Neue Arbeitswelt

Wie KI IT-Berufe verändert

22.02.2021
Von 
Anisa Karajbic verantwortet das Business Development bei der Talentschmiede in Frankfurt.
Mit zunehmendem Einsatz von KI-Lösungen wandelt sich auch die IT-Arbeitswelt: Neue Berufsbilder entstehen, Routinetätigkeiten entfallen. Was bleibt?
Künstliche Intelligenz wirkt sich auch auf IT-Berufe aus. IT-Berater und Business-Analysten müssen beispielweise über KI-Wissen verfügen, um Kunden zukunftsorientiert zu betreuen. Und: Durch KI werden neue IT-Berufe entstehen.
Künstliche Intelligenz wirkt sich auch auf IT-Berufe aus. IT-Berater und Business-Analysten müssen beispielweise über KI-Wissen verfügen, um Kunden zukunftsorientiert zu betreuen. Und: Durch KI werden neue IT-Berufe entstehen.
Foto: Pixels Hunter - shutterstock.com

Künstliche Intelligenz (KI) wird zunehmend ein Thema in den Unternehmen. Die selbstlernenden Systeme bieten große Chancen, von der Medizinforschung bis zur Optimierung ganzer Produktionsanlagen und Logistikketten, greifen aber auch tief in den Arbeitsalltag ein. Laut einer Bitkom-Umfrage befürchten 65 Prozent der Befragten den Verlust von Arbeitsplätzen durch KI, gleichzeitig erhoffen sich 45 Prozent dadurch weniger Routine und mehr Freiräume für interessante Aufgaben. Während sich viele Beschäftigte in diesem Prozess als Betroffene erleben, sind IT-Fachkräfte Beteiligte und Enabler zugleich. Stellt sich die Frage: Welche Veränderungen sind für eine Berufsgruppe zu erwarten, die KI-Lösungen entwickelt und umsetzt? Die Fragestellung ist dabei unter folgenden zwei Aspekten zu sehen:

  1. Welches Know-how und welche Skills werden benötigt, um den Einsatz von KI-Lösungen zu ermöglichen?

  2. Welche Folgen hat der KI-Einsatz im IT-Bereich selbst?

Zum ersten Aspekt, welches Know-how wichtig wird, ist klar zu sagen, dass KI-Entwickler gefragt sind. Aus der Vielfalt von Funktionen und Anwendungsgebieten der KI ergibt sich eine enorme Bandbreite an möglichen Lösungen, die dann jeweils spezielle Expertise erfordern. In jedem Fall sind ausgeprägte mathematische Fähigkeiten nötig, um Machine-Learning-Algorithmen zu programmieren oder Lösungen mit Deep Learning auf Basis tiefer neuronaler Netzwerke zu entwickeln.

Die Programmierung ist aber erst der Anfang. KI-Systeme müssen zunächst mit Daten gefüttert und trainiert werden, um überhaupt intelligent agieren zu können. Und sie hören nicht auf zu lernen. Da sich selbstlernenden Systeme ständig weiterentwickeln und somit verändern, sind auch immer wieder Überprüfungen nötig. Daraus ergeben sich ganz neue Aufgaben und Tätigkeitsfelder wie etwa KI-Training, KI-Forensik sowie erweiterte Anforderungen an Auditoren und IT-Sicherheitsexperten.

KI-Einsatz: Neue Berufsbilder entstehen

Welche Berufsbilder sich daraus entwickeln, lässt sich nicht konkret vorhersagen, aber bereits mit den Planungen zum KI-Einsatz werden sich die Anforderungen an IT-Experten verändern. Das betrifft neben den erwähnten Sicherheitsspezialisten besonders die Schnittstellenfunktionen zu den Geschäftsbereichen, also Business-Analysten und IT-Berater.

Potentielle Anwender brauchen Beratung und Unterstützung sowohl bei der Identifizierung möglicher Anwendungsfälle als auch bei der Auswahl geeigneter KI-Lösungen. Das bedeutet, dass auch Berater und Business-Analysten über das nötige Grundwissen zu KI-Anwendungen verfügen sollten, um Aufwand und Nutzen richtig einzuschätzen. Dazu gehört auch, die Voraussetzungen zu prüfen:

  • Sind Daten in ausreichender Menge und Qualität verfügbar?

  • Welche Simulationen können genutzt werden?

