Viele Unternehmen haben sich zum Ziel gesetzt, eine "data-driven company" zu werden. Letztendlich scheitert die Mehrheit jedoch daran, Mehrwert aus ihren Datenbeständen zu generieren: Vermeintliche POCs im Bereich Analytics skalieren nicht, Technologie-Plattformen erweisen sich als unausgereift und nicht zuletzt muss sich die Art und Weise, wie die Belegschaft auf diversen Ebenen im Unternehmen zusammenarbeitet, fundamental verändern.
Im Fall des Pharmakonzerns GlaxoSmithKline (GSK) hat sich eine Datenstrategie als geeignetes Mittel erwiesen, um die Fallstricke zu vermeiden und die Change-Herausforderung zu meistern. Die "Value Strikes"-Strategie wurde bereits 2018 auf den Weg gebracht und an kurzfristigen Prioritäten und der Schaffung von Mehrwert ausgerichtet. Die Früchte konnte GlaxoSmithKline bereits ein Jahr später ernten, als der Konzern dank einer Reihe von Use Cases im Bereich Advanced Analytics mit dem CIO 100 Award in der Kategorie IT Excellence ausgezeichnet wurde.
Laut Jen Baxter, Senior Vice President Tech Strategy bei GSK, habe das Programm gezeigt, dass der Konzern dank einer strukturierten Herangehensweise in der Lage war, die Möglichkeiten für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz aufzuzeigen und diese Lösungen auch effektiv zu skalieren: "Wir skalieren gerade einige ausgewählte Use Cases, um Data und Analytics systematisch über unsere Prozesse auszurollen und in diese einzubetten", erklärt Baxter. "Das ist leichter gesagt als getan - aber wir machen gute Fortschritte und lernen jeden Tag neu dazu."
Daten-Transformation in praxisnah
Eine der erfolgreichsten "Value Strikes" Initiativen setzte GlaxoSmithKline im Bereich Inventarisierung auf. Das Supply Chain Analytics Team von GSK rollte eine ganze Reihe neuer Analyse-Tools aus. Diese sollten Aufschluss über die Möglichkeiten geben, das Inventar zu reduzieren. Zu den Tools gehörten unter anderem eine digitale Value Stream Map, ein Safety Stock Optimizer und ein Inventory Corridor Report.
"Die Lieferketten in der Pharmaindustrie sind unglaublich komplexe Gebilde", erklärt Shankar Jegasothy, Director Supply Chain Analytics bei GSK. "Wir wollten unsere Daten dazu nutzen, unsere Ende-zu-Ende-Lieferkette transparenter zu machen und im Anschluss zur Entscheidungsfindung Predictive und Prescriptive Analytics einsetzen."
Auch im Bereich Verbindlichkeiten konnte GSK Analytics-Erfolge verbuchen: Neue Tools sorgen an dieser Stelle dafür, dass Rechnungen und Bestellungen jederzeit mit den Compliance-Richtlinien im Einklang stehen. Darüber hinaus kommen sie auch zu weiteren Zwecken, etwa anstehende Vertragsverlängerungen, zum Einsatz, um in allen lokalen Märkten und Branchen Best Practices zu gewährleisten.
GlaxoSmithKline setzte beide "Value Strike"-Initiativen innerhalb weniger Monate um und begann im Anschluss damit, sie über die Geschäftsbereiche hinweg zu skalieren. "Unser Ansatz war nicht, Algorithmen und Technologien isoliert zu entwickeln, sondern, unsere drängendsten Business-Herausforderungen mit Hilfe von Daten und Analytics zu lösen. Jede 'Value Strike'-Initiative wurde in Abstimmung mit unserem Management ausgewählt - wobei Schlüsselfragen ermittelt wurden, die potenziell mit Advanced Analytics beantwortet werden können", erklärt Baxter.
