Mehr Agilität wagen

Wie die IT schnell und schlank wird

10.08.2022
Von 
Stephanie Overby schreibt unter anderem für die US-Schwesterpublikation CIO.com.
Kultur, Produktgeschäft, weniger ist mehr: IT-Führungskräfte berichten über ihre Erfahrungen bei der Umgestaltung der IT.
Agile Methoden und Tools allein reichen nicht aus, um die IT schlanker und wendiger zu machen. Es braucht auch Erwartungs- und Stakeholdermanagement, das richtige Mindset und viel Kommuniktaion.
Agile Methoden und Tools allein reichen nicht aus, um die IT schlanker und wendiger zu machen. Es braucht auch Erwartungs- und Stakeholdermanagement, das richtige Mindset und viel Kommuniktaion.
Foto: Photon photo - shutterstock.com

Noch nie war der Druck auf IT-Abteilungen größer, Unternehmen durch Technologie zu verändern. Doch komplexe Anforderungen können es für IT-Leiter schwierig machen, ihre Ressourcen auf die richtigen Aufgaben zu konzentrieren. Hier ist Agilität gefragt und kluge IT-Führungskräfte verdoppeln ihre Anstrengungen, um die IT zweckmäßig zu gestalten. Dazu gewichten sie Projekte um, richten IT-Portfolios neu aus, gestalten Anwendungen wirtschaftlicher und verfolgen Cloud-Native-Ansätze. Sie automatisieren mehr, führen DevOps ein oder überarbeiten die Struktur des IT-Betriebs.

Vier IT-Führungskräfte sprechen darüber, wie sie die IT stromlinienförmiger gestalten und flexibler machen. Sie berichten, wie sie dabei vorgehen, was die größten Herausforderungen sind und welche Tricks sie gelernt haben, um so etwas erfolgreich umzusetzen.

"Nein" (oder wie man die IT fokussiert)

"Fokussierung erleichtert es den Mitarbeitern, bessere Leistungen zu erbringen", sagte Chiranjoy Das, CIO des IT-Dienstleisters Randall-Reilly, Anfang des Jahres in einem LinkedIn-Post. Dort beschrieb er, wie er rücksichtslos Projekte gestrichen habe, um den Fokus des Unternehmens zu schärfen.

Aber das ist nur eine der Maßnahmen, mit denen Das seine Technologieorganisation umstellt, um agiler und produktorientierter zu werden. Zu den wichtigsten Prioritäten des CIOs gehört, die IT von Randall-Reilly mit den Systemen der Kunden zu integrieren, damit sie für deren Business unverzichtbar wird. Zudem werden alte Systeme mit modernen Ansätzen wie Microservices umstrukturiert, KI und maschinelles Lernen implementiert, um händische Prozesse zu automatisieren sowie saubere, standardisierte Daten für Analysen bereitgestellt.

Die Herausforderungen werden durch den immensen Druck auf die IT-Abteilung in Bezug auf Geschwindigkeit und Agilität noch verstärkt: "Wir müssen tatsächlich mit weniger als perfekten Funktionen in Betrieb gehen, um agil zu sein und die Anforderungen der Kunden zu erfüllen", sagt CIO Das. Er habe etwa die Sprints von zwei Wochen auf eine verkürzt. Das zwinge das Team, ständig in Habachtstellung zu sein und übe wiederum großen Druck auf die Scrum-Teams aus, weil die Sicherheit nicht gefährdet werden dürfe.

Mit den vorhandenen Ressourcen lässt sich das alles nur begrenzt umsetzen. Deshalb begann Das damit, die Projekte seines Teams neu zu bewerten. Die überfüllten Pipelines entstanden unter andrem durch Abteilungsleiter, die auf Lieblingsprojekten ohne strategischen Nutzen für das Unternehmen als Ganzes bestanden. Hinzu kamen viele großer Projekte, die trotz zweifelhaftem ROI als dringend eingestuft wurden, sowie Hype-Themen wie Krypto-Projekte, die nicht richtig geprüft wurden.

Als die Auslieferung und einige ausgebrannte Teammitglieder unter der Last der Erwartungen litten, begann Das, einige der großen Probleme anzugehen. Darunter waren Projekte ohne Business Cases, Sponsoren oder Projektverantwortliche, aber auch die fehlende Zeit, um technische Schulden abzubauen.

Der CIO hat die Gesamtzahl der Projekte in der IT-Abteilung reduziert und sich dafür eingesetzt, auf eine "produktzentrierte" Softwareentwicklung umzustellen. Es wird also nur dann gearbeitet, wenn ein Product Owner die Prioritäten auf der Grundlage der Wünsche der Stakeholder festlegt. Zusätzlich zu den wöchentlichen Sprints hat die IT-Abteilung Continuous Integration und Delivery (CI/CD) eingeführt sowie Regressionstests automatisiert, was die Agilität und Qualität der IT-Abteilung erhöht hat.

