Beim Düsseldorfer Technologie-Konzern GEA herrscht Aufbruchsstimmung. Der ehemals dezentral organisierte Maschinenbau- und Engineering-Konzern soll zu einem Unternehmen mit flachen Hierarchien und schnellen Entscheidungswegen werden und die Digitalisierung vorantreiben. Der IT kommt dabei eine Schlüsselrolle zu.
Stefan Heimann hat die Transformation der Global Shared Services durch Prozessstandardisierung und IT-Harmonisierung ganz oben auf die Agenda gesetzt, ebenso wie die globale IT-Cloud-Transformation mit Private- und Public-Cloud-Komponenten. Im Gespräch mit der COMPUTERWOCHE verrät der Manager, wie seine Sourcing-Strategie aussieht und weshalb GEA künftig IT-Commodities nicht mehr selbst betreiben wird.
CW: Auf welche Themen hat sich die GEA im vergangenen Jahr konzentriert?
Stefan Heimann: GEA fokussiert sich auf Kunden in der lebensmittelverarbeitenden Industrie. 80% des Umsatzes entfallen auf den Bereich Food. GEA ist in über 60 Ländern vertreten. Nach der Etablierung einer neuen Organisation, die erstmal den gesamten Konzern in eine einheitliche, flache Linienführung stellt, erschließen wir neue Märkte, erweitern unser Lösungsangebot und stellen intern unsere Ablauforganisation neu auf. Ein wesentlicher Fokus liegt auf der Entwicklung digitaler Prozesse und Geschäftsmodelle.
CW: Digital ist ein gutes Stichwort. Was bedeutet die Digitale Transformation für Ihr Unternehmen?
Heimann: Wir verfolgen die digitale Transformation auf zwei Ebenen: Zum einen stellen wir unsere interne Prozess- und IT-Landschaft neu auf, um alle Prozesse der Leistungserstellung und der Verwaltung vollständig digital, hoch standardisiert und automatisierbar abzubilden. Zum anderen verfolgen wir verschiedene Digitalisierungs-Initiativen im Bereich unserer Endprodukte und Dienstleistungen für Kunden. Das sind klassische Internet-of-Things-Themen, wie bereits verfügbare Predictive Maintenance Services, aber auch neue Services, die wir zum Teil noch entwickeln. Am Ende werden beide Ansätze zusammenkommen, da Prozesse unserer Kunden unmittelbar an interne Leistungs- und Abrechnungsprozesse anknüpfen müssen.
CW: Und welche Herausforderungen sehen Sie dabei in Ihrer Branche?
Heimann: Gewachsene Strukturen in einem vormals sehr dezentralen Maschinenbau- und Engineering-Konzern müssen standardisiert und durchgängig in IT-Systeme gebracht werden, um zu automatisieren und um digitale Geschäftsmodelle zu unterstützen. Veränderungsprozesse und agile Herangehensweisen stellen die Organisation vor Herausforderungen.
CW: Wie begegnen Sie bei der GEA dem "War for Talents" speziell vor dem Hintergrund der Digitalen Transformation?
Heimann: Wir schaffen eine Organisation mit flachen Hierarchien und schnellen Entscheidungswegen. Zudem bringt das vielschichtige Portfolio im Konzern große Themenvielfalt und Einbringungsmöglichkeiten. Wir sind ein Technologiekonzern im Aufbruch in ein neues Zeitalter.
CW: Auf dem Sourcing Day der COMPUTERWOCHE haben Sie als Workshop-Themenpate auch über einige Ihrer Erfahrungen bei diesem Umbau berichten. Lassen Sie uns deshalb auch über Ihre Sourcing-Strategie sprechen. Wie sehen Ihre Sourcing-Aktivitäten aus?
Heimann: Im Bereich IT verfolgen wir je nach Themengebiet unterschiedliche Sourcing-Strategien. Da wir momentan die Konsolidierung der IT-Landschaft betreiben, bündeln wir Themenkomplexe auf wenige, strategische Lieferanten. Einzelne Services sind dabei aber in der Regel bei mehreren Lieferanten angesiedelt. Strategisch arbeiten wir mit einem Outsourcing-Provider für den IT Betrieb zusammen, mit dem gemeinsam wir andere Dienstleister einbinden. Offshoring spielt dabei eine wesentliche Rolle. IT-Commodities wird GEA nicht mehr selbst betreiben.
