Die meisten Unternehmen tun sich noch schwer mit ihrer digitalen und agilen Transformation. Sie müssen erkennen, dass der Umbau Zeit und den richtigen Fokus erfordert. CGI hat 1.550 Entscheider aus Kundenunternehmen in zehn Ländern befragt: 57 Prozent verfolgen demnach eine digitale Strategie auf Unternehmensebene, aber nur zehn Prozent konnten bislang die erwarteten Mehrwerte realisieren.
Der Digitalisierungsgrad ist in den Branchen unterschiedlich ausgeprägt. Unternehmen in reinen Business-to-Business-(B2B-)Kontexten verändern sich langsamer. Sie spüren nicht den starken Druck der Endverbraucher, die Betriebe aus dem Business-to-Consumer-(B2C-)Segment ständig zu digitalen Innovationen drängen. Bei Letzteren ist die optimale Customer Experience ein ständiges Thema, während sich die Initiativen der B2B-Firmen eher auf Prozesseffizienz konzentrieren.
Digitalisierungsvorhaben waren bisher oft auch deshalb nicht erfolgreich, weil die betreffenden Unternehmen den Hebel nicht an ihrem Kerngeschäft angesetzt haben. Oft haben sie eher versucht, zu diversifizieren und etablierte Geschäftsmodelle durch "Blue-Ocean"-Strategien zu ersetzen. Hier setzt nun ein Umdenken ein, die Digitalisierung des Kerngeschäfts rückt in den Vordergrund. Dabei wollen 72 Prozent der Firmen vor allem ihre operative Leistungsfähigkeit verbessern. Das geht nur mit einer Neuordnung der IT.
Wertschöpfungsnetzwerk statt Silos
Der Umbau der IT zielt nun oft auf eine Zweiteilung ab: Zum einen gibt es die nach innen gerichtete Unternehmens-IT mit zentralen Systemen wie ERP, Controlling- oder Human-Resources-Applikationen. Parallel dazu ist eine nach außen gerichtete IT entstanden, die Geschäftsmodelle, Produkte und Services sowie Customer-Touch-Points betrifft. Die interne IT verantwortet in der Regel der CIO, die externe IT hingegen in vielen Fällen der CDO, der zentral oder aber in den jeweiligen Unternehmens- und Geschäftsbereichen wirkt.
Die entscheidende Veränderung ist die Verschmelzung von IT-Teams mit den Fachbereichen: IT und Business - und damit auch IT- und Geschäftsprozesse - gehen in neuen, hocheffizienten Wertschöpfungsnetzwerken auf. Beispiele dafür finden sich häufig in Industrieunternehmen, die sich vom klassischen Produktverkauf abwenden. Maschinen und Ausrüstungsgüter werden in ein umfassendes Predictive-Monitoring-/Maintenance-Konzept eingebunden, und der eigentliche Gebrauch wird verbrauchsabhängig abgerechnet. Damit das funktioniert, muss die IT in die Produkte und damit auch in die Wertschöpfungskette integriert sein.
Um diesen Schritt gehen zu können, lassen immer mehr Unternehmen Machtverschiebungen zu und zeigen sich bereit, alte Zöpfe abzuschneiden. Flexibilität und Agilität können nur erreicht werden, wenn die Entscheidungswege kurz sind. Dazu müssen hierarchische Organisationsstrukturen abgebaut werden. Dezentrale Strukturen erfordern ein generelles Umdenken im Management. 82 Prozent der Entscheider haben das unserer Umfrage zufolge erkannt.
