Frederic Brunier, Technology Strategy and Advisory Managing Director bei Accenture, startet mit spannenden Zahlen in den Webcast: 90 Prozent der Unternehmen nutzen die Cloud bereits. Der Großteil dieser Nutzung liegt in "Software as a Service"-Anwendungen, gefolgt von "Infrastructure-as-a-Service" und "Platform-as-a-Service". Der Großteil der Unternehmen im deutschsprachigen Raum hat zwei Hyperscaler im Einsatz, Microsoft Azure liegt mit knapp 40 Prozent heute vorn, dicht gefolgt von AWS und Google. Und: Mehr als ein Drittel der Unternehmen planen mehr als €50 Million Investment in den Ausbau von Cloud-Lösungen über die nächsten zwei Jahre.
Dennoch stellt der Experte fest: "Zwei Drittel der Kunden realisieren das Potenzial der Cloud noch nicht!" Wie sieht das bei den Webcast-Zuschauern aus? Die Umfrage zeigt: Eine relative Mehrheit von 44 Prozent schätzt, dass das eigene Unternehmen zwischen 20 und 40 Prozent des Wertpotenzials der Cloud ausschöpft. Eine Angabe, die Brunier aus seiner Praxis bestätigt. Einem höheren Nutzen stehen drei Faktoren entgegen: Governance-Strukturen und damit fehlende Unternehmensarchitektur und Wertbetrachtung, Fachkräftemangel und rechtliche Vorgaben/Datenschutz.
Unternehmen fokussieren sich auf Cloud-Lösungen mehr denn je
Es lässt sich feststellen, dass Unternehmen ihren Fokus stark auf Cloud-Anwedungen ausrichten. Die Cloud habe in Sachen Investment-Agenda und Beschleunigung der Transformation zugelegt. In den letzten drei Monaten wurde das abgearbeitet was in den letzten drei Jahren versäumt wurde, beobachtet Brunier. Doch was hat sich in den letzten sechs Monaten grundlegend verändert? "Die Cloud ist von der CIO Agenda auf die CxO Agenda gerückt. Heute sehen auch die Entscheider anderer Fachbereiche den Mehrwert von Cloud-Lösungen in der Beschleunigung der digitalen Transformation." Damit bewegt sich das Thema weg von der IT und hin zur übergreifenden Business Transformation und Wertschöpfung.
Cloud Computing beschleunigt die Innovationskurve", stellt Brunier fest. Es geht um "ready to use"-Tools, beispielsweise für Analytics und Productivity. Und nicht zuletzt macht die Cloud ein Unternehmen resilienter und nachhaltiger. Als beispielhaft führt er einen südeuropäischen Energiekonzern an. Dieser hat über die letzten drei Jahre seine Datacenter abgeschaltet, alle Anwendungen in die Cloud migriert und sein gesamtes Geschäftmodell auf vier Plattformen aufgebaut. Dies zeigt, die vier relevanten Bereiche für eine erfolgreiche Cloud Transformation: Governance, Organisationsmodell, Cloud-Plattform/Ecosystem Partner und Anwendungen/Services.
"Der Mehrwert ist erkannt. Und gerade in der Automobilindustrie sind die Use Cases sichtbar", ergänzt sein Kollege Axel Schmidt, Global Industry Sector Lead Automotive und Senior Managing Director bei Accenture. Die Branche ist auf dem Weg: Als größte Herausforderungen gelten Connectivity, Autonomous Driving, Shared Mobility und Electrification. Insbesondere der letzte Faktor wird besonders aktuell politisch stimuliert. "Der Fahrer möchte eine eine ganzheitliche Vernetzung erleben und auch aus dem Auto heraus und in Echtzeit relevante Informationen erhalten, beispielsweise zur Parkplatzsituation am Zielort, der Ladeinfrastruktur und dem Verkehr", konkretisiert Schmidt.
Die typischen Cloud Use Cases in Automotive sind erstens die Transformation der Core IT ("das ist die Pflicht"), zweitens das Software-definierte Fahrzeug, drittens die Customer Experience und viertens Mobility Services & Connected Car. "Die spannende Frage ist jetzt: Wer wird das ganze Ecosystem integrieren, der Automobilhersteller oder der Plattformanbieter?", sagt der Experte. Seine Prognose: "Wir werden deutlich mehr Partnerschaften sehen, und zwar sowohl branchenübergreifend als auch unter Automotive-Playern."
Erfolgsmodell strategische Partnerschaften
Eine These, die Stefan Raschke, Director Automotive bei Microsoft Deutschland, bestätigt: "Die Unternehmen bereiten sich auf diese Zukunft vor, indem sie sich für die Digitalisierung öffnen." Dabei muss Automotive folgende Aspekte adressieren: erstens alles rund um das Fahrzeug, zweitens die Gestaltung der Plattform der Zukunft für die Hersteller, drittens die Anforderungen an das Arbeitsleben inklusive der Kommunikation ins Ecosystem (Stichwort Homeoffice und verteiltes Arbeiten) sowie viertens alles rund um den Kunden und fünftens den Datenpool, in dem all diese Daten irgendwann landen.
Ein erfolgreiches Modell ist aus Raschkes Sicht die strategische Partnerschaft zwischen Volkswagen und Microsoft unter dem Motto "Let drivers take their world with them". Volkswagen bewegt sich weg von der Vorstellung, alles selbst können zu müssen. Der Autobauer steuert klar in Richtung autonomes Fahren und Elektrofahrzeuge. Dabei will er die Fahrer zum Beispiel frühzeitig informieren, wenn ein Auto neue Reifen braucht. "Wir denken mehr und mehr in Mobilitätsdienstleistungen", resümiert Raschke: "Dafür benötigen wir eine Mischform. Denn der Fahrer wird im Auto eine Telefonkonferenz beginnen und in der Bahn oder einem anderen Verkehrsmittel fortsetzen. Das muss eine Cloud-Plattform ermöglichen."
Hier fragt die Computerwoche-Moderatorin Simone Ciganek nach: "Wie lässt sich so eine Partnerschaft entwickeln?" Raschke nennt vier Prinzipien, auf denen diese Allianz aufbaut: Microsoft wird kein Auto bauen. Microsoft besitzt nicht die User Experience. Microsoft besitzt auch nicht die Daten, die entstehen - diese bleiben Eigentum des Kunden. Und ganz wichtig: Datenschutz ist Menschenrecht. "Auch wir als Microsoft haben ja so eine Transformation durchlebt vom klassischen IT-Unternehmen zu einem strategisch wichtigen Partner für die Industrie", sagt er.
Zum Schluss des Webcasts meldet sich ein Zuschauer zu Wort. "Werden die Händler vor Ort überflüssig?", will er wissen. Schmidt bekräftigt: "Nahezu jedes Auto ist bereits vernetzt, dadurch ergeben sich neue Möglichkeiten über das Auto mit dem Kunden zu interargieren, neue Services anzubieten und über den reinen "Hardware-Verkauf" hinaus neue Geschäftsmodelle zu etablieren. Gleichzeitig ändern sich die Kundenbedürfnisse und das wird insbesondere deutlich vor dem Hintergrund, dass beispielsweise in Deutschland mehr als ein Drittel der Kunden bereit sind, die Marke zu Gunsten von besseren Konnekvitätsservices zu wechseln. Der Händler wird in diesem Konstrukt die Rolle eines Vermittlers übernehmen und weiterhin die persönliche Schnittstelle zwischen OEM und Kunde bleiben."