Wertschöpfung durch Software

Wie Daten Mehrwert schaffen

03.07.2017
Von   IDG ExpertenNetzwerk

Konrad Krafft ist Gründer und Geschäftsführer des Beratungs- und Softwarehauses doubleSlash Net-Business GmbH. Er hat Allgemeine Informatik mit Schwerpunkt Künstliche Intelligenz studiert und beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit der Entwicklung digitaler Services, insbesondere im Bereich von Unternehmensprozessen und Softwareprodukten. Als Experte befasst er sich mit der Industrialisierung von Software-Entwicklung und neuen digitalen Geschäftsmodellen.

Kundenbedürfnisse, Produkt-Features und Geschäftsmodelle sind zunehmend softwaregetrieben. Wer zu den Gewinnern gehören will, sollte Wertschöpfung mit Software beherrschen.

Eigentlich ist Wertschöpfung durch Software ein alter Hut. In Unternehmen wird sie bereits seit rund 50 Jahren betrieben, als Computer in großem Stil Einzug in Büros und Produktionsumgebungen hielten. Seither wird Software dazu genutzt, mehr Wert zu schaffen - bei gleichem Einsatz an menschlichen und finanziellen Ressourcen. Eine weitere Möglichkeit: den Einsatz zu verringern ohne das Ergebnis zu schmälern. Im Wesentlichen geht es dabei darum, Abläufe zu automatisieren. Ein Prozess, der bis dato nicht abgeschlossen ist und von Unternehmen viel abverlangt.

Kundenbedürfnisse, Produkt-Features und Geschäftsmodelle sind zunehmend softwaregetrieben. Wir sagen Ihnen, wie sie mehr aus Ihren Daten holen.
Kundenbedürfnisse, Produkt-Features und Geschäftsmodelle sind zunehmend softwaregetrieben. Wir sagen Ihnen, wie sie mehr aus Ihren Daten holen.
Foto: elenabsl - shutterstock.com

Mit fortschreitender Digitalisierung ändert sich die Funktion von Software. Sie ist nicht länger "nur" Mittel zum Zweck der Produktivitätssteigerung - sie ändert die Produkte und Geschäftsmodelle:

  • Sie macht Produkte flexibler.

  • Sie verbindet die Produktwelt mit den Bedürfnissen der Menschen, die diese Produkte nutzen.

  • Moderne Geschäftsmodelle sind servicegetrieben.

Dass Software die Eigenschaften von Produkten beeinflusst oder gar bestimmt, ist entstanden aus dem Ansatz zur Produktivitätssteigerung. Je mehr Funktionen eines Produktes nicht mehr durch Hardware, sondern durch Software geprägt sind, desto effizienter lassen sich die Fertigungsprozesse steuern. Und: Wenn die Steuerungssoftware einem Motor mehr PS verleiht, dann ist das Wertschöpfung durch Software.

Immer mehr Produkteigenschaften wären ohne Software kaum oder gar nicht realisierbar. Schaltet sich etwa beim Einlegen des Rückwärtsgangs die Rückfahrkamera oder in der Kurve das adaptive Fahrlicht ein, dann geschieht das mittels Software.

Der nächste Schritt: Software für Menschen

Die eigentliche Revolution allerdings beginnt erst jetzt. Nach Software für Unternehmen und für Produkte folgt Software für den Menschen. Genauer gesagt: Software, die Mensch und Maschine verbindet und sich auf die Bedürfnisse des Menschen einstellt.

Bis zu diesem Punkt richtete sich der Fortschritt vor allem danach, was technisch machbar ist. In Zukunft wird es primär um den Kundenbedarf gehen - er ist der Treiber. Diese Entwicklung speist sich aus zwei Quellen, die zusammenhängen:

  • Das Verhalten der Verbraucher ändert sich vor allem durch das Smartphone und die Urbanisierung massiv, die Ansprüche steigen dramatisch. Mehr denn je bestimmt der Kunde, wie ein Unternehmen zu agieren hat. Wer präziser auf die Bedürfnisse der Menschen eingeht - und dies richtig kommuniziert - verkauft mehr.

  • Software macht das präzise Eingehen auf die Bedürfnisse des einzelnen Kunden überhaupt erst möglich. Die Änderung der Erwartungshaltung des Kunden wird vor allem getrieben durch das Smartphone und die darüber verfügbare Software. Die Erwartungen orientieren sich an den Möglichkeiten: Je mehr Möglichkeiten, desto höher die Erwartungen.

Damit verliert die Hardware an Bedeutung - sie wird so selbstverständlich wie vier Räder am Auto. Der Mensch und seine Bedürfnisse werden zum Maß aller Dinge - daran müssen sich Produktentwicklung, Marketing und Vertrieb orientieren. Jene neuen Geschäftsmodelle, von denen im Zusammenhang mit der digitalen Transformation so oft die Rede ist, entstehen auf der Basis von Systemen die Daten nutzen, um die Bedürfnisse der Menschen rund um das jeweilige Produkt zu erkennen und zu befriedigen. Die treibende Kraft ist die Software.

Bedürfnisse von Menschen rücken in den Vordergrund

Bleiben wir bei der Automobilbranche. Sie gehört zu den Vorreitern auf diesem Terrain. Wohl auch, weil Mobilität ein Grundbedürfnis des modernen Menschen ist, das sich mithilfe intelligenter, vernetzter Systeme wesentlich effizienter bedienen lässt als bisher. Um den Ansatz zu verdeutlichen: Der Mensch braucht kein Auto. Er möchte lediglich möglichst schnell, bequem und kostengünstig von A nach B kommen.