Seit CIO Das diese Änderungen abgestoßen hat, hat sich die Stimmung in der IT verbessert. Die Mitarbeiterbindung ist gestiegen, die Meetings wurden weniger und die IT-Abteilung arbeitet an vielen strategischer Projekten, die auf die Geschäftsziele abgestimmt sind.

Die Unternehmensleitung weiß es laut Das zu schätzen, dass die IT-Abteilung einen festen Standpunkt eingenommen hat. "Aber sie beobachten uns, um zu sehen, ob wir das, was wir versprochen haben, auch einhalten können", fügt er hinzu. Eine höhere Verantwortlichkeit aber weniger Projekte helfe seinen Teams, sich besser zu konzentrieren.

Lessons Learned: Es ist wichtig, dem Unternehmen klarzumachen, warum die IT-Abteilung die Zahl ihrer Projekte reduziert, um konsistentere Ergebnisse zu erzielen, sagt Das. Die meisten Projekte seien nicht wertschöpfend und die Geschäftsleitung müsse den ROI nachweisen, bevor sie Projekte an die IT abgibt. Außerdem seien eine agile Mentalität und Kultur viel wichtiger als eine agile Entwicklungsmethodik.

IT-Leiter müssen ein Gefühl der Dringlichkeit schaffen, bevor sie sich kopfüber in Dinge wie CI/CD stürzen. Weitere Schlüsselelemente für Agilität sei ein Data Warehouse, APIs, angemessene Sicherheit und eine skalierbare Architektur. "Ohne diese Grundbausteine kann die IT nicht agil sein", sagt Das.

Integrations-Frameworks und Mikroautomatisierung

"Eigenverantwortung" lautet die Devise bei Druckerhersteller Ricoh USA. Um die Unternehmensstrategie zu unterstützen, die sich auf Kundenorientierung und Innovation konzentriert, muss die Technologiegruppe schnell Entscheidungen treffen und sich an veränderte Geschäftsbedingungen anpassen. "Es darf nicht so sein, dass jeder sein eigenes Ding in Silos macht", sagt Bob Lamendola, Senior Vice President of Technology und Leiter des Digital Services Center von Ricoh USA. Dennoch dürfe das System nicht monolithisch sein.

Dies hat zu drei strategischen Prioritäten für die IT-Abteilung von Ricoh geführt: Mikro-Automatisierung, die Einführung eines Integrations-Frameworks und die Unterstützung von Citizen Developern. Tatsächlich ist die Technologiefunktion jetzt auf Automatisierung, Integration und Analyse ausgerichtet. Die IT-Abteilung konnte laut Lamendola schnelle Erfolge bei den Effizienzzielen verbuchen, indem sie sich schrittweise Verbesserungen der Geschäftsprozesse mit Mikro-Automatisierung konzentrierte: "Wir haben weiterhin langfristige, groß angelegte Projekte mit umfassenden Veränderungen, aber indem wir uns auf kleinere Erfolge konzentrieren, machen wir uns Agilität zu eigen und zeigen der Organisation, dass wir auf ihre unmittelbaren Bedürfnisse hören und gleichzeitig auf längerfristige Ziele hinarbeiten."

Das Team von Lamendola hat erkannt, dass es notwendig ist, eine komplexe, hybride Cloud-Infrastruktur auf absehbare Zukunft zu unterstützen. Dazu entwickelte es ein flexibles Integrations-Framework, das eine einfachere Interkonnektivität ermöglicht und gleichzeitig die Sicherheitskontrollen aufrechterhält. Eine API-Schicht ermöglicht es den Drittanbietern von Ricoh, sich mit dem ERP-System des Unternehmens und anderen Partnerdiensten zu verbinden, um eine bessere Benutzererfahrung mit minimaler operativer Unterstützung zu schaffen. "Wir haben erkannt, dass wir flexibel sein müssen, um Partner oder Komponenten unseres Hybridmodells bei Bedarf ändern zu können", erklärt Lamendola. Indem die Ricoh-IT das Integrations-Framework in den Mittelpunkt der Architektur gestellt habe, werde es von Mal zu Mal einfacher, eine neue Lösung in die Organisation einzubinden.

Die IT-Abteilung hat auch in die Datenaggregation, das Engineering und die Analytik investiert, um Citizen Developern aus den Fachbereichen Tools an die Hand zu geben. Diese können mithilfe eines Gerüsts zentral entwickelter Regeln und Geschäftsprozesse Daten in entscheidungsrelevante Informationen umwandeln.

