Betriebskostenfalle RPA

Wie Automation wirtschaftlich bleibt

06.06.2023
Von 
Dr. Norbert Niemeier leitet seit 2021 bei der Weissenberg Group als Geschäftsführer den Bereich Weissenberg Intelligence. Seine Wurzeln liegen in der internationalen Technologie- und Managementberatung - Fokus auf prozessuale und technologische Fragestellungen rund um die Prozessautomatisierung - von globalen Unternehmen mit dem Anspruch, auch zukünftig im Wettbewerb mit dynamischen Innovationsunternehmen bestehen zu wollen.
Ohne Blick auf die Betriebskosten gerät die Wirtschaftlichkeit einer Automatisierungslösung in Gefahr. Diese Punkte sollten Unternehmen beachten.
Bei RPA-Projekten können schnell unerwartete Kosten auf Sie zukommen.
Bei RPA-Projekten können schnell unerwartete Kosten auf Sie zukommen.
Foto: Andrey_Popov - shutterstock.com

Beeindruckende Vorteile von Robotic Process Automation (RPA) haben für einen rasanten Aufstieg dieser Technologie gesorgt. Dazu zählen verbesserte Compliance, gestiegene Produktivität, höhere Qualität, niedrigere Kosten, mehr Agilität und Diversität sowie eine größere Resilienz. Die Vorteile dieser Art haben viele Unternehmen veranlasst, sich aktiv mit RPA-Themen zu beschäftigen und erste RPA-Projekte durchzuführen. Dabei wird aber nur zu leicht übersehen, dass die Betriebs- und Skalierungskosten schnell zur Kostenfalle werden können.

Bei jedem RPA-Projekt ist daher Vorsicht geboten. Neben den reinen Anschaffungskosten sollten die Projektverantwortlichen die laufenden Betriebs- und Skalierungskosten genau unter die Lupe nehmen. Dabei sind die Ausgaben und Kosten von verschiedenen Faktoren abhängig wie beispielsweise der Projektphase, dem Digitalisierungsgrad des Unternehmens oder den gewählten Einsatzszenarien. Um aber letztlich das Ziel zu erreichen, die Automatisierung im gesamten Unternehmen bereitzustellen und auszurollen, benötigen Unternehmen eine hochgradig skalierbare und kostengünstige RPA-Lösung und keine zahlreichen Silolösungen oder Inselprojekte.

RPA-Projekte: Viele Variablen zu berücksichtigen

Pauschal einen Preis für die Gesamtbetriebskosten im Sinne einer TCO-Betrachtung (Total Costs of Ownership) End to End (E2E) von RPA zu beziffern, ist ein schwieriges Unterfangen, da verschiedene Variablen zu berücksichtigen sind. Dazu zählen etwa Kosten verbunden mit:

  • der Beratungs- und Dienstleistung im Rahmen des Automatisierungsprojekts;

  • der Beschäftigung von Fachleuten zur Entwicklung, zum Einsatz und der Skalierung der automatisierten Prozesse oder Bots;

  • dem Erwerb von Lizenzen;

  • der Schulung der Mitarbeiter im Umgang mit der Automatisierungslösung;

  • der notwendigen Infrastruktur für die Bereitstellung und Skalierung der Automatisierung;

  • den Add-Ons, die eine Automatisierungs-Toolchain bilden, wie Process- und Task-Mining-Tools zum Aufdecken weiterer Automatisierungsmöglichkeiten, sowie

  • Wartung und Support.

Hier eine Übersicht, was auf Sie im Detail bei den einzelnen Punkten zukommt:

Beratung

Zu den Kosten für die Auswahl eines geeigneten RPA-Anbieters sowie die Untersuchung der regulären Prozesse im Unternehmen auf ihre Automatisierbarkeit kommen noch die Beträge, die eventuell für die Beauftragung eines externen Beratungsunternehmens aufgewendet werden müssen - beispielsweise, wenn der externe Berater das Unternehmen beim Aufbau eines Centers of Excellence (CoE) unterstützt.

Entwicklung und Bereitstellung

Die Kosten, die mit der Konzeption des Automatisierungsprojekts von der Entwicklung, Konfiguration und Einführung von Software-Bots verbunden sind, können stark variieren - je nachdem, ob interne Entwicklungsressourcen genutzt werden oder ein Drittanbieter beauftragt wird. Weiterhin bestimmt die verwendete Entwicklungsplattform die Entwicklungskosten maßgeblich mit. Hier gibt es auch Plattformen, die schwieriger zu managen sind und die Entwicklungsaufwände in die Höhe treiben.