- Der Sportdirektor eines Vereins
Der Sportdirektor eines Vereins stellt den Kader zusammen und gestaltet die Spiel- und Terminpläne für Wettkämpfe und Trainings. Er instruiert Talentscouts, kauft Spieler ein und stellt Bewegungsfreiheit für erforderliche Transfers sicher. Sein Ziel: Menschen zu finden und zu binden, die die Weiterentwicklung des Unternehmens konstant antreiben. Er erweitert die Suchkriterien für die Rekrutierung, stellt Mitarbeiter mit verschiedensten Hintergründen ein und ermöglicht Familien- und altersgerechte Arbeitszeitmodelle. - Führung in der Digitalisierung
Die Studie "Die Haltung entscheidet. Neue Führungspraxis für die digitale Welt" stammt von LEAD (Mercator Capacity Building Center for Leadership & Advocacy) in Kooperation mit der Unternehmensberatung Company Companions sowie der School of Public Policy (Central European University, Budapest) und dem Center for Leadership and Values in Society (Universität St. Gallen). Die Autoren empfehlen acht Rollen als Orientierungshilfen. - Die Landschaftsgärtnerin
Die Landschaftsgärtnerin gestaltet und pflegt Grünanlagen. Sie versteht das gesamte Ökosystem und weiß, wann welche Pflanzen im Jahreszeitenwechsel an welcher Stelle ihre Wirkung entfalten und wie alles zusammenspielt. Ihr Ziel: Das Unternehmen langfristig auf zustellen, wenn Krise und Veränderung zum Normalfall geworden sind. Sie ermöglicht schnelles „Prototyping“, geht unkonventionelle Partnerschaften ein und bricht Silos mittels heterogener, cross-funktionaler Teams auf. - Die Seismologin
Die Seismologin muss wissen, wo die Erde beben könnte. Dafür analysiert sie Daten, registriert feinste Erschütterungen und erkennt Spannungen frühzeitig. Sie erliegt aber nicht der Illusion, die Zukunft genau vorhersagen zu können. Ihr Ziel: Grundlagen für gute Entscheidungen in einer unübersichtlichen Welt zu schaffen. Sie etabliert „Situation Rooms“ zur Entwicklung von Handlungsstrategien, greift über digitale Plattformen auf verborgenes Wissen zu und schult ihre Intuition als zusätzliche "Datenquelle". - Der Zen-Schüler
Der Zen-Schüler ist in Ausbildung und Vorbereitung. Er lernt, reflektiert und prüft sich selbst. Achtsamkeit, Mitgefühl und Offenheit sind seine Tugenden, er pflegt eine disziplinierte (spirituelle) Praxis. Sein Ziel: Das finden, woran er sich festhalten kann, wenn sich alle an ihm festhalten. Er nutzt Coaching- und Mentoring-Programme, schafft physische Räume für den Ausgleich und richtet den Blick nach innen. - Der DJ
Der Discjockey bringt mit seiner Musik die Menschen zum Tanzen. Er setzt einen Rahmen, der motiviert, anregt und gemeinsame Energie erzeugt. Zugleich hat er ein offenes Ohr für Anregungen und sensible Antennen für das richtige Stück im richtigen Moment. Sein Ziel: Eine Kultur der Zugewandtheit zu schaffen – aber mit dem Fokus auf Ergebnisorientierung. Dafür baut er Empathie als Führungskompetenz auf, schafft Räume, in denen Menschen gerne arbeiten, und agiert als Vorbild für Zugewandtheit und Leistungsorientierung. - Die Intendantin eines Theaters
Die Intendantin eines Theaters wählt die Stücke für die Aufführung aus. Sie entwickelt den roten Faden und prägt die gesellschaftliche Wirkungskraft ihres Hauses. Die Künstler und deren Expertise bindet sie dabei ein. Ihr Ziel: in Zeiten großer Unsicherheit und Unplanbarkeit Orientierung zu geben. Über ein „Strategy Board“ schafft sie die Voraussetzung für Richtungsentscheidungen schaffen, erhöht mittels interaktiver Beteiligungsformen die Einigkeit über die Richtung – und hat den Mut zu klaren Ansage in der Krise. - Die Trainerin
Die Trainerin leitet eine Mannschaft taktisch, technisch und konditionell an. Sie bestimmt Trainingsablauf, Mannschaftsaufstellung und Strategie. Sie muss für Misserfolge geradestehen, Erfolge lässt sie ihrem Team. Ihr Ziel: Die Mitarbeiter zu mehr Verantwortungsübernahme zu befähigen. Dafür entwickelt sie über zeitgemäße Lernformate Kompetenzen entwickeln, baut gegenseitiges Vertrauen auf und führt Anreize zur Übernahme von Verantwortung ein. - Der Blogger
Der Blogger kommentiert Geschehnisse – zugespitzt, aufrüttelnd und meist aus einer persönlichen Sichtweise. Er will die Welt verstehen, erklären und übersetzen. Er lebt vom direkten Feedback der Leser. Sein Ziel: Veränderungsbereitschaft in die DNA des Unternehmens zu schreiben. Er kaskadiert die Geschichte der Veränderung in die Firma, moderiert gemeinsame Lernprozesse und gibt sichtbare Veränderungsanstöße.
