Die meisten Unternehmen versuchen, neue Technologien sofort bei Marktverfügbarkeit einzuführen. Wenn es aber alleine damit getan wäre, dass die Unternehmen neue Technologien, Architekturen und Services auf den Weg bringen und implementieren, ließe sich die Transformation leicht bewerkstelligen. Dem ist aber nicht so: Denn Technologie verändert nicht nur bestimmte Märkte, sondern auch das Verhalten, die Erwartungen und die gesamte digitale Erfahrung von Kunden und Angestellten im Unternehmen.
Ein Schlüsselwort in diesem Kontext ist der Begriff "Digitale Transformation". Er bezeichnet einen kontinuierlichen Veränderungsprozess basierend auf digitalen Technologien, der die gesamte Gesellschaft und nahezu alle Unternehmen betrifft. Der Zweck der digitalen Transformation ist dabei nicht auf eine bestimmte Gruppe oder einen bestimmten Geschäftsbereich beschränkt, sondern gilt unternehmensweit. Eine Technologie, die heute in besonderem Maße mit der digitalen Transformation verbunden ist, ist die Künstliche Intelligenz (KI). Während der letzten fünf Jahre ist die industrielle Nutzung von KI bezogen auf Interesse, Investitionen, Ideenfindung und Implementierung exponentiell gestiegen.
Noch wird das KI-Spielfeld in seiner Gesamtheit vermessen. Doch suchen weltweit bereits Branchen nach Mitteln und Wegen, wie sie damit ihre Prozesse transformieren können. Die Technologie entwickelt sich rasant, in nur wenige Jahren werden wir hier große Sprünge erleben - von KI-unterstützten Systemen, die bestimmte Dinge ausführen, über lernende und denkende Systeme bis hin zu solchen, die sich nach und nach selbständig verbessern. Gerade die Versicherungsbranche kann davon im mehreren Bereichen profitieren.
Vielfältige Einsatzmöglichkeiten
Die Beispiele für mögliche Einsatzbereiche sind vielfältig: KI kann helfen, den Umsatz anzukurbeln und neue Umsatzmöglichkeiten zu identifizieren oder zu neuen Produkten und skalierbaren Dienstleistungen inspirieren. Auch die Möglichkeiten der Mitarbeiter lassen sich durch KI verbessern, beispielsweise indem Beratern und Vertriebspersonal für ihre Entscheidungen bessere Informationen an die Hand gegeben werden.
Zudem kann KI die Effizienz verbessern: Durch Künstliche Intelligenz lassen sich Aufgaben schneller erledigen, Kosten für Angelegenheiten wie Auszahlungen oder Kundeninteraktionen verringern oder Risiken entschärfen. Auch die Kundenzufriedenheit wird sich erhöhen: Mit Hilfe von KI lässt sich genauer und meist zu geringeren Kosten auf die persönlichen Bedürfnisse der Kunden eingehen was wiederum die Kundenerfahrung verbessert.
Einige Versicherer haben bereits KI-Komponenten eingeführt. Die Swiss Reinsurance Co. beispielsweise entwickelt neue Underwriting-Lösungen, um eine genauere Preisgestaltung zu erreichen. Insurify.com ermöglicht es Kunden, Preisangebote zu generieren, einfach indem sie ihr Nummernschild abfotografieren. Und die Canadian Manulife hat ihren Authentifizierungsmechanismus mit Hilfe von KI umgestellt - von Passwort und PIN auf Stimmerkennung.
Herausforderungen für Versicherungsunternehmen
Jedoch gibt es noch eine Reihe von Herausforderungen, die Versicherungsunternehmen meistern müssen, ehe sie sich eingehender mit KI befassen. Zunächst: Es dauert eine gewisse Zeit, um eine solide Plattform dafür aufzubauen. Die Qualität des Systems ist dabei natürlich abhängig von den Informationen, die dafür genutzt werden. Daher ist es wichtig für Versicherer, korrekte Informationen zu nutzen und einen Partner an der Seite zu haben, der das System kompetent aufsetzen und die entsprechenden Schulungen dafür anbieten kann.
Ein weiterer Faktor ist die öffentliche Akzeptanz von KI, besonders im Anbetracht der negativen Berichterstattung rund um das Thema. Werden Kunden oder Mitarbeiter die Zusammenarbeit mit Robotern und selbstlernenden Programmen akzeptieren? Wie wird sich diese Zusammenarbeit auf das Unternehmen auswirken? Wer wird die Verantwortung übernehmen und für was? Können wir einer Maschine die Altersversorgung anvertrauen? Das sind alles sehr grundlegende Fragen, doch sie sind wichtig und müssen beantwortet werden.
Darüber hinaus wird in weniger als zwei Jahren die Datenschutz-Grundverordnung der Europäischen Union in Kraft treten. Wenn ein Unternehmen beispielsweise Probleme mit Datendiebstählen hat oder nicht in der Lage ist, spezifische Kundeninformationen bei Bedarf dauerhaft zu löschen, könnte es in Zukunft schwer bestraft werden. Daher wird es für Unternehmen noch wichtiger werden, ihre kundenbezogenen Informationen mit größtmöglicher Sicherheit zu behandeln. Das gleiche gilt für etwaige Änderungen, die Kunden bei ihrer Altersversorgung gemacht haben.
Die Hürden für KI überwinden
Als erster Schritt ist es wichtig, sämtliche Vorteile aufzulisten, die KI generieren kann und dabei die Mitarbeiter zu einem möglichst frühen Zeitpunkt mit ins Boot zu holen. Denn die Mitarbeiter sind Veränderungen gegenüber eher ablehnend, wenn sie nicht in die Prozesse einbezogen wurden und die Vorteile, die sich mit sich bringen, nicht verstehen.
Geht es an die Umsetzung, sollte man klein anfangen. Zunächst sollten relativ einfache Prozesse und Projekte unterstützt werden, auch wenn dabei der potenzielle Nutzen bescheiden ist. Unternehmen benötigen in dieser Phase noch Spielraum für Fehler - und dafür eignen sich kleine Projekte sehr viel besser als große.
Als nächstes müssen die Versicherungsunternehmen die Veränderungen managen, die durch KI angestoßen werden. Werden diese Veränderungen die tägliche Arbeit der Mitarbeiter betreffen? Vermutlich. Wird sich die gesamte Organisation verändern? Auf lange Sicht mit Sicherheit. Müssen Mitarbeiter geschult oder innerhalb der Organisation versetzt werden? Mehr als wahrscheinlich.
Und zuletzt - die besten Ergebnisse kommen durch Zusammenarbeit zustande. Dafür gilt es, die richtigen Menschen in der Organisation zusammenzubringen, um die besten Lösungen zu entwickeln und zu implementieren.
Gerade die Versicherungsbranche kann durch die Nutzung von KI signifikante Vorteile erzielen, sofern sie vernünftig an die Sache herangeht. Mit Hilfe von KI können alle möglichen Bereiche effizienter behandelt werden - angefangen beim Vertrieb, über das Risikomanagement und Auszahlungen, bis hin zu Vertragserneuerungen. In wenigen Jahren wird die Technologienutzung das sein, was die sehr erfolgreichen Unternehmen von den Nachzüglern trennt. (mb)