Lizenzmanagement

Wenn IT-Partner in Insolvenz gehen

09.10.2020
Von   , und
Christian Kuss ist Rechtsanwalt der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Köln. Sein Tätigkeitsschwerpunkt liegt auf IT- und Datenschutzrecht.
Christiane Kühn ist Rechtsanwältin und in der Praxis mit der Reduzierung von insolvenzbedingten Risiken umfassend vertraut. Sie berät hauptsächlich Gläubiger, gerichtlich und außergerichtlich. Ein weiterer Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt im internationalen Handelsrecht - wobei sie ebenfalls gerichtlich und außergerichtlich die Interessen ihrer Mandanten umfassend vertritt.
Matthias Bergmann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen im IT- und Datenschutzrecht.
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Befindet sich ein Software- oder Serviceanbieter in gefährlichem Fahrwasser, ist es oft schon zu spät.
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Die Angst vor einer Insolvenzwelle im Herbst wächst. Auch an der IT-Branche wird die beginnende Rezession, trotz punktueller Krisengewinner, nicht spurlos vorübergehen. Unternehmen, deren IT-Services nicht mehr bereitgestellt werden, weil der Anbieter plötzlich zahlungsunfähig ist, müssen mit schlimmen Folgen rechnen. Der Kunde ist bei der Insolvenz des Anbieters einer Software in der Regel darauf angewiesen, das Programm weiter nutzen zu können. Ob er das darf, ist eine Frage der Lizenz, also des Nutzungsrechts. Ob er das kann, ist eine faktische Frage, also ob er Zugriff auf den Quellcode hat.

Auswirkung der Insolvenz auf die Lizenz

Die Lizenz ist ein Recht zur Nutzung einer Software. Man kann zwischen dauerhaften und temporären Lizenzen unterscheiden. Wenn es sich um eine dauerhafte Lizenz handelt, die zeitlich unbeschränkt und unwiderruflich eingeräumt wurde, ist der Kaufpreis bezahlt und alle sonstigen vertraglichen Pflichten erfüllt worden, dann kann die Lizenz insolvenzfest sein. Sie kann also bestehen bleiben, auch wenn gegen den Anbieter der Software das Insolvenzverfahren eröffnet wird.

Häufig werden Softwarelizenzen allerdings temporär eingeräumt und sind mit weiteren Pflege- und Supportleistungen oder Hardware-Mieten verbunden, zum Beispiel im Rahmen von Software-as-a-Service Verträgen. In diesen Fällen ist die Sache komplizierter. Eine entscheidende Rolle übt dann der Insolvenzverwalter aus. Er kann nach § 103 Insolvenzordnung (InsO) entscheiden, ob der noch nicht beendete Vertrag fortgesetzt werden soll. Entscheidet er sich für die Fortsetzung, bleibt die Lizenz bestehen. Entscheidet er sich dagegen, darf der Kunde die Software nicht mehr nutzen.

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Das Risiko des Wegfalls der Lizenz ist jedoch vermeidbar. Im Vorhinein können die Vertragspartner vereinbaren, dass vereinfacht gesagt im Ergebnis im Falle der Insolvenz aus der temporären eine dauerhafte Lizenz wird. Die Rechtsprechung hat in den letzten Jahren einen Weg vorgezeichnet, auf dem entsprechende Vertragsklauseln möglich sein können. Greifen sie, gehört die Lizenz nicht mehr zum Vermögen des insolventen Anbieters und unterliegt damit nicht dem Insolvenzverwalter. Die Software darf dann weiterhin verwendet werden.

Dabei ist jedoch Vorsicht geboten, um sich nicht dem Vorwurf einer unzulässigen Umgehung des Insolvenzrechts aussetzen zu müssen. Gerade vertragliche Regelungen, die ausdrücklich den Insolvenzfall regeln, stehen schnell im Verdacht, das Wahlrecht des Insolvenzverwalters umgehen zu wollen. Die Wirksamkeit derartiger Klauseln ist deshalb nicht gewiss.

Die Lizenz allein wird einen Kunden nicht langfristig weiterbringen, wenn er das Programm nicht pflegen und weiterentwickeln kann. Dazu braucht er den Quellcode und die dazugehörige Dokumentation. Für den Anbieter wiederum stellt der Quellcode einen wesentlichen Wert dar, den er nicht leichtfertig aus der Hand geben möchte.

Wie Software-Escrow-Verträge helfen können

Zur Lösung dieses Interessenkonflikts bietet sich ein Software-Escrow-Vertrag an. Dabei wird einem Dritten als Treuhänder der Quellcode übergeben. Er verwaltet diesen und gibt ihn unter bestimmten Bedingungen an den Lizenznehmer heraus. Solche Verträge sind nicht banal und müssen sorgfältig erarbeitet werden, um im Fall der Fälle auch tatsächlich durchgesetzt werden zu können. Zudem muss die hinterlegte Software regelmäßig aktualisiert und der Inhalt des Datenträgers überprüft werden. Anderenfalls besteht das Risiko, dass im Fall der Insolvenz nicht der erwünschte Quellcode, sondern nur ein Musikalbum im Tresor verwahrt wird.

Es kann jedoch Vorsorge für den Worst Case getroffen werden, indem man sich eine dauerhaften Lizenz einräumen lässt und zugleich einen Software-Escrow-Vertrag abschließt. Das war bis zum 30.09.2020 durch das Gesetz zur Abmilderung der COVID-19-Pandemie sicherer als zuvor, da es die Möglichkeiten des Insolvenzverwalters einschränkte, Sicherungsgeschäfte im Nachhinein anzufechten. Die Bundesregierung plant zwar eine Verlängerung bis zum 31.12.2020, allerdings nur für Schuldner, die überschuldet, und nicht zahlungsunfähig sind. Der Insolvenzgrund der Überschuldung ist praktisch allerdings kaum relevant, nur etwa vier Prozent der Insolvenzverfahren beruhen ausschließlich auf ihm. Der in der Presse teilweise vermittelte Eindruck, die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzvertrags sei allgemein weiterhin ausgesetzt, ist daher falsch und gefährlich.

