Vier von fünf Bewerbern erzählen im Bekanntenkreis von ihren Recruiting-Erlebnissen, und jeder Vierte teilt die Erfahrung auf Facebook, Twitter und Co. mit. Auch Arbeitgeberbewertungsplattformen wie kununu sind eine beliebte Möglichkeit, dem Frust - oder der Begeisterung - Raum zu geben. "Eine überdurchschnittlich positive Candidate Experience steigert die Imagewahrnehmung, wohingegen eine negative Candidate Experience das Arbeitgeberimage massiv schädigen kann."Diesen Schluss ziehen die Unternehmensberatung meta HR und das Jobportal Stellenanzeigen.de in der "Candidate Experience Studie 2014", an der 1379 Personen teilnahmen. Wissenschaftlich begleitet wurde sie von der HTWK Leipzig.
So verliert man Talente
Gute Bewerber würden sich wegen negativer Candidate Experience erst gar nicht für das Unternehmen interessieren. "Andere Kandidaten nehmen von sich aus Abstand von ihrer Bewerbung und ziehen diese zurück. Alles in allem kostet dies die Unternehmen Geld, und die Talente wenden sich Wettbewerbern zu", heißt es in der Studie. Nur 13 Prozent derjenigen, die den Bewerbungsprozess als negativ bewerten, würden sich bei dem betreffenden Unternehmen noch einmal bewerben. Egal, wie gut das Employer-Branding-Konzept ist: Je negativer die Erfahrungen im Bewerbungsprozess, desto weniger Bewerber hat ein Unternehmen auf freie Stellen.
Eine Recruiting-Abteilung hat viele Möglichkeiten, den Kandidaten ein gutes oder aber auch schlechtes Bild der Firma zu vermitteln Als negativ werden etwa Online-Bewerbungsformulare wahrgenommen: Jeder zehnte Bewerber lehnt sie ab und verzichtet im Zweifel auf eine Bewerbung, so die Studie.
- Die zehn besten Recruiter Deutschlands
Erfolgreiches Rekrutieren ist gar nicht so einfach. Mehr als 500 deutsche Unternehmen wurden für die Studie "Best Recruiters" untersucht. Abgeklopft wurden die Aspekte Bewerberfreundlichkeit und -Feedback, und die Karrierewebseiten und Stellenanzeigen wurden hinsichtlich verschiedener Kategorien bewertet. Im Branchenranking IT/ Software/ Telekommunikation schnitten die folgenden zehn Firmen am besten ab. - Platz 10: 1&1 AG
Das Telekommunikationsunternehmen landet auf Platz 10. Von den untersuchten 500 Unternehmen ist die 1&1 AG auf Platz 199 insgesamt. - Platz 9: Vodafone GmbH
Die wesentlich größere Vodafone GmbH hat in Sachen Rekrutierung wohl noch Nachholbedarf. Mit einer Gesamtplatzierung von 188 macht das Unternehmen im Branchenranking nur Platz 9. - Platz 8: Telefónica Germany GmbH & Co. OHG
Konkurrent Telefónica schneidet nur unwesentlich besser ab: Platz 8 im Branchenranking und Platz 179 für das Telekommunikationsunternehmen. - Platz 7: Wincor Nixdorf International GmbH
Der Anbieter von IT-Lösungen landet auf Platz 7 im Branchenranking - und auf Platz 156 im Gesamtranking. - Platz 6: IBM Deutschland GmbH
Ein wenig weiter vorn liegt die deutsche Vertretung des IT-Riesen IBM mit Platz 142 im Gesamtranking. Das bedeutet Platz 6 im Branchenranking. Doch zu Platz 5 ist es ein weiter Weg. - Platz 5: Fujitsu Technology Solutions GmbH
Denn Fujitsu, auf Platz 5 im Branchenranking, hat es knapp unter die Top 100 geschafft. Auf Platz 100 liegt der Technologiekonzern. Ein großer Schritt ist es ebenfalls zu Platz 4... - Platz 4: Deutsche Telekom AG
... wo die Telekom sich niedergelassen hat. Das Telekommunikationsunternehmen ist auf Platz 78 der besten Recruiter Deutschlands. - Platz 3: Software AG
... die Software AG, die es unter die Top 50 besten Recruiter Deutschlands geschafft hat. Platz 48 für den Softwarehersteller. - Platz 2: E-Plus Mobilfunk GmbH & Co. KG
Die anderen Telekommunikationsunternehmen hat E-Plus weit hinter sich gelassen: Platz 20 für die Düsseldorfer. - Platz 1: Bechtle AG
Der IT-Konzern aus Neckarsulm ist der beste Recruiter in seiner Branche. Auch insgesamt kann sich der IT-Dienstleister mit seinen Recruitingbemühungen sehen lassen: Platz 12 in der Gesamtwertung.