IT-Modernisierung ist unumgänglich
Für die agile Transformation ist eine veraltete IT-Infrastruktur ein teurer Hemmschuh. In vielen Unternehmen binden immer noch komplexe monolithische Anwendungen zu viele Ressourcen. Wer neue und innovative Produkte schnell und kundennah entwickeln und herausbringen will, der braucht operative Exzellenz im Hintergrund. Gerade die zentralen Building Blocks der digitalen Transformation wie Cloud, künstliche Intelligenz, Internet of Things, Automatisierung oder Blockchain zeigen die elementaren Herausforderungen der meisten Unternehmen: das nicht vorhandene, IT- und anforderungsspezifisch qualifizierte Personal.
Weil sich auf dem Arbeitsmarkt keine Entspannung abzeichnet, muss intern Know-how aufgebaut werden. Eine "lernende Organisation" ist die unausweichliche Konsequenz. Der Wissenstransfer muss von außen nach innen erfolgen, Zwänge und Verordnungen sind dabei wenig hilfreich. Verlieren die Mitarbeiter ihre Motivation, führen alle Initiativen zwangsläufig irgendwann ins Leere. Gleichzeitig müssen Unternehmen die Dynamik des Marktes im Auge behalten und für sie relevante technologische Entwicklungen frühzeitig identifizieren. Es gilt, auf dieser Basis in den Kompetenzaufbau der eigenen Mitarbeiter zu investieren.
Die Cloud wird wichtiger
Ins Zentrum der Infrastrukturüberlegungen rücken die Cloud-Services: In der weltweiten Befragung geben 76 Prozent der Entscheider an, Cloud-Computing in ihren Unternehmen zu nutzen. In zahlreichen Betrieben, insbesondere in den mittelständischen, fehlt aber oft das notwendige Grundwissen. Schlimmer noch: Auch die diesbezüglichen Sicherheitsstandards werden in vielen Fällen nicht erreicht. Nur 42 Prozent der Befragten sind in der Lage, ad hoc zu ermitteln, wo wichtige Datenbestände in der Cloud für die eigene Organisation und die ihrer Kunden gespeichert sind.
Jede Cloud-Implementierungsstrategie bedarf einer grundlegenden Vorbereitung. Dabei sollte anhand eindeutiger Kriterien untersucht werden, welche Bereitstellungsart - Public, Hybrid oder Private-Cloud - für das jeweilige Anwendungsszenario am besten geeignet ist. Manchmal macht es Sinn, einen "Balanced Cloud Approach" zu favorisieren. Die dabei anzulegenden Kriterien sollten Aspekte wie Datensicherheit, Datenspeicherort, Business Continuity oder auch die entstehenden Kosten einbeziehen.
Digitaler Wandel und der europäische Wettbewerbsnachteil
Deutsche Unternehmen haben in Sachen Cloud-Strategie im internationalen Vergleich einen klaren Wettbewerbsnachteil, weil es weder in Deutschland noch in Europa einen Cloud-basierten Wirtschaftsraum gibt. Prinzipiell wäre der europäische Markt zwar groß genug, aber Marktbarrieren und sprachliche wie kulturelle Unterschiede haben den Aufbau eines europäischen Cloud-Binnenmarkts bislang verhindert. So ist es hierzulande und auch in Europa schwieriger, ein neues digitales Geschäftsmodell zu etablieren. Hier haben die USA und China einen Vorteil.
Insgesamt sind für eine digitale agile Transformation im ersten Schritt zwei Punkte wichtig: eine kontinuierliche, manchmal auch radikale Veränderung der betrieblichen Organisation, in der IT- und Fachbereiche verschmelzen und agile Wertschöpfungsnetzwerke schaffen (dezentrale End-to-End-IT), und eine Cloud-Transformation einschließlich der Legacy-Modernisierung und der Nutzung neuer Technologien.
