US-Justiz ermittelt

Werbegeschäft bringt Google in Nöte

26.01.2023
Von Redaktion Computerwoche
In den USA haben das Justizministerium und acht Bundesstaaten eine Klage gegen Google eingereicht. Der Vorwurf lautet, der Konzern habe seine führende Rolle im digitalen Werbegeschäft missbraucht.
Google muss sich wegen seiner einzigartigen Stellung im Geschäft mit Online-Werbung schwere Vorwürfe gefallen lassen.
Google muss sich wegen seiner einzigartigen Stellung im Geschäft mit Online-Werbung schwere Vorwürfe gefallen lassen.
Foto: monticello - shutterstock.com

In der Kartellbeschwerde heißt es: "Google hat wettbewerbswidrige, ausschließende und ungesetzliche Mittel eingesetzt, um jegliche Bedrohungen für seine Vorherrschaft über digitale Werbetechnologien zu beseitigen oder stark einzuschränken." Google versuche, seine Marktdominanz abzusichern und Rivalen aus dem Geschäft zu drängen, indem Wettbewerber übernommen und Werbetreibende gezwungen würden, die Produkte des Internet-Giganten zu nutzen. Der Einsatz konkurrierender Produkte werde gezielt erschwert.

Mit der Klage unterstreicht die US-Regierung ihre neue, allerdings bislang nur zögerlich verfolgte Linie, die großen Technologieunternehmen stärker an die Leine zu nehmen. Die Kartellklage wurde bei einem Bundesgericht in Alexandria, Virginia, eingereicht. Generalstaatsanwalt Merrick Garland sagte auf einer Pressekonferenz, Google lege seit 15 Jahren ein wettbewerbswidriges Verhalten an den Tag, das den Aufstieg konkurrierender Technologien verhindere. Das Unternehmen manipuliere die Mechanismen der im Auktionsverfahren vergebenen Online-Werbeplätze, um Werbetreibende und Verlage zur Nutzung seiner Tools zu zwingen. Laut Garland hat Google den Wettbewerb in der Ad-Tech-Branche "stark geschwächt", wenn nicht gar zerstört.

Kontrolliert Google den Online-Werbemarkt?

Das Unternehmen kontrolliere die Technologie, die von fast allen großen Website-Publishern verwendet wird, um Werbeplätze anzubieten. Ebenso besitze Google das marktbeherrschende Tool, das von Werbetreibenden für den Kauf solcher Werbeflächen verwendet werde. Und last, but not least kontrolliere Google auch die Ad Exchange, die Publisher und Werbetreibende zusammenführe, wenn diese Werbefläche verkauft wird, so der Generalstaatsanwalt.

Das alles führe dazu, dass die Betreiber von Webseiten heftige Einbußen erlitten und auch die Werbetreibenden mehr bezahlen müssten. In der Konsequenz könnten Publisher ihre Inhalte oft nur noch im Abo oder hinter einer Paywall anbieten, um genügend Geld einzunehmen. Konkret forderte das US-Justizministerium das Gericht auf, Google zu zwingen, seine "Ad Manager-Suite" einschließlich der Anzeigenbörse Ad Exchange zu veräußern.

Nach Ansicht der Kläger begann das Ungleichgewicht im Werbemarkt mit Googles Übernahme von DoubleClick im Jahr 2008. Das Unternehmen betrieb den damals markbeherrschenden Handelsplatz für Werbeplätze im Internet. Doubleclick war in der Lage, im Rahmen eines sekundengenauen Bieterverfahrens die Anzeigenschaltung auf vielen Webseiten zu steuern.

Google lebt von Online-Werbung

Heute ist Googles Ad Exchange der Realtime-Marktplatz auf dem Display-Anzeigen gehandelt werden. Das Geschäft mit digitaler Werbung macht rund 80 Prozent der Einnahmen von Google aus. Es ist der Motor, der die vielen mehr oder weniger erfolgreichen Geschäftsfelder des Mutterkonzern Alphabet am Laufen hält.

Tatsächlich musste aber Google in den vergangenen Jahren einen Rückgang seines Marktanteils hinnehmen, da kleinere Konkurrenten Anteile am Online-Werbemarkt eroberten. Zudem kühlt sich gegenwärtig der Markt für Online-Werbung ab, da die Werbetreibenden ihre Ausgaben aus wirtschaftlichen Gründen einschränken. Darauf wies auch die Google-Mutter Alphabet in einem Blog-Post eindrücklich hin.