Für einen positiven Eindruck sorgt dagegen Geschwindigkeit: Je rascher eine Stelle besetzt wird, desto positiver kommt das beim Bewerber an. Je länger sich der Bewerbungsprozess hinzieht, desto höher ist die Gefahr, dass beim Bewerber ein negativer Eindruck entsteht und bleibt. So schreibt einer der Umfrageteilnehmer: "Einfach zu lange keine Antwort vom Arbeitgeber. Deswegen habe ich meine Bewerbung zurückgezogen." Das ist kein Einzelfall: Laut Studie sind 21 Prozent der Befragten schon einmal von einer Bewerbung zurückgetreten, weil es ihnen schlicht zu lange gedauert hat, bis man sich um sie gekümmert hat. Auch wenn Entscheidungen über Stellenbesetzungen nicht immer rasch getroffen werden können, sollte man die Bewerber per Mail über den Zwischenstand informieren.
Die Kunst des Absagens
Klar ist, dass eine Absage nicht positiv aufgenommen wird und sie automatisch die Meinung des Bewerbers beeinträchtig. Aber die Art, wie eine Absage mitgeteilt wird, ist für das Arbeitgeber-Image entscheidend. Standardabsagen zerstören mit am stärksten den Ruf des Unternehmens. "Gerade nach absolviertem Assessment Center finde ich ein Standard-Ablehnungsschreiben als gering wertschätzend", schreibt ein Studienteilnehmer. Am wenigsten schlimm empfanden es die Bewerber, wenn sie einen individuellen Brief bekamen, in dem die Gründe für die Ablehnung persönlich erläutert wurden. Werden ihnen die Ablehnung per Mail oder Anruf mitgeteilt, haben die Betroffenen immer noch einen recht positiven Eindruck vom Unternehmen.
Der größte Fehler, den Unternehmen begehen können, ist es allerdings, den Bewerber gar nicht zu informieren und keine Absage zu schicken. Laut Studie ist das mehr als jedem vierten Bewerber schon passiert.
Unternehmen geben sich, so ein weiteres Ergebnis der Studie, nur selten Mühe, Bewerber in ihren Bedürfnissen zu verstehen oder zu respektieren. Nur 14 Prozent der deutschen Unternehmen fragen Kandidaten, wie zufrieden sie mit dem Recruitingprozess sind. Dabei empfinden es die meisten Bewerber als wertschätzend, wenn sie um ein Feedback zum Bewerbungsverfahren gebeten werden.
- 1. Bedarfserkennung und Formulierung
Der gesamte Prozess startet, wenn das Unternehmen eine Vakanz erkennt und formulieren kann, wen es sucht. Dabei sollte gegebenenfalls der Betriebsrat hinzugezogen werden. - 2. Profilbestimmung
Soll die Belegschaft homogen gehalten werden, was das Führen einfacher macht, oder heterogen sein, um durch neue Blickwinkel und Perspektiven die Innovationsfähigkeit des Unternehmens zu steigern - solche Fragen sind zu klären. - 3. Marktbearbeitung
Ob die Personalsuche über digitale und mobile Kanäle erfolgt oder als ganz klassische Stellenanzeige - sie muss zu potenziellen Bewerbern passen. Grundsätzlich sagen Stellenausschreibungen immer auch etwas über das Unternehmensimage aus. - 4. Kandidateninformation
Busold rät von schwammigen Formulierungen wie "managementerfahren" ab. Besser seien konkrete Anforderungen wie "nachweisbare Erfahrung in der Führung von Teams mit fünf bis sieben Mitarbeitern". - 5. Kandidatenauswahl zum Gespräch
Bei Vorstellungsgesprächen sollten Entscheider bedenken, dass Bewerber Multiplikatoren sind. Sie können Kunden oder Konsumenten sein - und jetzt abgelehnte Bewerber zu einem späteren Zeitpunkt eben doch "der Richtige". - 6. Zweites Gespräch/Assessment Center
Im Rahmen eines Assessment Centers testet das Unternehmen das Verhalten der Kandidaten in verschiedenen Situationen. Hier sollen Verhaltensweisen und Sozialkompetenzen deutlich werden. - 7. Einstellungsprozess/Vertragsverhandlung
