Power BI ist bislang vor allem als Self-Service-Lösung bekannt, mit der Fachabteilungen und Business Analysten vorhandene Daten zur Unterstützung von Entscheidungen visualisieren können. Doch Microsofts Analysedienst kann mehr. Er ist eng in das Ökosystem der Azure Cloud Services eingebunden und - im Unterschied zu anderen Self-Service-Werkzeugen - prinzipiell auf eine Erweiterung ausgelegt. Nach dem Baukastenprinzip lassen sich Dienste für sehr unterschiedliche Aufgaben ergänzen, angefangen bei der Datenintegration über die Datenspeicherung bis hin zu modernen Analyseszenarien aus den Bereichen Echtzeit/Internet of Things (IoT), Process Mining oder Künstliche Intelligenz (KI).
So ergeben sich Einsatzgebiete, die weit über eine reine Visualisierung von Daten in Dashboards hinausreichen. Vielmehr noch kann Power BI zu einer unternehmensweiten Analyseplattform ausgebaut werden, die andere Tools beziehungsweise Systeme ablöst und deren Anforderungen unter einer Nutzeroberfläche vereint.
Power BI in einer modernen Cloud-Architektur
Wer Power BI umfassender nutzen will, muss nicht zwangsläufig seine gesamte Infrastruktur in die Cloud verlegen. Azure ermöglicht hybride Szenarien, in denen beispielsweise SAP-Quellen und konsolidierte Data-Warehouse-Daten lokal vorgehalten werden, während die Harmonisierung und Analyse mittels Power BI in der Cloud stattfindet.
Das volle Potenzial entfaltet der Dienst allerdings erst im Rahmen einer ganzheitlichen Cloud-Strategie, die alle Komponenten auf einer vollintegrierten, digitalen Plattform vereint. Neben den erforderlichen Diensten finden sich hierzu auf Azure auch hunderte von Schnittstellen, etwa für ERP-, CRM- oder Social-Media-Quellen. Power BI schlägt in diesem Kontext eine visuelle Brücke zu den Backend-Diensten und eröffnet dadurch eine Vielzahl neuer Möglichkeiten in den Bereichen:
Realtime-Streaming/IoT
KI und Machine Learning
Prozessanalyse und -optimierung
Mit Power BI und KI zum Modern Workplace
Power BI lässt sich in die Kollaborationsumgebungen von Microsoft 365 und Microsoft Teams einbinden. Auf diese Weise können Unternehmen sogenannte Modern Workplaces bereitstellen, die als wichtiger Faktor für den digitalen Wandel angesehen werden. Das Konzept sieht vor, dass jeder Mitarbeiter - vom Fachanwender über den Business Analysten bis zum Data Scientist - im Kontext seiner Business-Ziele mit Daten arbeiten kann. Gleichzeitig wird eine bereichsübergreifende Zusammenarbeit aller Anwender unter einer einheitlichen Oberfläche ermöglicht - mit entsprechenden Synergien für das Geschäft. Die Verwaltung von Nutzern und Nutzergruppen lässt sich hierbei zentral steuern.
Datenströme, die beispielsweise von Gerätesensoren generiert werden, können in Power BI über Dashboards mit unternehmensweiten Kennzahlen dargestellt werden. Voraussetzung hierfür ist ein Lösungsaufbau in der Cloud, der zwei Datenpfade erschließt: Auf der einen Seite werden laufend die gestreamten Daten aufgenommen, verarbeitet und von Power BI in Echtzeit abgezogen. Auf der anderen Seite gibt es historischen Stammdaten, die nach einem klassischen Data-Warehouse-Ansatz (DWH) bereitgestellt werden. Beide Pfade sind für die Echtzeitanalyse wichtig. Denn: Zahlenwerte aus einem Streaming werden im Regelfall erst durch die Kombination mit den konsolidierten DWH-Daten verständlich und interpretierbar.
Inzwischen beinhaltet Power BI auch diverse KI-Komponenten, durch die Nutzer effizienter und in größerem Umfang neue Einblicke in Daten erhalten und zur weiteren Verwertung bereitstellen können. Bei der Anwendung sind weder tiefere Datenkenntnisse noch komplexes manuelles Know-how erforderlich. Die meisten Vorgänge laufen automatisiert ab. So sucht der Dienst eigenständig nach Trends, Auffälligkeiten und Einflussfaktoren, durch die sich Daten besser verstehen lassen. Bei der Aufbereitung der Daten kann sich der Nutzer von automatisierten Machine-Learning-Modellen und Prognosen unterstützen lassen. Für Entwickler stehen beispielsweise fertige KI-Lösungen zur Bild- und Spracherkennung zur Verfügung.
Zudem wird die Zusammenarbeit zwischen Business-Analysten und Data Scientists vereinfacht - und damit die Entwicklung digitaler Innovationen. Beispielsweise können Programmiercodes vom Business-Analysten direkt in Power BI eingefügt und visualisiert werden. Auch neu entwickelte Machine-Learning-Modelle lassen sich direkt in Power BI übernehmen.