- Dr. Christoph Hönscheid, NTT Security
„Erfolgreich ist, wer eine Gesamtstrategie zum Schutz vertraulicher Daten hat. Natürlich ist die EU-Datenschutzgrundverordnung eine unvermeidbare Herausforderung, der sich Unternehmen stellen müssen. Sie kann ein wichtiger Impuls sein, um beim Datenschutz wirklich zu handeln. Klug ist es aber, über Compliance und Regulatorik hinaus zu schauen. Ein Gesamtkonzept sollte erstens gesetzliche Vorgaben, zweitens Verpflichtungen gegenüber Partnern und drittens die ureigenen Interessen des Unternehmens, sein digitales Eigentum zu schützen, im Blick haben. Nur so entsteht eine tragfähige Grundlage, um entsprechende Technologien einzusetzen. Dazu gehören DLP, eine dateibasierte Verschlüsselung wie Digital Rights Management oder auch Tokenisierung. Eine Datenklassifizierung, die über diese Schutzmechanismen letztendlich die Entscheidung trägt, muss ein tragender Pfeiler in diesem Gesamtkonzept sein.“ - Christian Nern, KPMG
„Grundsätzlich existieren technische Lösungen oder BI-Lösungen um herauszufinden, wo der größte Schutzbedarf in Unternehmen besteht. Am wichtigsten ist aber, dass die Mitarbeiter aus den Fachbereichen nicht nur geschult werden, sondern auch wissen, was genau sie mit den Daten machen dürfen. Dies erreicht man viel besser über den Austausch über richtige oder falsche Verhaltensweisen beziehungsweise durch Beispielszenarien oder fachspezifische Templates. Auf diese Weise kommt man sukzessive in eine Qualitäts- beziehungsweise Sicherheitskultur, die jedes Unternehmen für Security by Design benötigt, um KI zielgerichtet anzuwenden.“ - Marisa Parrilla, Horn & Company
„Der kulturelle Aspekt muss über die Data Governance hinaus gehen und auch ethische Aspekte berücksichtigen. Denn nicht alles, was man laut DSGVO darf, sollte ein Unternehmen auch tun. Data Protection hat viel mit Vertrauen zu tun und man muß keine Angst haben, diese Transparenz auch nach außen zu schaffen. Vielmehr müssen Unternehmen beide Aspekte in eine Datenstrategie und somit einer Gesamtstrategie integrieren, um so langfristig Wettbewerbsvorteile aus den Daten zu erzielen.“ - Dr. Jean-Michel Lourier, Lufthansa Industry Solutions
„Bei Datenschutz muss man zwei Dinge unterscheiden: Security und Privacy. Während man beim ersten gut aufgestellt ist, herrscht bei letzteren bei vielen noch sehr große Unsicherheit. Durch die Schwammigkeit der DSGVO weiß man oft nicht genau wie weit man gehen muss, um wirklich compliant zu sein – und das ist das Problem. Das führt dazu, dass man immer versucht, auf der sicheren Seite zu sein, wodurch man sich viele Chancen für Data Analytics entgehen lässt.“ - Stefan Zsegora, Telefónica Germany NEXT
„Wenn zehn Data Scientists gleichzeitig beim Datenschützer nachfragen, ob das was sie tun ok ist, dauert es vermutlich zwei Jahre, bis das geklärt ist. Von daher braucht es zum einen eine Umgebung, in der der Data Scientist eine Use-Case-unabhängige Rechtssicherheit hat. Dafür haben wir zum Beispiel eine spezielle Anonymisierungsplattform entwickelt, die genau diese Sicherheit gibt. Zum anderen braucht es Zertifizierungsstellen, die für jeden transparent bescheinigen, dass das, was mit den Daten gemacht wird, rechtlich in Ordnung ist. Denn gerade im Kundengeschäft hat man keine Chance, wenn da auch nur ein Hauch von Schabernack in der Luft liegt.“ - Dominik Koch, Teradata
„Data Analytics und Data Protection schließen sich nicht aus, sondern gehen immer Hand in Hand. Data Scientists müssen sich daher unbedingt mit den allgemeinen und branchenspezifischen Richtlinien für Datenschutz und Datensicherheit auskennen. Um zu wissen, mit welchen Daten sie arbeiten dürfen und mit welchen nicht, müssen sie entsprechend geschult sein. Dafür müssen sie eng mit IT-Security-Spezialisten zusammenarbeiten und in komplexen Fällen auf deren Knowhow zurückgreifen können.“
Datengetriebene Grundlagenarbeit
Um die zuvor in Silos vorgehaltenen Daten in Insights zu verwandeln, entwickelten die Datenwissenschaftler bei GlaxoSmithKline zwei Plattformen: Eine Data-Provisioning-Plattform integriert die Unternehmensdaten in einem System und füttert Algorithmen fortlaufend mit Echtzeitdaten, während eine Visualisierungs-Plattform in jedem einzelnen Use Case bei der Entscheidungsfindung unterstützt. Beide Plattformen wurden in enger Abstimmung mit den Business- beziehungsweise Endnutzern aufgesetzt.