Mit der Einstellung und dem unterschriebenen Vertrag ist der Prozess noch nicht zu Ende. Der Vertrag stellt lediglich einen Zwischenschritt dar. - 8. Onboarding-Prozess
Im Onboarding-Prozess geht es darum, neue Mitarbeiter so gut wie möglich in das Team zu integrieren. Ziel ist immer die Bindung guter Mitarbeiter. - 9. Tag des Starts
Kommt der neue Mitarbeiter an seinem ersten Tag ins Unternehmen, müssen folgende Dinge geregelt sein: Schreibtisch, Laptop, Handy, Visitenkarten und Passwörter. Die anderen Mitarbeiter sollten informiert sein. Der Vorgesetzte nimmt den Neuen unter seine Fittiche und führt ihn durch die Firma. - 10. Die ersten sechs Monate
Das Unternehmen sollte einen Fahrplan für die ersten sechs Monate des neuen Mitarbeiters erstellen. Dem Neuen sollte ein erfahrener Kollege als Mentor zur Seite stehen. - Tipps von Matthias Busold, Kienbaum
Matthias Busold ist Principal beim Personalberater Kienbaum. Den optimalen Auswahlprozess eines Bewerbers unterteilt er in zehn Schritte.
5 Tipps für eine gute Candidate Experience
Die Studienautoren geben Tipps, wie ein Unternehmen den Rekrutierungsprozess für den Bewerber möglichst positiv gestalten kann. Wichtig seien Klarheit und Integrität, Ergebnisorientierung und Verbundenheit durch Augenhöhe und Wertschätzung.
1. Klare Kommunikation
"Kommunizieren Sie in größtmöglicher Klarheit im Hinblick auf Ihre Erwartungen an die zu besetzende Position und Ihren Bewerbungsprozess." So ist es hilfreich, das Recruiting-Verfahren zu beschreiben, damit sich Kandidaten ein Bild machen können. Negativ sind unklare Anforderungen in der Stellenbeschreibung oder unfaire oder nicht nachvollziehbare Fragen im Gespräch.
2. Der "Arbeitgeber zum Anfassen"
"Bauen Sie früh eine Beziehung zu potenziellen Kandidaten auf und halten Sie diese auch im Rekrutierungsprozess gezielt aufrecht." Bewerber sollen einen persönlichen Ansprechpartner während des gesamten Bewerbungsprozesses haben, Gesprächspartner sollen sich individuell auf den Bewerber vorbereiten. Umgekehrt ist es Kandidaten wichtig, dass die Selbstdarstellung der Firma zum Beispiel auf den Unternehmensseiten ausreichend detailreich ist.
3. "Seien Sie unkompliziert und sehr verbindlich in Ihren Rekrutierungsprozessen"
Die Autoren raten dazu, den Prozess möglichst einfach, transparent und wertschätzend zu gestalten. Dazu gehört auch: "Trainieren und sensibilisieren Sie Ihre Recruiter und Hiring-Manager." Ein Hin-und-Her im Bewerbungsverfahren ist schlecht für das Arbeitgeber-Image. Wenn sich ein Unternehmen einmal für einen Kandidaten entschieden hat, sollte es rasch handeln und konstistent im Verhalten bleiben, raten die Autoren.
4. Keine Standardabsagen
Absagen sind nie schön, aber ein Unternehmen sollte sie nicht schlimmer machen, als sie sind. "Legen Sie besonderen Wert auf den Stil bei der Formulierung und Übermittlung von Absagen", raten die Autoren. Dazu gehört es nicht nur, überhaupt eine Absage zu schicken, sondern diese möglichst zeitnah zu versenden und individuell zu gestalten. Standardabsagen, zumal nach einem längeren Bewerbungsprozess, lassen das Employer Image in den Keller rauschen.
5. Feedback einholen
"Bitten Sie Ihre Bewerber unbedingt um Feedback", heißt es in der Studie. Nur wenige Unternehmen tun dies - dabei fühlen sich Bewerber so stärker in ihrer Person gewertschätzt. Im Zweifel erzählen sie dann weniger Schlechtes über das Unternehmen trotz einer Absage.