Für die Geschäftsprozessintegration kann Power BI ebenfalls eingesetzt werden. Microsoft stellt zu diesem Zweck eine eigene "Embedded"-Variante zur Verfügung, die interaktive Berichte in Web-Portale und Business Applikationen einbettet. Anwender können dadurch effektiver mit Daten arbeiten, da sie die Berichte und Analysefunktionen in ihrer gewohnten Arbeitsumgebung vorfinden. Außerdem haben Unternehmen die Möglichkeit, ihren Kunden und Mitarbeitern digitale Services über entsprechende Apps anzubieten. Hierbei sorgen individuelle Berechtigungskonzepte dafür, dass der Nutzer tatsächlich nur auf für ihn autorisierte Daten zugreifen kann.
Power BI für Prozessoptimierung und -automatisierung
Ein sehr umfangreiches Feld, das mit Hilfe von Power BI bearbeitet werden kann, ist die datengestützte Prozessanalyse und -optimierung durch Process Mining. Grundsätzlich dient Process Mining dazu, Datenspuren mit Hilfe von Software-Tools aus den Informationssystemen eines Unternehmens zu extrahieren. Auf Basis der tatsächlichen Ist-Prozesse werden dann automatisch detaillierte Modelle der operativen Geschäftsprozesse "End-to-End" visualisiert. Anschließend können mit den Prozessmodelle Schwachstellen aufgedeckt und kontinuierlich Verbesserungen angestoßen werden.
Vor diesem Hintergrund integrieren Anbieter bereits seit einigen Jahren Process-Mining-Software direkt in Power BI. Dadurch stehen sofort alle Konnektoren für den Datenzugriff zur Verfügung, die sonst in jahrelanger Kleinarbeit aufgebaut werden müssen. Gleichzeitig können die Analyse- und Visualisierungsoptionen von Power BI zur Prozesserkennung und -prüfung genutzt werden. Wie das folgende Beispiel der Process-Mining-Lösung PAFnow zeigt, lassen sich daraufhin mit den Diensten der Microsoft Power Platform ganze Prozessketten - ohne Programmierkenntnisse - automatisieren und neue digitale Anwendungen aufs Gleis zu bringen.
Das Beispiel befasst sich mit einem sogenannten Purchase-to-Pay-Prozess (P2P), wie wir ihn aus ganz unterschiedlichen Branchen kennen. Dabei betrachten wir, wie sich dieser Prozess abbilden, optimieren und schließlich mittels Robotic Process Automation (RPA) dynamisch automatisieren lässt. P2P-Prozesse starten üblicherweise mit dem Erzeugen einer Purchase-Order-Nummer und enden mit der Zahlung. Die erforderlichen Zwischenschritte können aber voneinander abweichen, sodass verschiedene Prozessvarianten existieren. Das Process-Mining-Tool visualisiert alle diese Varianten in Power BI und eröffnen damit die Möglichkeit, bestimmte Abläufe zu automatisieren. Dies bietet sich vor allem bei Prozessen an, die das Tool als "Happy Path", also den optimalen Prozessverlauf, identifiziert.
Wir konzentrieren uns nun auf Fälle, bei denen die Zahlung - etwa wegen der Rechnungshöhe - durch einen Payment Block unterbrochen wird. Dabei drohen dem Kunden unerwünschte Mahngebühren, wenn die als Case-IDs dargestellten Vorgänge überfällig sind. Über RPA-Funktionen des Tools kann sich der Nutzer zunächst simulieren lassen, wie viel Durchlaufzeit mit einer Automatisierung eingespart würde. In unserem Beispiel liegen insgesamt 965 Case-IDs in 61 Varianten vor. Die Simulation ergibt eine Reduktion der Durchlaufzeit von 29 auf 18 Tage, wenn die Prozessschritte "Entfernung des Payment Blocks" und "Zahlung" automatisiert werden.
Konkret umgesetzt wird die Automatisierung dann mit Hilfe des Power-Platform-Moduls "Power Apps". Beispielsweise lässt sich direkt aus dem Process-Mining-Werkzeug heraus ein Bot aktivieren, der eine Mail an den verantwortlichen Sachbearbeiter schickt, sobald der Payment Block aktiv ist. Der Sachbearbeiter kann dann die Zahlung direkt aus der Mail und mit wenigen Klicks etwa in Microsoft Dynamics freigeben.
Power BI als strategisches Frontend
Das Process-Mining-Beispiel hat noch einmal verdeutlicht, wie Power BI in Ergänzung mit anderen Services ganz unterschiedliche Anforderungen der modernen Datenanalyse unter einer Oberfläche beziehungsweise auf einer Plattform vereint. Dabei erweitert Microsoft laufend das Leistungsspektrum des Dienstes wie auch der anderen Azure Services, aktuell beispielsweise in Richtung einer vollständigen, operativen Unternehmensplanung. So kann Power BI zunehmend als ein strategisches Frontend für den digitalen Wandel sowie den Aufbau einer datengetriebenen Unternehmenskultur eingesetzt werden. (mb)