Gelingt es, mehr IT-Kompetenz in die wertschöpfenden Prozesse der Fachbereiche und die dadurch entstehenden innovativen Produkte und Services einzubringen, bedeutet das eine Push-Wirkung für den digitalen Wandel. Wird diese Zusammenführung unterfüttert mit einer kontinuierlichen und effektiven Modernisierung der IT-Systeme, kann die verstärkte Nutzung von Cloud-Services und digitalen Technologien adressiert werden. Auf diese Weise lässt sich eine zukunftsfähige IT als Motor der digitalen Transformation etablieren. (hv)
- Peter Goldbrunner, Country Manager Deutschland und Österreich bei Nutanix
„Wenn die Anwendungs- und Systemmonolithe nicht aufgebrochen, der im Code enthaltene Wert nicht wiederverwendet und weiterentwickelt werden kann, wenn nicht die nachrückende junge Generation an IT-Experten damit effizient arbeiten kann, sobald sich ihre älteren Kollegen in den Ruhestand verabschiedet haben, dann bleibt das datengesteuerte Unternehmen oder Geschäftsmodell nur Phantasie.“ - Hannes Sbosny, Managing Director NTT DATA Services Germany
„Damit Modernisierungseffekte wirklich greifen, ist ein ganzheitlicher Ansatz nötig, der über den einfachen Aspekt einer Digitalisierung bestehender, analoger Geschäftsmodelle hinausgeht. IT-Leiter und Fachbereiche müssen gemeinsam ein umfassendes Bewertungs- und Prüfungsprogramm entwickeln und durchführen, mit dem eine Priorisierung von Initiativen für die dringendsten Herausforderungen möglich wird.“ - Kevin Giese, Manager Enterprise Solution DACH bei Microfocus
„Technisch ist die Herausforderung bei der Legay-Modernisierung mit einem starken Partner wie Micro Focus nicht allzu groß. Die größere Herausforderung steckt tatsächlich im organisatorischen Bereich. Hier müssen die Firmen umdenken und Jahrzehnte alte Gewohnheiten ablegen. Speziell die Digitalisierung drängt die Firmen dazu auch im Legacy-Bereich agiler und übergreifender zu agieren. Es darf keinen großen Unterschied mehr machen, ob es sich um eine Legacy- oder Neu-Applikation handelt.“ - Jörg Eggers, Solutions Architekt bei Rackspace
„Von der Legacy-Modernisierung werden bald alle ganz automatisch profitieren. Denn auch die Software-Hersteller stellen auf skalierbare Architekturen auf Basis von Microservices oder anderen Methoden um und sind deshalb wegweisend. Daher ergibt es künftig keinen Sinn mehr, nicht mit skalierbarer Infrastruktur zu arbeiten. Gleichzeitig hat die IT einen immer größeren Einfluss auf das eigentliche Unternehmensgeschäft.“ - Björn Langmack, Geschäftsführer, Deloitte innoWake GmbH
„Die großen Vorteile (der Modernisierung von Bestandssystemen) sehe ich in dem Schutz der geistigen und finanziellen Investitionen, welche über Jahr(zehnt)e in die Anwendungen getätigt wurden: mit geringstem Risiko werden diese zukunftsfähig gemacht und gleichzeitig die Betriebskosten gesenkt. Warum sollen Unternehmen viel Geld dafür ausgeben, mit großem Risiko etwas neu entwickeln, was erfolgreich und ohne Kinderkrankheiten funktioniert? Die Legacy-Modernisierung ermöglicht es, sich auf die Weiterentwicklung des Unternehmens zu konzentrieren anstatt bestehende Anwendungen neu zu erfinden." - Donald Fitzgerald, Managing Director Easirun Europa
„Mit der Legacy-Modernisierung sichern Firmen die Zukunftsfähigkeit, die Integration und die Wiederverwendbarkeit der mit großer Sorgfalt über Jahrzehnte geschriebenen Anwendungen, um IT-Landschaften modern, unabhängig und kostengünstig zu gestalten. So bleiben Unternehmen im Hinblick auf die Ziele der Modernisierung stets technologieunabhängig, binden sich zu keinem Zeitpunkt an proprietäre Lösungen und können dank Industriestandards und umfassender Schnittstellen die Vorteile neuer Technologien vollumfänglich nutzen.“ - Heidi Schmidt, Geschäftsführende Gesellschafterin, PKS Software GmbH
„Die Firmen müssen eine realistische und pragmatische ‚Mischung‘ zwischen technischer und fachlicher Erneuerung finden. Einerseits möchte das Business in einer Modernisierung natürlich rasch fachliche Mehrwerte realisiert sehen. Andererseits sind bei der Modernisierung von monolithischen Anwendungen aber auch ‚Hausaufgaben‘ im Bereich der Software-Architektur zu leisten, die im ersten Schritt aber keinen unmittelbaren Mehrwert für den Anwender bringen. Hier ist es wichtig, dass Management, Fachbereichsleiter und Entwickler sich auf eine gemeinsame Strategie und Priorisierung vereinbaren.“