Lizenzen

Die Bots werden über Low-Code-Entwicklungen auf Basis von Standardsoftware entwickelt, die mit entsprechenden Lizenzkosten verbunden sind. Dabei gibt es von den namenhaften Herstellern unterschiedliche leistungsfähige Lizenzbausteine, die je nach Anforderung des Kunden projektspezifisch zusammengestellt werden können. Diese hängen nicht nur von der Infrastruktur, sondern auch von dem Anwendungsfall und der jeweils eingesetzten Technologie und Lösung ab. Zudem kommen je nach Anforderungen an die RPA-Lösungen weitere Komponenten wie Hochverfügbarkeits-/Disaster-Recovery-Komponenten hinzu, um die Geschäftskontinuität zu gewährleisten.

Schulung

Wenn sich ein Unternehmen für die Automatisierung entscheidet, möchte es das RPA-Projekt mitgestalten und eine aktive Rolle im Projekt übernehmen. Dazu können Schulungen für die verschiedenen Rollen, wie beispielsweise die Rolle eines Process Owners, RPA-Architekten, RPA-Projektmanagers oder auch eines RPA-Entwicklers durchgeführt werden.

Schulungen sind aber mit Kosten verbunden. Diese hängen von dem Ausmaß und dem Qualifizierungslevel ab, der mit der Schulung verfolgt wird. Oftmals werden RPA-Manager im Coaching-Verfahren trainiert oder Mitarbeiter im RPA-Support erhalten Schulungen, um die Bearbeitung einfacher Supportanfragen zu lernen. Die Verfügbarkeit von Online-Schulungen und On-Demand-Materialien senken die Kosten. Letztlich sind für alle Tools und Instrumente Schulungen nötig, unabhängig davon, wie gut sie sind. Allerdings variieren die Trainingsaufwände stark, abhängig von der Technologie oder auch der Usability.

Infrastruktur

Die Einrichtung des Systems, einschließlich Desktops, Server und virtueller Maschinen, verursacht ebenfalls Kosten. Die Art der Bereitstellung hat dabei einen großen Einfluss auf diese Kosten. Wenn sich ein Unternehmen für die Cloud-Bereitstellung entscheidet, kann es Kapitalkosten für Hardware einsparen. Wenn das vorhandene Betriebssystem (Mac oder Linux) die Software des RPA-Anbieters nicht unterstützt, müssen eventuell auch noch Kosten für einen entsprechenden Software-Wechsel einkalkuliert werden.

Add-Ons

Softwarekomponenten, die zur Ergänzung des Automatisierungsprojekts erforderlich sind, verursachen ebenfalls Kosten. Je nach Projektanforderung können die Komponenten von einer intelligenten Texterkennung über eine Analyse-/Dashboard-Plattform (zur Verfolgung von Bots, Leistung und ROI) bis hin zu einem Tool zur Prozesserkennung reichen. Sind diese Komponenten nicht bereits in der RPA-Lösung enthalten, fallen möglicherweise weitere Kosten für die Bereitstellung und Wartung an.

Wartung und Support

Wie jedes andere IT-Projekt, benötigt eine RPA-Lösung auch Wartung und Support. Die Verfügbarkeit und die Kosten des Supports von RPA-Anbietern oder Dienstanbietern sollten sorgfältig überprüft werden, bevor die RPA-Lösung beschafft wird. Eine Browser-basierte Lösung kann die Arbeit der Support-Mitarbeiter erleichtern, da sie auch aus dem Home-Office erledigt werden kann.

Unterschiedliche Gewichtung der Kosten

Nicht alle Kostenkomponenten fallen gleichermaßen teuer aus. Eine grobe Aufteilung der Kosten für beispielsweise einen beaufsichtigten Bot lässt sich wie folgt aufstellen:

  • Entwicklung und Einsatz inklusive Testphase, Abnahme und Hypercare-Phase - 40 Prozent

  • Lizenzvergabe - 10 bis 20 Prozent

  • Schulung - zwischen 2 und 5 Prozent

  • Infrastruktur - 2 bis 4 Prozent

  • Zusatz-Tools - 2 Prozent (hier kann je nach Anforderung der Prozentsatz stark steigen!)

  • Beratung und professionelle Dienstleistungen - 20 Prozent

  • Wartung und Unterstützung - 15 Prozent

Hier muss allerdings angemerkt werden, dass die Kosten stark von dem RPA-Reifegrad abhängen, ob eine Inhouse- oder Beratungslösung realisiert wird oder auch von der Art und Weise der Integration in einem Unternehmen.