CW: Und was sourcen Sie konkret?
Heimann: GEA kauft den gesamten IT- und Services-Scope zu, so zum Beispiel IT Operations Offshore Services, Lizenzen, Netzwerkdienste, Telefonie, Infrastruktur, Platform as a Service, Software as a Service, Infrastructure as a Service.
CW: Was müssen Sourcing-Anbieter für Sie mitbringen, damit diese für Ihr Unternehmen ideale Partner für die Digitale Transformation sind?
Heimann: Plattformen und Plattform Know-how ist extrem wichtig, da wir an Strukturen anknüpfen müssen, die auch unseren Kunden zugänglich sind und bestenfalls auch von unseren Kunden bereits verwendet werden. Skalierbarkeit der Lösungen ist enorm wichtig, da die Entwicklung digitaler Konzepte in Umfang und Integrationstiefe kaum im Voraus absehbar ist.
- Die Diskutanten beim Roundtable
Beim Sourcing-Roundtable der COMPUTERWOCHE diskutierten (v.l.n.r.): Heinrich Vaske (IDG), Carl Mühlner (Damovo), Oliver Kömpf (Hays), Richard Küster (ISG), Christian Neuerburg (ADECCO), Marcus Bluhm (HPE), Dr. Jakob Rehäuser (Ardour) und Klaus Nötzold (SEPICON). - Klaus Nötzold
Klaus Nötzold, Partner bei SEPICON: "Mit der Digitalisierung verhält es sich wie mit Wasser: Es fließt. Und wir werden dieses Wasser nicht stoppen können. Wir müssen vielmehr verstehen, wo das Wasser hinfließt und dann die nötigen Maßnahmen ergreifen und es auffangen." - Carl Mühlner
Carl Mühlner, Geschäftsführer von Damovo: "Das Infragestellen der eigenen Prozesse, Produkte, ja des ganzen eigenen Geschäfts ist ein kulturelles Thema. Da geht es darum, die Veränderung zu den Menschen zu tragen. Und das funktioniert im Unternehmen dadurch, wieder positiv-emotional zu kommunizieren – und zwar jenseits von Konsolidierung und Effizienzsteigerung." - Marcus Bluhm
Marcus Bluhm, Head of Infrastructure Services (ITO) Sales bei HP Enterprise Services: "Flexibilität kostet Geld. Durch eine Verschiebung des Risikos vom Kunden auf den Anbieter verschwindet ja das Risiko nicht, deswegen muss das auch entsprechend bewertet werden. Am Ende braucht es einen gesunden Mix zwischen dem Supplier, der technologische Möglichkeiten leveragen kann, und dem Kunden, der Flexibilität will, um auf sich ändernde Marktbedingungen reagieren zu können." - Oliver Kömpf
Oliver Kömpf, Director Talent Solutions bei der Hays AG: "Zu oft sind die Kunden und ihre externen Partner noch in ihren Denkmustern gefangen. Daher ist es wichtig, diese Grenzen zu überwinden und bestimmte Dinge bewusst ganz anders zu machen oder anzugehen." - Richard Küster
Richard Küster, Director Information Services Group (ISG): "Wenn man nur von außen agile Gurus reinholt, glaube ich nicht, dass das zum Erfolg führen kann. Da muss auch von innen heraus transformiert werden – und zwar, ohne zu katholisch zu sein und zu sagen: Genau so und nicht anders steht es in der Bibel!" - Jakob Rehäuser
Dr. Jakob Rehäuser, Ardour Consulting Group: "Es wird agil entwickelt, es werden Scrum-Teams eingekauft, aber die Skills, die hinten dranhängen sind keine anderen. Das sind für mich auch Entwickler. Hier macht der Scrum-Master den Unterschied. Was hinten dranhängt ist Commodity." - Christian Neuerburg
Christian Neuerburg, Manager Operations bei der DIS AG (ADECCO): "Gamification und User Experience sind essenziell. Die Dinge müssen einfach sein und Spaß machen. Und am Ende des Tages werden wir das auch bei unseren Kunden sehen. Spätestens dann, wenn die Generation Y an dieser Position angekommen ist." - Blick auf die Runde
Eine engagierte Diskussion zum Thema IT-Sourcing-Strategie!