Wer eine IT-Stelle besetzen muss, ist schon seit Langem in einer schwierigen Lage. Personalengpässe bremsen hier wie in anderen Branchen das Wachstum, verzögern die Umsetzung von Projekten und verlangsamen die Digitalisierung. Im aktuellen Fachkräftereport 2021 zeigt der Deutsche Industrie- und Handelskammertag, dass Unternehmen als direkte Folge mit Mehrbelastung der Belegschaft, steigenden Arbeitskosten und der Einschränkung des Angebots beziehungsweise der Ablehnung von Aufträgen kämpfen.
Unbesetzte Stellen in der IT schränken die digitale Innovationsfähigkeit der Unternehmen ein und bedrohen damit die Zukunftsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Einen Ausweg aus diesen Problemen könnten Berufsrückkehrer und -rückkehrerinnen in der IT Branche aufzeigen. Konkrete Ansätze dazu zeigt die aktuelle Studie der IU Internationalen Hochschule "Zurück in den Beruf – gleichberechtigt, gebildet, gefragt?" auf. IT- und Personalexperten der IU haben untersucht, welche Arbeitsbedingungen sich Fachkräfte wünschen, die nach einer Pause zurück in den Job wollen.
Gleichberechtigung in Job und Familie? Fehlanzeige
Um dies zu klären, geht die IU-Studie zunächst auf die Ursachen einer beruflichen Pause ein. Bei 80 Prozent der Befragungsteilnehmer ist die familiäre Situation der Auslöser dafür. 40 Prozent derjenigen, die gekündigt haben, entschieden sich für die Aufgabe des Jobs, weil Arbeit und Familie – etwa durch Schichtarbeit und Reisetätigkeiten – nicht vereinbar waren, 27 Prozent wollten ihre Zeit voll der Familie widmen und 22 Prozent fehlte die Option, ihre Arbeitszeiten zu reduzieren. Der wichtigste Grund: Kinderpflege (51 Prozent). Dies weist darauf hin, dass flexible Arbeitszeiten und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie noch immer eine Herausforderung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind.
Wer zurückkehrt, ist wechselwillig
Die gute Nachricht: Wenn sich Arbeitgeber für Berufsrückkehrer interessieren, dann treffen sie auf eine engagierte Klientel. So suchen 46 Prozent eine ganz neue Tätigkeit und 30 Prozent zwar dieselbe Tätigkeit, jedoch mit erweiterten Aufgaben oder mehr Verantwortung. Unternehmen, die sich für diese Arbeitskräfte interessieren, sollten aber zunächst klären, ob diese berufliche Zielgruppe wechselwillig ist oder dazu tendiert, wieder bei dem bisherigen Arbeitgeber einzusteigen.
Hier schafft die IU-Studie Klarheit: Auch wenn ehemalige Arbeitgeber bei den Befragten in der Regel einen guten Ruf genießen, dominiert bei den Befragungsteilnehmern zu 79 Prozent der Wunsch, den Wiedereinstieg mit einem neuen Unternehmen zu verbinden. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bleibt für viele auch bei der Wiederaufnahme des Jobs ein wichtiges Motiv und führt zur Neuorientierung der Berufsrückkehrer. Darauf müssen sich Arbeitgeber einstellen.
90 Prozent sind offen für Weiterbildungen
Damit ein Wiedereinstieg erfolgreich ist, sind Berufsrückkehrer in hohem Maße bereit, ihr berufliches Fachwissen zu aktualisieren oder um neue Skills zu erweitern. Neun von zehn Personen haben Interesse an einer beruflichen Weiterbildung. Wer also als zukünftiger Arbeitgeber adäquate Möglichkeiten schafft, kann hier punkten. Allerdings bleibt die Frage, welche Fortbildungsmodelle besonders attraktiv sind.
Mit flexiblem Unterricht online, in Präsenz oder kombiniert, mit festen Zeiten oder flexibel abrufbaren Lerneinheiten besteht eine große Angebotsvielfalt. Die IU-Studie zeigt auf, dass aufgrund individueller Bedürfnisse und Lebenssituationen alle Formate nachgefragt und angeboten werden sollten. Die Konsequenz für diejenigen, die Arbeitskräfte suchen, kann deshalb nur lauten, Weiterbildungsformate nach den individuellen Bedürfnissen der Wiedereinsteiger auszurichten und flexibel anzubieten.
Die Flexibilität des Angebots entscheidet. Ob bei den örtlichen Wahrnehmungsmöglichkeiten (51 Prozent), beim flexiblen Startpunkt am Morgen (42 Prozent), bei der flexiblen Möglichkeit, tageweise auszusetzen (40 Prozent) oder beim flexiblen Startdatum der Weiterbildung (34 Prozent) – Unternehmen, die in der Lage sind, sich auf die individuellen Bedürfnisse der weiterbildungswilligen Mitarbeitenden einzustellen, haben hier einen klaren Rekrutierungsvorteil.
Rollenklischee: Eher Gesundheit als IT?
Doch lassen sich Quereinsteiger tatsächlich für IT begeistern? Die IU-Studie geht auch diesem Thema nach und fragt nach der Wunschliste der Berufsfelder. Flexibilität, gute Bezahlung und Schulungsmöglichkeiten wünschen sich viele, die in den Beruf zurückkehren – Faktoren, die für den IT-Bereich deutlich stärker gelten als etwa für Tätigkeiten in anderen Branchen. Dennoch konkurriert die IT bei den vor allem weiblichen Berufsrückkehrerinnen mit Branchen wie der Gesundheitsindustrie.
Die Kanzlerin der IU Internationalen Hochschule, Professorin Alexandra Wuttig, sieht darin die Bestätigung fortwährender Rollenklischees: "Laut Studien der OECD ist es noch immer so, dass sich Mädchen eher in sozialen Berufen sehen, während Jungen Führungspositionen anstreben." Dabei seien Gesundheitsberufe in der Regel schlechter bezahlt, sehr anstrengend und weniger flexibel, was Frauen beim Wiedereinstieg aber wichtig ist.
Die IU-Studienergebnisse weisen auf eine weitere Herausforderung hin. Wenn IT-Unternehmen ein Interesse daran haben, weibliche Berufseinsteiger für sich zu gewinnen, sind nicht nur flexible Arbeits- und Weiterbildungsmodelle von Bedeutung. Es geht auch darum zu zeigen, dass die IT vielfältige Berufsfelder besitzt, die den Erwartungen von weiblichen Wiedereinsteigern sehr nah kommen.
Im Moment kann sich jede/r fünfte der Berufsrückkehrer eine Weiterbildung in der IT vorstellen. Diese Zahl kann durch eine gezielte Branchen- und Berufskampagne deutlich erhöht werden. Personalengpässe in der IT – das legt die IU-Studie nahe – lassen sich mit den passenden Konzepten für Berufsrückkehrer also durchaus abmildern.