"Ein signifikanter Teil der Arbeitsleistung, die für das Programm aufgewendet wurde, steckt in Grundlagenarbeit", verrät Baxter. "Geschäftsprozesse mussten entweder komplett neu aufgesetzt oder angepasst werden, um mit den neuen Workflows zu harmonieren. Die dabei verwendeten Tools waren aber nicht als Dauerlösung gedacht, sondern als sich ständig weiterentwickelnde Produkte, die sich an verändernde Geschäftsanforderungen anpassen und so auch für die Zukunft Mehrwert garantieren."
Jedes einzelne der "Value Strike"-Projekte wurde mit einem agilen, Sprint-basierten Ansatz umgesetzt, an dessen Anfang ein Minimum Viable Product (MVP) stand. Die Grundidee: den Mehrwert auf kleiner Basis nachweisen, Feedback einholen und dieses dann nutzen, um Entwicklung und Deployment maßgeblich voranzutreiben.
Als wesentlicher Erfolgsfaktor erwies sich dabei auch das hierfür eingerichtete, cross-funktionale Team, bestehend aus Business-Experten, Data Scientists und Technologie-Spezialisten, wie Jegasothy ergänzt: "Die verschiedenen Skillsets haben gewährleistet, dass wir schneller Probleme lösen und Feedback einholen konnten. Wir brauchten zum Beispiel nicht erst einen 'perfekten' Datensatz, um Mehrwert zu generieren - dank der Kombination von Advanced Analytics und Datenexpertise konnten wir sogar aus relativ dürftigen Datensätzen Insights generieren."
Das "Value Strikes"-Programm habe GlaxoSmithKline schon im ersten Jahr wesentlich dabei unterstützt, neue Geschäftsmöglichkeiten zu erkennen und zu nutzen, so Jegasothy: "Neben den daraus resultierenden, finanziellen Vorteilen werden unsere Planer und Supply Chain Manager nun durch datengetriebene Insights unterstützt."
"Data-driven": Dos und Don'ts
Jen Baxter hat fünf Tipps für IT- und Analytics-Entscheider, die ihren Unternehmen dabei helfen wollen, mehr Wert aus Daten zu generieren:
Business Value zählt: Daten und Analytics sind nicht das Ziel, sondern lediglich Enabler für Geschäftsprioritäten. Sie sollten nicht nur die einzelnen Maßnahmen, die Sie ergreifen, klar und strukturiert artikulieren können, sondern vor allem auch die Art und Weise, wie Sie Mehrwert fürs Business generieren.
Umfassendes Onboarding: Investieren Sie in die Weiterbildung Ihrer Teams und User und stellen Sie sicher, dass alle neuen Prozesse dokumentiert werden.
Tools brauchen Trust: Vollständige Transparenz in Sachen Data und Analytics ist unabdingbar, um die neuen Tools mit Trust auszustatten.
Priorisiertes Development: Eine steigende Anzahl von Feature Requests zeigt, dass die Tools im Unternehmen tatsächlich genutzt werden. Allerdings kann das die Entwickler schnell überfordern, weswegen die Requests geloggt und nach Business Value priorisiert werden sollten.
Fähigkeiten statt Tools: Es geht nicht um statische Analysen, sondern darum, sich ständig weiterzuentwickeln. Das funktioniert nur mit den richtigen Leuten, den richtigen Skillsets und dem richtigen Management. (fm)
Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation CIO.com.