführung in Echtzeit zu bieten", erklärt der Anbieter.

Um die Lösung an die eigenen Anforderungen anzupassen, kann der Kunde Vertreter von SAP zu sich ins Unternehmen holen oder eines der Global Design Centres besuchen. Die ersten fünf befinden sich in New York, Paris, Bangalore, Sao Leopoldo und Singapur, weitere sieben werden in Kürze folgen: Silicon Valley, Berlin, Moskau, Shanghai, Seoul und Tokio. Den Besuchern wird dann ein Tag mit "Design Thinking"-Sitzungen angeboten, um die wichtigsten Anwendungsfälle zu identifizieren, für die Kunden Leonardo einsetzen möchten.

Am Ende steht dann ein funktionsfähiger Prototyp mit dem Build-Tool von SAP. Der Softwarekonzern stellt den Mitarbeitern der Unternehmen dann den Zugang zu diesem Prototyp zur Verfügung, damit diese ein sofortiges Feedback geben können. Im Jahr 2018 gab SAP außerdem bekannt, dass sie die Zahl der Lösungen, die den Kunden im Rahmen der neuen SAP Leonardo Partner Medallion Initiative zur Verfügung stehen, verdoppelt hat.

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"Die SAP Leonardo Partner Medallion Initiative erhöht die Anzahl der Lösungen und Teams, die Unternehmen, die mit SAP-zertifizierter Technologie aus einem globalen Netzwerk von vertrauenswürdigen Anbietern innovieren wollen, zur Verfügung stehen", so der Anbieter in einer Pressemitteilung. "Es richtet sich an Systemintegratoren und Technologieanbieter und umfasst sowohl globale als auch regionale Organisationen, um SAP-Kunden weltweit zu bedienen."

Zu den ersten Mitgliedern des Programms gehören Accenture, Capgemini, Deloitte, EY, HCL, Hitachi Consulting, Bluefin, PWC und Wipro, um nur einige zu nennen. Zu den ersten Lösungen der Initiative gehören Szenarien für mit dem Internet verbundene Verkaufsregale und Bestände für den Handel, Entgleisungsprävention für Bahnbetreiber und Kühlkettenlogistik für die Pharma-, Lebensmittel- und Medizinprodukteindustrie.

Leonardo bei BASF

Ein Beispiel für ein Unternehmen, das mit SAP zusammenarbeitet, um ein Problem mit Leonardo zu lösen, ist der deutsche Chemiekonzern BASF, der einen E-Mail-Routing-Bot mit Leonardo Machine Learning-Funktionen entwickelt hat. Pedro Miguel Ahlers, Digital Growth Manager im Unternehmensbereich Veredlungschemikalien der BASF, äußerte sich während der Sapphire 2018 gegenüber Computerworld UK wie folgt: "Wir haben ein Problem identifiziert und die Design-Thinking-Methode angewandt. Wir verstehen also, worin das Problem liegt und reden offen und entwerfen dann eine mögliche Lösung."

Das Problem, das BASF lösen wollte, war die Art und Weise, wie eingehende Kundenanfragen an die richtigen Personen im Unternehmen weitergeleitet wurden. Deshalb hat die BASF fünf Monate lang am Prototyp einer Machine-Learning-Lösung namens CuRT (Customer Request Tracking) gearbeitet, bevor sie am 1. März in Betrieb ging. Jetzt routet CuRT im Unternehmensbereich Veredlungschemikalien von BASF 2.200 E-Mails pro Woche wie zum Beispiel Preisanfragen oder Beschwerden. Die Lösung soll nun auch an Unternehmens-Standorten in anderen Regionen Verwendung finden.

Leonardo und die Konkurrenz

Auf die Frage, wie sich Leonardo in einem gesättigten Markt von Mitbewerbern wie IBM Watson und Microsoft Azure, die kognitive Dienstleistungen anbieten, abheben kann, antwortete Bernd Leukert 2017: "Ich stimme zu, dass es eine Vielzahl von Plattformen auf dem Markt gibt, aber diese Plattformen leben in einem Silo."

"Durch die Öffnung unseres Kernsystems können sie also auf alle physischen Asset-Daten, HR-Daten, alle Informationen, die sie im Laufe der Jahre innerhalb ihres ERP-Systems aufgebaut haben, zugreifen und diese mit Sensordaten und sogar mit externen Marktdaten verknüpfen. "Wenn man Daten und Erkenntnisse gewinnen will und andere Unternehmen Machine Learning nutzen, um diese Informationen in ein anderes System zu übertragen, nennen wir es Stapelverarbeitung: sie erhalten Daten und werfen sie dann einfach wieder zurück."

"Wir arbeiten mit APIs, um Echtzeit-Konnektivität zum Execution-System herzustellen und bieten dies in über 25 Branchen an. Ich kenne keine Firma auf der Welt, die diese Konnektivität und diesen Umfang bieten kann." Es klingt also so, als würde Leonardo insofern mit Microsofts Azure Cloud-Plattform oder IBM Watson konkurrieren, als die Kunden wählen können, welche Cloud-basierte Technologie sie zur Lösung eines Geschäftsproblems einsetzen möchten. Im Gegensatz zu Salesforce Einstein, das fest in seine Software-as-a-Service (SaaS)-Anwendungen integriert ist, um den Anwendern Vorschläge zu unterbreiten und Erkenntnisse zu liefern.

SAP tut dies bereits innerhalb seiner Cloud-Anwendungen, wie z.B. Smart CV Matching n Fieldglass oder automatisiertes Service-Ticketing in Hybris Cloud, aber auf eine weniger offensichtliche Art und Weise. Nebenbei bemerkt hat SAP einen partnerschaftlichen Ansatz bei der Entwicklung Machine-Learning-Fähigkeiten verfolgt, anstatt alles im eigenen Haus zu machen. Es verwendet das Google Open-Source-Projekt TensorFlow für seine Machine-Learning-Algorithmen und Nvidia für die Hardware, um diese Algorithmen zu trainieren.

Die Preisgestaltung von Leonardo

Der Preis für ein Produkt wie Leonardo ist natürlich sehr individuell, da es aus verschiedenen Cloud-Software-Komponenten besteht, gebündelt mit Dienstleistungen wie dem Design-Thinking-Prozess. Laut Mala Anand müssen Kunden "keine Teile zusammenbauen, um ein Geschäftsproblem zu lösen. Wir nutzen integrierte Services, die vordefinierte Software-Elemente für die spezifische Kundenimplementierung customizen." "Alles kommt zu einem Festpreis und unser Service ist zeitgebunden, so dass jeder Kunde einen schnellen Time-to-Value hat." Anand sagte auch, dass die standadisierteren Lösungspakete zu einem "Festpreis innerhalb eines festgelegten Zeitraums" kommen werden.

Auf die Frage, wie diese Preisgestaltung jetzt nach der Veröffentlichung der ersten Industrie-Innovationskits aussehen wird, sagte Anand: "Wir haben sehr hart daran gearbeitet, da wir viele Rückmeldungen von mehreren Kunden hatten, die diese vorintegrierten Funktionen nutzen wollten. Es ist für uns sehr wichtig, das Lizenzmodell, den Vertrag und die Preisgestaltung zu vereinfachen, was auch für uns ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal ist." "Es ist also ein Vertrag mit einem einzigen Preis. Die Abwicklung und die Auswahl des richtigen Abonnements ist sehr einfach", fügte sie hinzu.

Dieser Artikel erschien ursprünglich bei unserer Schwesterpublikation Computerworld UK.