Auch der Anwendungs-Case ist relevant für die Gewichtung der Kosten. So wird bei einem Einstieg mit einem vorgelagerten Proof of Concept sowie einem ersten Leuchtturm-Projekt mehr Aufwand bei der Beratung und der Konzeption anfallen. Bei der Ausweitung der Anwendungen beziehungsweise bei einem Scale up werden die Entwicklungskosten sowie die Konzeptionskosten dagegen geringer, die Wartungskosten dafür viel höher ausfallen.

Maßnahmen zur Kostensenkung

Neben den Kosten für die Entwicklung und Bereitstellung von RPA trägt besonders der unterschätzte Aufwand für RPA-Wartung und -Support wesentlich dazu bei, dass die Gesamtbetriebskosten von RPA in die Höhe getrieben werden. Eine unüberlegte Automatisierung von Geschäftsprozessen führt dazu, dass Unternehmen schnell vor den Scherben fehlgeschlagener und reparaturbedürftiger Bots und den daraus resultierenden RPA-Ausfallzeiten stehen. Dies erhöht nachhaltig die Gesamtbetriebskosten, minimiert den ROI und verhindert eine Skalierung im Unternehmen.

Eine Vielzahl von Maßnahmen können helfen, die Kosten zu begrenzen und möglicherweise zu senken. Dazu gehört beispielsweise eine Anwendungsfall-bezogene Modularisierung der Leistungen sowie eine Begleitung der Automatisierung durch eine zielgerichtete Kommunikation an die Beteiligten und Betroffenen der Automatisierungsarbeit. Weiterhin können die Wiederverwendbarkeit von einzelnen entwickelten Bausteinen, ein verbessertes Dependency Mapping, ein proaktives Änderungsmanagement und oder auch ein nahtloses Zusammenspiel aller Beteiligten dazu beitragen, die hohen Kosten der RPA-Entwicklung und -Bereitstellung erheblich zu senken.

Im Bereich der Kosten für Support und Entwicklung ist es wichtig, dass die Entwicklung im Rahmen des DevOps-Ansatzes so konzipiert wird, dass die Support-Kosten minimiert werden. Dies bedeutet eine Aufsplittung der Bots in einzelne für sich abgekapselte Microbots, Einsatz von Frameworks, die Fehler minimieren, oder auch die Ausplanung von Exception Rules, damit nicht der Bot bei Abweichungen von Standardfällen stehen bleibt und Fehlermeldungen ausgibt.

Weitere entscheidende Punkte für die Minimierung der Kosten sind:

  • eine klare strategische Zielrichtung mit operationalisierten Zwischenzielen sowie

  • eine gute Steuerung, Planung und ein adäquates Projektmanagement.

Das Operating Modell sollte klar definiert und die Zuständigkeiten in den RPA-Projekten sollten ebenso wie die Compliance-Fragestellungen geklärt sein. Darüber hinaus sind von vornherein die Aufgaben und Verantwortlichkeiten zu definieren und in einem Reporting die entsprechenden Zwischenziele zu dokumentieren.

Im Zuge der Einhaltung der Compliance sollten für die automatisierten Prozesse und granularen Prozessschritte die gesetzlichen und rechtlichen Bestimmungen und Vorgaben sowie die vorhandenen Geschäftsregeln und anwendbaren Vorschriften definiert und präzisiert werden. Änderungen oder Anpassungen müssen möglicherweise genehmigt und dokumentiert werden.

Darüber hinaus ist ein gut strukturiertes Änderungsmanagement (Change Request) aufzusetzen, um Änderungen zu dokumentieren und diese auch revisions- und prüfungssicher abzulegen sowie eingeleitete Änderungsmaßnahmen strukturiert anzugehen. Die Identifizierung und die Visualisierung der Auswirkungen von Änderungen begrenzen die vermeidbaren Fehler und RPA-Ausfallzeiten, die aufgrund undokumentierter Änderungen entstehen.

Betriebskosten vs. eingesparte Prozesskosten

Damit RPA wirtschaftlich ist, muss es nicht nur anforderungsgerecht auf die betriebsspezifischen Bedingungen eines jeden Unternehmens zugeschnitten werden. Die sorgfältige, individuelle Betrachtung der gesamten Betriebskosten ist für die Wirtschaftlichkeit einer Automatisierungslösung mit RPA von elementarer Bedeutung. Denn nur allzu leicht fressen die Betriebskosten die eingesparten Prozesskosten auf und konterkarieren damit jeglichen wirtschaftlichen Erfolg eines Automatisierungsprojekts. (mb)