"Sie sind in der Lage, ihre eigenen Dashboards und Modelle zu erstellen, um die Ziele ihrer Teams zu erreichen", sagt Lamendola. Eine Datenanalyse-Community fördert zudem den Ideenaustausch, das Feiern von Erfolgen und die Konsistenz. "Der authentische Charakter dieser Community in Kombination mit dem strukturierten Ansatz zur Datenaggregation und -zugänglichkeit hat ein ausgewogenes Maß an Kontrolle auf funktionaler und Unternehmensebene geschaffen."

Es war ein bedeutender kultureller Wandel, der von der IT-Abteilung verlangte, sich daran zu gewöhnen, unbequem zu sein. Traditionelle Aufgaben wandeln sich, und neue Denkweisen sind erforderlich. "Wir hatten Erfolge, und wir haben dafür gesorgt, dass diese Erfolge übermäßig gefeiert wurden", so Lamendola. Langfristig werde sich sein Team auf die Produktivität konzentrieren, aber es sei wichtig, die Kultur von Anfang an richtig zu gestalten, um das Potenzial freizusetzen.

Lessons Learned: "Wir haben uns sehr auf das Fundament konzentriert und weniger auf das Endprodukt. Das Endprodukt ist wichtig, aber es bringt uns nicht voran", sagt Lamendola. "Wir befinden uns auf einer Reise und immer noch mitten in der Transformation, aber wir arbeiten daran, vergangene Investitionen zu nutzen, um die zukünftige Grundlage der Strategie schnell zu errichten." Außerdem sei es wichtig zu wissen, wann man die Kontrollen lockern sollte. Es müsse zwar Richtlinien und Kontrollen geben, aber es brauche ein gewisses Maß an Flexibilität, um Agilität zu ermöglichen.

Barrieren abbauen für Produkte und Prozesse

Der Anbieter von Content-Services Hyland überholt derzeit seine Systeme im großen Stil, um das Unternehmenswachstum anzukurbeln und die nächste Generation plattformbasierter Produkte zu entwickeln. Dies hat auch die IT-Abteilung unter hohen Druck gesetzt, einen kontinuierlichen Mehrwert zu liefern, sagt CIO Steve Watt. "Das Unternehmen kann nicht mehr darauf warten, dass alle Projekte auf einen Schlag geliefert werden", sagt er. Man erwarte kontinuierliche Wertschöpfung während des gesamten Projektlebenszyklus.

Für Watt bedeutet Verschlankung, Hindernisse für die Leistung der Mitarbeiter zu beseitigen. In diesem Zusammenhang ist die Automatisierung wichtig, weil sie den Teams ermöglicht, sich sowohl innerhalb als auch außerhalb der IT selbst zu bedienen und sich ganz auf die Ergebnisse zu konzentrieren. "Indem die richtigen Ressourcen direkt eingesetzt werden und sich auf diese Ergebnisse konzentrieren, werden die Teams zu einer straff funktionierenden Einheit mit einer klaren Vision davon, wie Erfolg aussieht", sagt er.

Aus diesem Grund strukturiert Watt die IT in produkt- oder prozessorientierte Teams um. Jede Einheit verfügt über eine eigene Berichtsstruktur, in der Mitarbeiter aus verschiedenen Disziplinen vertreten sind. Dazu zählen Lösungs- und Plattformingenieure, Product Owner, agile Prozessmanager und IT-Mitarbeiter, die sich mit Infrastruktur, Anwendungsentwicklung und Integration auskennen. Ein Team konzentriert sich beispielsweise auf den "Quote to Order"-Prozess von Hyland, wobei mit einem agilen Frameworks gearbeitet wird, um ein laufendes Backlog von Funktionen, Verbesserungen und Korrekturen zu bearbeiten.

Ein Schlüsselfaktor war die kontinuierliche Kommunikation mit dem Business über diese neue Arbeitsweise. "Wir haben uns darum bemüht, dass einige Dinge gestrichen werden, um uns auf das Wesentliche zu konzentrieren und sicherzustellen, dass wir uns mit den begrenzten Ressourcen, die uns zur Verfügung stehen, auf die richtige Arbeit konzentrieren", erklärt Watt.

Lessons Learned: Die IT kann Zeit und den Fokus verlieren, wenn Fachbereiche nicht bereit sind, sich zum richtigen Zeitpunkt und in regelmäßigen Abständen einzubringen. "Stellen Sie sicher, dass Ihre Stakeholder aus dem Business auf dem Laufenden sind, was Agilität wirklich bedeutet, wie die IT-Umsetzung in diesem Rahmen ablaufen wird und wie Stakeholder in diesen Prozess hineinpassen", sagt Watt.