KI-Lösungen sind auf spezifische Anwendungsfälle zugeschnitten. Um die Anforderungen der Anwender zu verstehen, braucht es daher - wie bisher auch - spezifisches Branchen- und Fachwissen. So müssen zum Beispiel in regulierten Branchen die Systeme nicht nur leistungsfähig, sondern in ihren Funktionen und Entscheidungen auch nachprüfbar sein. "Um hier kompetent unterstützen zu können, benötigen IT-Berater auch Know-how zu den spezifischen Abläufen und den gesetzlichen Vorgaben in der jeweiligen Branche", erläutert Stefan Rühle, Vorstandsvorsitzender von The Digital Workforce Group, der zuvor selbst im Bankenumfeld tätig war.

Er kennt auch das Dilemma in den IT-Abteilungen: IT-Experten mit Branchenerfahrung sind kaum zu finden und für die Einarbeitung der Nachwuchstalente fehlen meist die Ressourcen. Sein Unternehmen hat daher ein Konzept entwickelt, das personalisierte Ausbildung und Mentoring für Young Professionals mit Projekteinsätzen in den Zielunternehmen verknüpft. Das Thema KI ist auch hier ein Schwerpunkt in der Weiterbildung, bei TechTalks und Expertenvorträgen.

Automation und KI: IT-Ressourcen-Freisetzung

Und nun zum zweiten der eingangs erwähnten Aspekte: Auch die IT-Prozesse gehören zu den Zielanwendungen für KI-Lösungen. Sie erweitern die Möglichkeiten der Automatisierung. Automation des IT-Betriebs ist seit Längerem ein wichtiger Punkt auf der Agenda der CIOs, denn manuelle Abläufe verschlingen einen großen Teil des Budgets, binden Personal und sind zudem fehleranfällig.

Zu den Lösungsansätzen gehört Robotic Process Automation (RPA). Repetitive und für Menschen oft ermüdende Tätigkeiten werden dabei von Softwarerobotern übernommen, die wie ihr menschliches Pendant auch über die Benutzeroberfläche agieren können, nur weit schneller und fehlerfreier. KI-Lösungen können zudem auch Zusammenhänge erkennen und berücksichtigen, die menschlichen Nutzern verborgen bleiben.

Wenn die Software übernimmt, wird menschliche Arbeitskraft freigesetzt - in diesem Fall häufig ein gewünschter Effekt. So gehen in einer Umfrage von Crisp Research fast zwei Drittel der Entscheider (65 Prozent) davon aus, dass sich die Personalstärke der IT-Abteilung durch die Automatisierung nicht signifikant reduzieren wird, weil im Zuge der Digitalisierung neue Aufgaben hinzukommen. Für gut ein Drittel der Befragten (35 Prozent) zählen eine höhere Produktivität der IT-Mitarbeiter und Upskill in neue Kompetenzbereiche zu den konkreten Anforderungen, die im Kontext der Automatisierung umgesetzt werden sollen.

KI wird selbst vor der IT-Kerndisziplin, dem Programmieren, nicht haltmachen, prognostiziert Stefan Rühle: "In Zukunft kann sich KI sogar selbst schreiben und verbessern". Google Brain hat bekanntlich schon 2017 die erfolgreiche Entwicklung einer Spracherkennungssoftware durch ein KI-System gemeldet.

Vergleichsweise einfache und sich wiederholende Programmieraufgaben können automatisiert werden. Mit zunehmendem KI-Einsatz kommt es für die Entwickler mehr darauf an, die maschinell erzeugten Ergebnisse richtig zu bewerten und mit der Maschine zu interagieren. Das erfordert ausgeprägte mathematisch-analytische Kenntnisse, gleichzeitig benötigen die Developer ein sehr gutes Prozessverständnis und Kommunikationskompetenz.

Fazit: Während KI im Kontext der IT-Automatisierung dazu beiträgt, Fachkräfte von Routinetätigkeiten zu entlasten, entstehen mit deren fortschreitender Nutzung in Unternehmen und Organisationen neue Tätigkeitsfelder sowie Berufsbilder, die KI-Expertise erfordern. Und diese neuen KI-Technologien entfalten eine Breitenwirkung: Über alle IT-Disziplinen hinweg wird künftig Hintergrundwissen zu Machine Learning und KI-Systemen wichtig. Lernen bleibt also essentiell - nicht nur für KI-Software.