Zielerreichung

Werden Sie zum Shaolin!

21.10.2023
Von 
René Esteban ist Transformationsexperte und Founder & CEO der FocusFirst GmbH. Er unterstützt mit seinem Team Top-Führungskräfte durch strategische Beratung dabei, die Transformation in ihren Unternehmen zu beschleunigen. Unter anderem hat er das Buch "Do Epic Stuff! – Führung nach dem Ende des Change-Management" im Campus Verlag veröffentlicht.
Auf den ersten Blick hat die Einführung business-kritischer IT-Systeme wenig mit der Kunst der Shaolin-Mönche gemein. Und doch können Sie viel von ihnen lernen.
Als Erfinder des Kungfu kennen sich die Shaolin seit Jahrhunderten mit der Kunst der Fokussierung aus. Auch Transformationsprojekte profitieren von einem klaren Fokus.
Als Erfinder des Kungfu kennen sich die Shaolin seit Jahrhunderten mit der Kunst der Fokussierung aus. Auch Transformationsprojekte profitieren von einem klaren Fokus.
Foto: Andreas H - shutterstock.com

Sobald das Management die Entscheidung einmal getroffen hat, soll es besonders in Digitalisierungsprojekten oft schnell gehen. Das verleitet dazu, an allen Ecken und Enden mit kleineren Initiativen zu starten. Entgegen der geläufigen Annahme führt Multitasking jedoch zu Einbußen in Effizienz und Produktivität.

Zielerreichung: Bremsklotz Multitasking

Gleichzeitig telefonieren und eine E-Mail tippen: Multitasking soll die Effizienz und Produktivität steigern. Das wird gerne behauptet, ist aber falsch. Das gleichzeitige Arbeiten an mehreren Aufgaben führt zu einem erheblichen Konzentrations- und Leistungsverlust. Psychologen und Neurowissenschaftler wissen es längst: Multitasking ist nur eine Illusion.

Neurowissenschaftler, die der Multitasking-Illusion seit Jahren auf den Grund gehen, nehmen an, dass sich das Gehirn nur auf eine, maximal zwei komplexe Tätigkeiten gleichzeitig konzentrieren kann. Denn alles, was wir nicht automatisch tun können, wie beispielsweise Atmen, braucht unsere Aufmerksamkeit. Die zwei bis drei Millionen Nervenfasern in unserem Körper leiten pro Sekunde bis zu 300 Impulse an das Gehirn. Sie liefern Informationen und wir müssen diese nach Wichtigkeit priorisieren und beurteilen, was wir tun und welche Handlungen wir ausführen.

Umso wichtiger ist es, sich zu fokussieren. Die Shaolin-Mönche sind weltberühmt für die Erfindung des Kungfu. Die asiatische Kampfkunst ist seit langem eine Methode, vollkommen präsent zu sein und sich ganz auf den Augenblick zu fokussieren. Dieser Fokus ist viel wichtiger für den Erfolg als einzelne Kampftechniken. Das Ziel lautet: Steuerung des Geistes und die Beherrschung des Körpers durch den Geist.

Shaolin-Meister im Gespräch: Wertvolle Weisheiten

Im Kampf siegen die Shaolin-Mönche nämlich nicht durch ihre Körperkraft, sondern durch ihr Denken, ihr Bewusstsein, ihre mentale Stärke. Tief beeindruckt hat mich dabei der Besuch bei Shaolin-Meister Yuan Lu, der seit zwölf Jahren in Deutschland lebt. In Baden-Württemberg betreibt er ein Shaolin-Zentrum.

"Achtsamkeit im Jetzt bestimmt die Zukunft", erklärt Yuan Lu. "Bei allem im Jetzt gilt es achtsam zu sein: wie wir denken, was wir tun, wie wir mit den Menschen und den Dingen umgehen. Der jetzige Moment ist entscheidend für die Zukunft." Warum ist es aber so wichtig, sich zu fokussieren? "Es gibt Energie, es gibt Denken und es gibt den Körper. Ich kann 100 Prozent Energie immer nur in einen einzigen Gedanken investieren. Dieser Gedanke mit dieser Energie geht dann in den Körper und in die äußere Welt. Mit diesem einem Gedanken voller Energie können wir unsere Ziele erreichen. Sonst haben wir immer nur 80 Prozent oder 70 Prozent oder noch weniger. Wir vergeuden Energie."

Wie schaffen es Shaolin, ihre Ziele zu erreichen? "Nur wenn wir stark konzentriert sind, können wir Erfolg haben. Er ist das Ergebnis von hoher Konzentration, von mentalem Training. Natürlich kommen wir auch ins Handeln, wir dürfen nicht nur reden, sondern müssen viel mehr machen. Nur durch Machen bauen wir die Zukunft auf und verbessern Dinge für die Zukunft. Aber am Anfang der Kette stehen Konzentration und Fokus", sagt der Shaolin-Meister.

Kurzgefasst, heißt das: Nur wenn wir stark genug auf eine Sache konzentriert sind, können wir auch Erfolg haben. Nur wie lässt sich das nun auf den Business-Alltag übertragen? Dieser verlangt den meisten Arbeitnehmern ab, Hunderte von Sachen gleichzeitig zu machen, weil sie glauben, alles sei gleich wichtig.

Das kann nicht gut gehen. Denn jede Sache, jedes Projekt, von der wir wollen, dass sie gut wird, braucht die nötige Energie und geistige Konzentration. So weiß jeder, dass man, wenn man Liegestützen machen will, nur Liegestützen machen kann und nicht nebenbei noch hüpfen. Unseren Gedanken muten wir die Gleichzeitigkeit aber zu. Am Ende ist nicht nur die Qualität unserer Arbeit bedroht, sondern auch wir als Menschen sind es. Wir überfordern uns stetig und ständig selbst.

Shaolin-Lehren: Zielerreichung in der Praxis

Der Shaolin-Meister Yuan Lu rät deshalb, in jeder Minute des Alltags Achtsamkeit und Konzentration zu üben. Konkret heißt das: Dinge, die unsere Konzentration stören, wie beispielsweise das klingelnde Smartphone oder die blinkenden E-Mails, sollten auf ein Minimum reduziert werden. Warum die Mails also nicht manuell und zu festen Zeiten abrufen? Notifications auf dem Smartphone abschalten. Das geht – und ist gar nicht so schwer, wie wir immer denken. Erst wenn wir einmal angefangen haben, konsequent auszusortieren und uns besser zu fokussieren, werden wir merken, dass das ganz leicht sein kann und uns eine Konzentration auf die wirklich wichtigen Dinge ermöglicht.

Die gleichen Prinzipien, die für einzelne Aufgaben gelten, lassen sich auch auf ganze Projekte, Abteilungen oder Unternehmen übertragen. Oft sehe ich bei Unternehmen, deren Ziel die Beschleunigung ihrer Transformation ist, dass Projekte nicht aufgrund von unklaren Zielen oder mangelnden Ressourcen scheitern. Häufig liegt es daran, dass an zu vielen Stellen gleichzeitig gearbeitet wird: Multitasking statt Fokus. Sobald Führungskräfte das erkennen, können sie die Kräfte bündeln und sich voll auf das eine wichtige Ziel fokussieren.

Machen Sie den Selbsttest: Welche Aktivitäten, denen Sie momentan nachgehen, zahlen wirklich auf Ihr Ziel ein? Was würde passieren, wenn Sie zu 50 Prozent pausieren und die restlichen Ressourcen auf das wichtigste Thema setzen?