CIO des Jahres

CIO des Jahres 2020 – Public Sector – Platz 1

Wie der Charité-CIO den Datenschatz hebt

26.11.2020
Von 
Wolfgang Herrmann ist IT-Fachjournalist und Editorial Lead des Wettbewerbs "CIO des Jahres". Der langjährige Editorial Manager des CIO-Magazins war unter anderem Deputy Editorial Director der IDG-Publikationen COMPUTERWOCHE und CIO sowie Chefredakteur der Schwesterpublikation TecChannel.
Mit der Health Data Platform bringt Charité-CIO Martin Peuker die Digitalisierung im Gesundheitswesen voran. Für seine herausragende Leistung verleiht ihm die Jury den 1. Preis in der Kategorie Public Sector.
Charité-CIO Martin Peuker: "Wir müssen uns auf einen permanenten Wandel in der IT einstellen."
Charité-CIO Martin Peuker: "Wir müssen uns auf einen permanenten Wandel in der IT einstellen."
Foto: Thomas Rafalzyk / Charité

Zwei große Vorhaben beschäftigen Charité-CIO Martin Peuker: die Digitalisierung der Krankenhausversorgung und der Aufbau einer "Health Data Platform". Letzteres ist ein zentrales Projekt, das die Charité schon seit mehreren Jahren vorantreibt. "Es geht um einen besseren Zugang zu qualitativ hochwertigen Daten, aber auch darum, die Forschung voranzubringen und Drittmittel einzuwerben", sagt der CIO.

Dabei verfolgen die Berliner zwei Stoßrichtungen: "Zum einen wollen wir Daten, die am Krankenhausbett erhoben werden, möglichst schnell mit Daten aus der Grundlagenforschung, besonders in der Genom-Analyse, verknüpfen, um daraus einen Mehrwert für die Patienten zu gewinnen", so Peuker. Zum anderen gehe es darum, Daten aus der Behandlung über pseudonymisierte oder anonymisierte Algorithmen der Grundlagenforschung zur Verfügung zu stellen.

Die Jury sagt:

"CIO Martin Peuker zeigt, wie eine IT-Organisation im oftmals gescholtenen Gesundheitssystem durch kluge, vom Kunden gedachte Lösungen forscherische wie medizinische Innovationsspielräume erschließen kann."

Geholfen hat Peuker dabei die Medizininformatik-Initiative, die das Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 150 Millionen Euro fördert. Sie verfolgt das Ziel, Daten aus der Krankenversorgung und der Forschung mithilfe von IT-Lösungen zu vernetzen, um die medizinische Forschung und die Patientenversorgung zu verbessern. An fast allen deutschen Universitäten wurden dazu Datenintegrationszentren eingerichtet. Auch die Berliner Charité betreibt ein solches Zentrum, das Peuker als Teil der Health Data Platform sieht.

Zu den Leuchtturmprojekten der Berliner gehört auch "ERIC". Das Kürzel steht für Enhanced Recovery after Intensive Care. Mit mannshohen mobilen Robotern unterstützen Charité-Spezialisten telemedizinisch andere Krankenhäuser mit weniger intensivmedizinischen Ressourcen bei der Betreuung von Intensivpatienten. Die Roboter sind unter anderem mit Sensorik wie Highend-Kameras ausgestattet und begleiten Ärzte und Pflegekräfte vor Ort bei der Visite.

Die Charité in Berlin gehört zu Deutschlands größten Universitätskliniken. Mit mannshohen mobilen Robotern unterstützen Charité Spezialisten telemedizinisch andere Krankenhäuser mit weniger intensivmedizinischen Ressourcen bei der Betreuung von Intensivpatienten.
Die Charité in Berlin gehört zu Deutschlands größten Universitätskliniken. Mit mannshohen mobilen Robotern unterstützen Charité Spezialisten telemedizinisch andere Krankenhäuser mit weniger intensivmedizinischen Ressourcen bei der Betreuung von Intensivpatienten.
Foto: Thomas Rafalzyk / Charite

Mit mehr als 3.000 Betten ist die Charité nicht nur eine der größten europäischen Universitätskliniken, sondern auch eine bedeutende Lehr- und Forschungsstätte mit gut 8.000 Studierenden und 290 Professoren. Zu ihnen gehört auch der bundesweit bekannte Virologe Christian Drosten, der gerade erst das Bundesverdienstkreuz erhalten hat. Wie kaum ein anderes Großunternehmen war die Charité, die zu 100 Prozent dem Land Berlin gehört, von der Corona-Pandemie betroffen und musste schnell reagieren.

Ein aktuelles Anwendungsbeispiel für die Health Data Platform kommt aus dem Infektionsschutz. Die Forscher verwenden erhobene Daten auch dazu, die Ausbreitung multiresistenter Keime frühzeitig zu erkennen und schneller reagieren zu können. Das Hygiene-Institut der Charité habe dabei eine Vorreiterrolle inne, betont Peuker. Im Januar 2020 wurde die Medizininformatik-Initiative um virologische Daten bezüglich Covid-19 erweitert.

Mit der Health Data Platform gelinge es Peuker an der Charité, "den notwendigen Paradigmenwechsel von einer hypothesengetriebenen zu einer datengetriebenen medizinischen Behandlung als Fundament einer fortschreitend personalisierten Medizin aktiv zu gestalten", lobt Markus Schmitz, CIO der Bundesagentur für Arbeit und Mitglied in der Jury für den CIO des Jahres 2020.

Zu diesem Paradigmenwechsel tragen auch organisatorische Maßnahmen bei. Seit Juni dieses Jahres gibt es an der Charité einen Chief Medical Information Officer (CMIO), der die Anforderungen von Ärzten und Pflegekräften für die IT übersetzt. Anfang 2020 setzte Peuker einen Change Manager ein, der einen neuen Change-Bereich aufbaut. "Wir müssen uns auf einen permanenten Wandel in der IT einstellen", erklärt er die Hintergründe. "Schnelligkeit und die Fähigkeit, immer wieder neu zu justieren, sind dabei entscheidend."

Die Award-Jury sieht den CIO dabei auf dem richtigen Weg: "Martin Peuker zeigt, wie eine IT-Organisation im oftmals gescholtenen Gesundheitssystem durch kluge, vom Kunden gedachte Lösungen forscherische wie medizinische Innovationsspielräume erschließen kann."

Berliner Charité

  • 3.000 Betten

  • 8.000 Studierende

  • 290 Professoren

  • 18.000 IT-Anwender