Der Internet-Gigant wehrt sich: Die Klage wiederhole das nicht stichhaltige Argument, dass Googles Dominanz Innovationen im Markt ausbremse, zu höheren Werbegebühren führe und es Tausenden von kleinen Unternehmen und Verlagen erschwere zu wachsen. Im vergangenen Jahr habe zum Beispiel Microsoft Xandr übernommen, eine Werbeplattform, die einen vollständigen Technologie-Stack für Online-Werbung biete und gleichermaßen Werbetreibende und Publisher bediene. Microsoft habe damit einen großen Deal bei Netflix sichern können und liefere nun die technische Basis für das neue Werbegeschäft der Streaming-Plattform. Dagegen sei das US-Justizministerium nicht vorgegangen.

Amazon wächst im Werbegeschäft schneller

Ebenso erwähnt Google das Werbegeschäft von Amazon, das derzeit schneller wachse als das von Google und Meta. Auch Apple habe ein rasant wachsendes Werbegeschäft, das in vier Jahren ein Volumen von 30 Milliarden Dollar erreichen soll. Es gebe Gerüchte, wonach Apple seine eigene Demand-side-Plattform baue und damit den Footprint im Werbegeschäft deutlich ausbauen werde. Ebenfalls als starke Konkurrenten erwähnt werden TikTok, Comcast, Disney und die Handelsketten Walmart und Target, die ebenfalls an ihrer eigenen Werbetechnologie arbeiten sollen.

Es ist nicht das erste Mal, dass Google den Gegenwind von der US-Justiz zu spüren bekommt. Im Jahr 2020 begannen die Behörden wegen des Monopols bei der Internet-Suche zu ermitteln. Im September 2023 soll die Gerichtsverhandlung hierzu starten. Das Ganze hat hohe politische Relevanz: Die US-Regierung versucht derzeit, die Dominanz der großen Technologiekonzerne einzudämmen. Bis belastbare Urteile vorliegen und entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden, dürften allerdings noch viele Jahre vergehen.

Auch die EU ermittelt gegen Google

Auch die Europäische Union (EU) ist aktiv geworden, sie hatte bereits 2021 eine kartellrechtliche Untersuchung gegen Google eingeleitet, um die Dominanz des Konzerns im Bereich der digitalen Werbung unter die Lupe zu nehmen. Britische und europäische Regulierungsbehörden schauen sich außerdem an, ob eine Vereinbarung zwischen Google und der Facebook-Mutter Meta im Zusammenhang mit Online-Display-Werbediensten gegen die Regeln des fairen Wettbewerbs verstößt.

Google-CEO Sundar Pichai steht unter Druck der US-Behörden.
Google-CEO Sundar Pichai steht unter Druck der US-Behörden.
Foto: Google

Der Guardian zitiert Dina Srinivasan, Fellow an der Yale University und Expertin für Werbetechnologien, mit den Worten: "Der derzeitige Online-Werbemarkt ist kaputt und völlig ineffizient". Die Tatsache, dass Vermittler 30 bis 50 Prozent der Einnahmen aus jedem Anzeigengeschäft erhielten, bedeute "eine wahnsinnige Ineffizienz, die in die US-Wirtschaft eingebaut" sei. Srinivasan spricht von einer "massiven Steuer auf das freie Internet". Sie wirke sich negativ auf die Lebensfähigkeit einer freien Presse aus.

Nach Angaben des Marktforschungsunternehmens Insider Intelligence hatte Google im vergangenen Jahr etwa 28 Prozent des digitalen Werbemarktes unter Kontrolle. Er umfasst alle Anzeigen, die Menschen auf Computern, Phones, Tablets und anderen mit dem Internet verbundenen Geräten sehen. Meta liegt mit einem Marktanteil von gut 24 Prozent an zweiter Stelle, Amazon ist mit knapp sieben Prozent die Nummer drei, wächst aber derzeit am schnellsten. Die Analysten schätzen, dass die Marktanteile von Google und Meta eher zurückgehen werden, während Konkurrenten wie Amazon und TikTok zulegen dürften. (hv)