Automatisierung von Arbeitsabläufen

Für das IT-Team von Inteleos, einer gemeinnützigen medizinischen Zertifizierungsorganisation, ist der Druck zur Steigerung von Geschwindigkeit und Agilität selbst auferlegt, sagt CIO Juan Sanchez. Ganz oben auf der IT-Agenda steht, eine Integrationsplattform als Service (IPaaS) zu implementieren. Zudem sollen technische Schulden durch die Modernisierung der Kernplattform abgebaut, Data-Science-Funktionen für interne und externe Kunden aufgebaut sowie Zero-Touch-Onboarding und Provisioning für Mitarbeiter eingeführt werden.

"Wir können viel bewirken, wenn wir diese Tools und Möglichkeiten nutzen", sagt Sanchez. Er fügt hinzu, dass der ultimative Weg zur Rationalisierung der IT darin besteht, Workflow-Automatisierung zu nutzen. Durch ausgereifte SaaS-Plattformen mit vollständigen APIs können sich die Entwicklungsteams bei Inteleos auf die wichtigsten Vorgänge eines Workflows konzentrieren, anstatt sich mit den zugrunde liegenden Details des Codes und der nicht enden wollenden Refactoring-Arbeit zu beschäftigen. Das gilt auch für die Infrastrukturteams, die einen direkten Nutzen für das Unternehmen bringen.

Durch die Verschlankung und Automatisierung des Workflows, um Konten und Anwendungen bereitzustellen, kann die IT-Abteilung beispielsweise neuen Mitarbeitern ein wesentlich besseres Onboarding bieten. "Wenn es richtig gemacht wird, werden die Technologie-Teams IT-Systeme eher wie ein Logistiksystem aufbauen und SaaS-Knotenpunkte miteinander verbinden, indem sie die effizientesten Routen zwischen ihnen aufbauen", sagt Sanchez.

Derzeit erfordern viele Geschäftsprozesse bei Inteleos manuelle Eingriffe. Änderungswünsche zielen oft darauf ab, den Prozess für die Mitarbeiter, aber nicht unbedingt für die Kunden zu verbessern. Sanchez hofft, dass die Owner von Geschäftsprozessen in der Lage sein werden, einen Prozess ganzheitlicher zu betrachten und sich stärker darauf zu konzentrieren, wem der Prozess auf welche Weise zugutekommt. Dazu müssen sie auch verstehen, wie sie wiederkehrende Aufgaben automatisieren können. "Wir betrachten unseren Betrieb als ein elastisches System", sagt Sanchez. "Wir versuchen herauszufinden, wo Engpässe in unserer Wertschöpfung auftreten, und überlegen, wo und wie wir verschiedene Teile des Systems skalieren sollten."

Inteleos folgt mit der IT einem Prinzip ohne Extreme: nicht zu viel und nicht zu wenig an Technologie einzusetzen. Der Aufbau neuer Technologien sollte laut Sanchez nur als letzte Option in Betracht gezogen werden. "Es scheint zwar gegen die Intuition zu sein, aber jede neue Technologielösung hat unmittelbare und langfristige Kosten", sagt er. "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht zu schnell vorpreschen und alles mit irgendeiner Technologie lösen wollen."

Bislang hätten sich die KPIs verbessert, und traditionelle IT-Service-Kennzahlen wie Zykluszeiten und SLA-Verletzungen seien zurückgegangen. Durch bessere architektonische Ansätze beim API-Design habe das Entwicklungsteam sein Leistungsziel für gleichzeitige Anfragen um 250 Prozent übertroffen.

Es ist zwar nicht leicht, das Image der IT von einer Blackbox-Transaktionsfunktion zu einem Geschäftspartner zu verändern. Doch der zunehmende Dialog zwischen der IT-Abteilung und ihren Stakeholdern zeigt bei Inteleos Wirkung. "Wir haben mehr strategischen Einfluss und helfen, die Organisation auf einer höheren Ebene zu führen als früher", sagt Sanchez. Es sei wichtig, den Dialog als Austausch zu verstehen und nicht als ein formelles Rezept - diese Fähigkeit müssten die meisten Technologieteams entwickeln.

Lessons Learned: Seien Sie bereit, im Hinblick auf Talente kreativ zu werden. "Ohne diese Zutat werden die besten Architekturen der Welt scheitern", sagt Sanchez. "Wir mussten schnell lernen, wo wir Mitarbeiter mit welchem Qualifikationsniveau finden und welche Art von Engagement am besten zu den jeweiligen Systemanforderungen passt." Sanchez ist auch der Meinung, dass Agilität vor allem eine Frage der Einstellung ist. Sie müsse zuerst in den Köpfen des Technologieteams verankert werden und dann gelte es, diese Einstellung durch die Interaktion mit dem Business hinaus zu tragen. So werde sich Agilität dann auch im Unternehmen manifestieren. "Wenn wir als Team nicht in der Lage sind, Ideen zu entwickeln, die über den Status quo hinausgehen, sind wir dazu verdammt, transaktional zu bleiben." (af/jd)

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation CIO.com.