"Der einzige Mist, auf dem nichts wächst, ist der Pessimist", sagte einst der ehemalige Bundespräsident Theodor Heuss - und hatte dabei vermutlich auch all jene im Auge, die Tag für Tag gebeugten Hauptes zur Arbeit schleichen und auf nichts mehr hoffen, als darauf, wieder einmal enttäuscht zu werden. Warum ist das so? Warum halten bestimmte Menschen, die schöne Blumen sehen, immer gleich nach einem Sarg Ausschau - um noch ein Sprichwort zu bemühen?
Gesund ist das jedenfalls nicht. Laut Psychology Today steht fest, dass Menschen, die notorisch pessimistisch sind, ein hohes Risiko haben, seelische oder psychische Krankheiten zu erleiden. Es lohnt sich also nicht, negativ zu denken - dennoch liegt manchen Menschen diese Haltung im Blut. Entweder sind sie genetisch dazu veranlagt oder sie wurden durch schlechte Erfahrungen geprägt. Beispielsweise haben sie ihren Job verloren, sind bei Beförderungen nie zum Zuge gekommen, leiden unter Über- oder Unterforderung oder schlagen sich mit einer Krankheit oder einem Kindheitstrauma herum. Oft geraten solche Menschen irgendwann in einen mentalen Tunnel, in dem sie am Ende auch die Menschen wegstoßen, die sie herausführen wollen.
Pessimisten können nützlich sein
Für Unternehmen kann negatives Denken aber auch Vorteile haben. Pessimisten erkennen Gefahren und Risiken oft früher als andere, weil ihr Fokus darauf gerichtet ist und weil sie vorausschauender und vorsichtiger agieren. Glaubt jemand nicht an einen Erfolg, wird er immer einen Plan B und einen Plan C in der Tasche haben, was Unternehmen durchaus helfen kann. In schwierigen Situationen blühen Pessimisten sogar nicht selten auf. Sie zeigen sich widerstandsfähiger als andere und überraschen mit analytischem Denken. Sie bewähren sich als Problemlöser und Krisenmanager.
Trotzdem ist es für Unternehmen gefährlich, wenn Schwarzseher oder Dauernörgler die Oberhand gewinnen. In den Teams wird ihre negative Haltung irgendwann auf andere abfärben. Dann greift Unzufriedenheit um sich, die Arbeitsfreude schwindet und Fehlzeiten häufen sich. Die Kommunikation in der Gruppe ist nun oft von einem unterschwelligen Spott oder sogar Zynismus geprägt. Das Vertrauen in die Leistungen des eigenen Teams oder sogar des ganzen Unternehmens schwindet.
Ist die Führungskraft pessimistisch?
Es ist also sinnvoll, sich mit Pessimisten in den eigenen Reihen zu beschäftigen - zumindest dann, wenn ihre negative Haltung pathologische Züge anzunehmen droht. Führungskräfte sollten dazu allerdings erst einmal vor der eigenen Türe kehren: Zeigen sie sich selbst zu oft von der skeptischen Seite? Neigen sie vielleicht sogar dazu, Ideen abzuschmettern, wenn diese nicht von ihnen selbst kommen? Oder ärgern sie sich im Beisein von Kolleginnen und Kollegen allzu lautstark über vermeintlich falsche Management-Entscheidungen, die Arbeit anderer Abteilungen oder zu viel Bürokratie? In solchen Fällen geben die Chefs ein negatives Vorbild und signalisieren dem Team, dass es in Ordnung ist, sich ständig zu beschweren.
Wer diesbezüglich ein reines Gewissen hat, sollte sich vorurteilsfrei daran machen herauszufinden, warum sein Teammitglied diese negative Einstellung an den Tag legt. Ist der Pessimismus begründet, liegt hier sogar eine Chance, größere Probleme für das Unternehmen oder das Team frühzeitig aus dem Weg zu räumen. Oft handelt es sich aber eher um eine Attitüde, eine wiederkehrende Haltung, an der gearbeitet werden sollte.
Dabei ist der betroffenen Mitarbeiterin oder dem Mitarbeiter oft gar nicht bewusst, wie sie oder er sich verhält. Deshalb sollten Vorgesetzte die Person erst einmal zur Seite nehmen und ihr klar machen, wie ihre Bemerkungen von anderen aufgenommen werden. Dabei empfiehlt es sich, ihr deutlich zu zeigen, dass sie im Team geschätzt wird, mit ihren Kommentaren aber immer wieder die Stimmung trübt, Arbeitsfortschritte bremst und im schlimmsten Fall ernsthaften Schaden anrichtet.
Pessimisten offensiv einbeziehen
Dann gilt es, der pessimistischen Grundhaltung etwas entgegenzusetzen und negative Kommentare zu kontern. Fällt wieder einmal eine deprimierende Bemerkung, sollte die Person direkt angesprochen werden. Wenn Sie beispielsweise stöhnt: "Wir werden die Deadline niemals einhalten", dann muss sie im Detail erklären können, warum sie dieser Meinung ist. "Lass uns teilhaben an Deinen Überlegungen", wäre dann die richtige Ansprache. Vielleicht funktioniert es ja sogar, der Person eine konstruktive Botschaft abzuringen: "Was müssten wir Deiner Meinung nach tun, damit wir die Deadline doch noch einhalten?"
Eine gute Taktik ist es auch, das ganze Team einzubeziehen und Gruppendruck auszuüben. Vorab sollte sich das Team dazu auf positive Normen einigen, die für alle gelten und denen sich jedes Teammitglied beugen wird. Kommentare sind dann nur noch zulässig, wenn sie konstruktiv sind und dem Unternehmen oder auch dem Kunden weiterhelfen. Gibt es solche gemeinsam ausgearbeiteten Regeln, die im Übrigen immer wieder überprüft und korrigiert werden sollten, können sie als Maßstab für Teamverhalten gelten. Wer dagegen verstößt, muss damit rechnen, von allen angesprochen zu werden, nicht nur vom Teamleiter.
Immer nur lächeln, immer nur positiv - bei deutschen Arbeitnehmern kommt man damit sicher nicht sehr weit. Deshalb ist es auch wichtig, genügend Raum für offene und kontroverse Diskussionen in der Gruppe zu lassen, in denen auch die Skeptiker ausführlich und fundiert zu Wort kommen dürfen. Sie sollen ihre Gedanken einbringen, aber auch Ideen äußern, mit denen die von ihnen gesehenen Hindernisse und Probleme überwunden werden können. Auf diese Weise wird Negativität konstruktiv und nützt allen.
Manchmal helfen nur Konsequenzen
Nicht immer verfangen solche Strategien, manche Teammitglieder sind unverbesserlich negativ. Wenn sie weder auf Feedback noch auf Coaching reagieren, wird es Zeit, die Reißleine zu ziehen und diese Menschen aus dem Team zu entfernen. Es ist die Aufgabe der Führungskraft, eine solche Entscheidung zu treffen.
Dabei ist es aber wichtig, sich immer wieder vor Augen zu halten, dass Negativität nicht per se schlecht ist und Skepsis zu einem verantwortungsbewusst arbeitenden Menschen dazugehört. Abweichende Stimmen sind sogar dringend nötig, um Annahmen zu überprüfen und Ideen durch das ständige Abwägen von Für und Wider voranzutreiben. Dazu werden auch Störer und Quertreiber gebraucht. Es kommt also darauf an, negative Energie zu kanalisieren und rechtzeitig zu erkennen, wenn der Pessimismus Einzelner dem Team schadet und den Fortschritt bremst.