Wenn das Insolvenzverfahren gegen den Anbieter bereits eröffnet wurde und es keine dauerhafte Lizenz und keinen Software-Escrow-Vertrag gibt, hängt für den Kunden alles an der Entscheidung des Insolvenzverwalters. Dabei muss der Kunde nicht hilflos zusehen. Auf die Aufforderung des Kunden muss der Insolvenzverwalter unverzüglich erklären, welche Wahl er treffen will. Für seine Entscheidung kommt es darauf an, ob das Festhalten am Vertrag für die Gesamtheit der Gläubiger vorteilhaft ist. Unter Umständen kann der Kunde durch Anbieten einer günstigen Vertragsänderung Einfluss nehmen. Alternativ ist auch der Abschluss eines (vorübergehenden) neuen Vertrags möglich, der sich inhaltlich an dem alten Vertrag orientiert - dies ist Verhandlungssache.

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Etwas unübersichtlich wird es dann, wenn der Anbieter der Lizenz selbst die Lizenz von einem übergeordneten Anbieter erworben hat, also ein Reseller ist. Wird das Insolvenzverfahren gegen den Reseller eröffnet, hängt die Lizenz seiner Kunden an der Entscheidung des Insolvenzverwalters. Auch in diesen Fällen sollte der Kunde, wenn irgend möglich, in Verhandlungen mit dem Insolvenzverwalter treten. Denn bemerkenswerterweise hängt die Unterlizenz, die der Kunde erworben hat, nicht unmittelbar am Schicksal der übergeordneten Lizenz des Resellers. Die Unterlizenz kann sogar bestehen bleiben, wenn sich der Insolvenzverwalter für die Fortsetzung des Unterlizenzvertrages entscheidet.

Insolvente IT-Dienstleister und die Folgen

Cloud-Dienste, Server-Mieten, Office-Schulungen: Das Angebot an IT-Dienstleistungen ist groß. Entsprechend unterschiedlich ist auch das Risiko ihres Ausfalls, wenn gegen den Dienstleister das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Kaum ein Unternehmen wird es sich leisten können, auf kritische IT-Infrastruktur auch nur wenige Tage zu verzichten.

In auf Dauer angelegten Vertragsverhältnissen, wie zum Beispiel Software-as-a-Service Verträgen, entscheidet der Insolvenzverwalter des Dienstleisters, gegen den das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, ob die Dienstleistung weiter erbracht wird, oder nicht, wie oben beschrieben.

Etwas anderes kann gelten, wenn es sich um einen Dienstvertrag im Rechtssinne handelt. Bei einem Dienstvertrag ist der Insolvenzverwalter zur Fortsetzung des Vertrags verpflichtet. Ungeklärt ist zurzeit, ob das nur bei der Insolvenz des Kunden oder auch bei der Insolvenz des Dienstleisters gilt. Der Dienstvertrag ist zudem deutlich enger als der Begriff der Dienstleistung im allgemeinen Sprachgebrauch. Erfasst sind zum Beispiel Schulungs-, Beratungs- oder Access-Provider-Verträge. Die Abgrenzung eines Dienstvertrags zu anderen, auch im IT-Bereich verbreiteten Vertragstypen ist oft schwierig.

Zwischen dem Insolvenzantrag und der Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegt Zeit (in der Regel drei Monate), die der Kunde nutzen kann. Er kann versuchen mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter Kontakt aufzunehmen, um über Möglichkeiten der Fortführung des Vertrags zu sprechen. Außerdem ist es in bestimmten Ausnahmefällen denkbar, schon im vorläufigen Insolvenzverfahren einen neuen (vorübergehenden) Vertrag zu verhandeln, der sich inhaltlich an dem eigentlichen Vertrag orientiert.

In jedem Fall ist aber zu bedenken, dass der Insolvenzverwalter im Interesse aller Gläubiger handelt und daher nur dann in dieser früheren Phase des Verfahrens von einer Fortsetzung der Geschäftsbeziehung überzeugt werden kann, wenn diese für die übrigen Insolvenzgläubiger besonders lukrativ ist. Dies läuft in den meisten Fällen darauf hinaus, dass "der Kunde" (Softwarenutzer) mehr zahlen muss als ursprünglich vereinbart war. Deshalb lohnt es sich, das mit der möglichen Insolvenz des Softwareanbieters verbundene Risiko bereits zu Beginn der Geschäftsbeziehung einzukalkulieren und ggf. über Sicherungsrechte und/ oder Resourcing-Strategien die eigene Verhandlungsposition im Insolvenzfall deutlich zu stärken. Dies gilt vor allem in Bezug auf solche Softwarelösungen, die für das Funktionieren des eigenen Geschäftsbetriebes unbedingt nutzbar sein müssen.

Will der Kunde softwaregebundene Prozesse wieder in den eigenen Betrieb integrieren oder einen neuen Partner finden, wird er häufig auf die Software des insolventen Dienstleisters angewiesen sein. Die Umstellung wird deutlich leichter sein, wenn ihm Lizenzen im Ergebnis für den Fall der Insolvenz eingeräumt und Zugriff auf den Quellcode durch einen Software-Escrow-Vertrag ermöglicht wurde. (bw)