Die zentralen Mobilitätsbedürfnisse sind bekannt:

  • Fahren von A nach B

  • Tanken / Strom laden

  • Parken

  • Alternative Fortbewegungsmittel wie Bahn, U-Bahn, Taxi, Car-Sharing oder Fahrrad nutzen

Noch macht das Auto als Statussymbol den größte Teil des Umsatzes der Automobilbranche aus. Doch diese Basis erodiert. In den wirtschaftlich aufstrebenden Regionen der Erde wie in Asien ist das noch tragfähig, doch in der westlichen Welt weicht die Basis zusehends auf. Verstopfte Innenstädte befeuern diesen Trend noch weiter.

Das Smartphone ist zum Bedürfnis Nummer eins geworden. Apple, Google & Co. haben geschickt Plattformen, - ja ganze Ökosysteme - rund um das Smartphone aufgebaut. Ihr Versprechen: jeden Wunsch des modernen Menschen erfüllen zu können. Nicht mehr nur für junge Leute gilt: Apps helfen das Bedürfnis nach Mobilität zu erfüllen. Automobilhersteller haben das bereits erkannt und positionieren sich als Mobilitätsdienstleister.

Automobilhersteller werden zu Mobilitätsdienstleistern.
Automobilhersteller werden zu Mobilitätsdienstleistern.
Foto: doubleSlash Net-Business GmbH

Daimler-Chef Dieter Zetsche zum Beispiel nennt in diesem Zusammenhang das Projekt CASE. Das Kürzel steht für die strategischen Zukunftsfelder Connected Cars, Autonomes Fahren, Shared Mobility und E-Mobilität. Jeder dieser vier Trends, so Zetsche, "hat das Potenzial, unsere Branche auf den Kopf zu stellen. Aber die eigentliche Revolution liegt in der intelligenten Verknüpfung der vier Trends."

Auffällig: Alle genannten Zukunftsfelder sind softwaregetrieben, und auch ihre intelligente Verknüpfung ist eine Frage der Software.

Die Zukunftsfelder sind softwaregetrieben

Längst haben die Automobilhersteller damit begonnen, eigene digitale Ökosysteme als Alternativen zu Uber und Konsorten aufzubauen. Ihre Chance in diesem Wettlauf besteht in der engen Bindung der Kunden zum Produkt. Auf dieser Basis können sie Lösungen anbieten, die weiter gehen als das, was Dritte können. Zum Beispiel eine automatisch mitgelieferte App, die das Fahrzeug lokalisieren kann. So bietet BMW mit ParkNow seinen Kunden bereits Lösungen für bequemes Parken an und schafft damit Mehrwert auf Basis eines reinen Software-Produkts. Gleiches gilt für DriveNow, das Carsharing-Angebot der Münchner. Auch hier besteht der wesentliche Teil des Angebots aus Software.

Die Entwicklung neuer, vorwiegend auf Software basierender, Geschäftsmodelle wird in den nächsten Jahren die Agenda der Unternehmen bestimmen. Das gilt für alle Branchen. Wer nicht zum Second-Tier-Lieferanten ohne direkten Zugriff auf den Endkunden abrutschen will, muss sich mit softwaregetriebenen Geschäftsmodellen beschäftigen.

Oberste Priorität hat dabei die Analyse der Kundenbedürfnisse und das Abstimmen der Produkt-Features darauf. Schon heute bestimmt zu großen Teilen Software, wie und wie schnell sich Kundenbedürfnisse ändern und verschieben. Digitale Giganten wie Amazon, Google oder Apple definieren mehr und mehr die Erwartungshaltung des Verbrauchers.

Unternehmen müssen sich künftig mehr mit softwaregetriebenen Geschäftsmodellen befassen.
Unternehmen müssen sich künftig mehr mit softwaregetriebenen Geschäftsmodellen befassen.
Foto: doubleSlash Net-Business GmbH

Software-Entwicklung wird agil

Um mithalten zu können kann es hilfreich sein, sich von Startups inspirieren zu lassen, wenn es darum geht, wie eine Organisation flexibel, schnell und zielgerichtet arbeitet. Zugleich gilt es die Entwicklung von Software zu beschleunigen und zu industrialisieren. Das neue Software-Produktionsmodell muss schlank und agil sein. Dazu gehören zum Beispiel Continuous Delivery, automatisierte Testverfahren (Automatic Testing) und das Implementieren von Microservices, die sich schnell ändern oder ersetzen lassen. Software-Entwicklung wird zur systemisch integrierten Wertschöpfungskette, die sich so eng wie nur möglich am direkten Kundennutzen orientiert.

Das bedeutet aber auch: Es kommen neue Partner ins Spiel. Für die Automobilbranche könnten das zum Beispiel Parkhaus-Betreiber oder Energieversorger sein. Im Grunde wird künftig jeder Unternehmenslenker, Produkt- oder Geschäftsfeldentwickler seinen Markt sehr genau darauf abklopfen müssen, wo sich entlang der bestehenden Wertschöpfungskette zusätzlicher Mehrwert generieren lässt. Die Entwicklung von Geschäftsmodellen muss der Produktentwicklung vorgelagert sein.

Lange Projektzyklen sind out - stattdessen müssen Softwareentwickler mit kurzzyklischen Entwicklungsintervallen arbeiten und intelligente Prozesse aufsetzen, die sich quasi von selbst kontinuierlich verbessern. Individuelle Expertise allein wird künftig nicht reichen. Kollektive Wissensdomänen müssen dafür sorgen, dass das im Unternehmen vorhandene Wissen möglichst vielen Mitarbeitern zur Verfügung steht.

Fazit: Wertschöpfung entsteht künftig zunehmend durch Software. Zu den Gewinnern dieser Entwicklung gehört, wer die Bedürfnisse seines Marktes schneller, flexibler, effizienter und zielgenauer als der Wettbewerb erkennt und mit Software bedient. (fm)