Der Champagner ist ausgetrunken, der Applaus verhallt. Der Manager, der gestern Abend feierlich seinen Preis überreicht bekommen hat, stellt den Pokal auf den Schreibtisch. Er denkt an das Bewerbungsverfahren, das ihn gefordert hat, ebenso wie an die schöne Gala. Quasi nebenbei schleicht sich allerdings auch der Gedanke ein, wie der Vorstand, an den er berichtet, wohl auf den Pokal reagieren wird. Neidisch?
Neid, so allzumenschlich er sein mag, ist im Geschäftsleben zwar ein Tabu, kommt aber dennoch häufig vor. Trainerin Claudia Kimich, die Führungskräfte coacht, hat gar nicht selten damit zu tun. Sie rät unserer preisgekrönten Führungskraft: Um Klarheit zu gewinnen, sollte der Beneidete zunächst einmal "drei Jonglierbälle" auseinanderhalten: Worum geht es? Wer ist beteiligt? Welchen "Mehrwert" generiert der Neider aus seinen Gefühlen (beispielsweise die zweifelhafte Selbstbestätigung, er hätte die Ehrung doch viel mehr verdient)?
Vom Umgang mit Neidern
Kimich rät zu offener Kommunikation. Und zwar über beide Seiten der Medaille. "Oft kann der Neider nicht einschätzen, wie sehr sich der Preisträger ins Zeug legen musste", sagt sie. Wer mit ein, zwei Sätzen darauf hinweise, könne im besten Fall schon einigen Wind aus den Segeln nehmen. Etwa durch eine Formulierung wie "Ich habe tatsächlich diesen Preis bekommen und freue mich da sehr drüber, aber an die Bewerbung denke ich ungern zurück - das hat mich viel Zeit und Mühen gekostet!"
Ein weiterer Punkt: manchem Neider ist nicht bewusst, dass eine Preisverleihung anstrengend sein kann. "Man kann ruhig erzählen, dass man vor den Augen der versammelten Branche auf die Bühne musste, ins Rampenlicht, um eine Dankesrede zu halten, und dass man dabei auch noch ständig fotografiert wurde - auch das kann den Neid anderer verringern", schmunzelt Kimich.
Stichwort Dankesrede: Nicht nur Vorgesetze oder Kollegen können neidisch sein. Mitarbeiter auch. Dazu Kimich: "Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, nach dem Preisgewinn eine Runde auszugeben, jedem in die Augen zu sehen und klar zu sagen: 'Ohne Eure Mitarbeit oder ohne Ihren Support hätte ich das nicht geschafft'". Möglicherweise kann man auch Kollegen zur Preisverleihung mitnehmen und die Ehre so mit ihnen teilen.
Denn die Motive für Neid sind vielfältig. Möglicherweise wird im Unternehmen insgesamt zu wenig Lob und Anerkennung ausgesprochen. Umso wichtiger sei es dann, dass der Preisträger allen Beteiligten seine Wertschätzung zeigt, sagt Kimich.
Das Gegenüber muss sein Gesicht wahren können
Möglicherweise entzündet sich an einer solchen Ehrung aber auch ein tiefer liegender Konflikt mit einzelnen Kollegen, Mitarbeitern oder Vorgesetzen, erklärt die Trainerin. Um dem auf die Spur zu kommen, hilft nur das offene Gespräch. Und zwar unbedingt außerhalb der Firma. "Am Besten schlägt man dem Kollegen ein gemeinsames Mittagessen vor", rät Kimich. Beim Gespräch muss das Gegenüber sein Gesicht wahren können. "Am besten formuliert man offene, lösungsorientierte Fragen wie: 'Steht etwas zwischen uns'?", so die Trainerin.
Letztlich sollte sich der Beneidete aber auch fragen, was er für sich selbst befürchtet. Könnte ihn der Neider künftig von Informationen ausschließen? Könnte er einem schaden? Oder will der einfach nur meckern? "Da sollte man genau hingucken und sich gerne auch mal mit einem Stück Papier hinsetzen und die Dinge aufschreiben", rät Kimich.
Für dieses "genaue Hingucken" plädiert sie sowieso. "Neid ist ja nicht automatisch etwas Schlechtes", erklärt die Coach. "In Verbindung mit einem guten Selbstwertgefühl kann Neid Ansporn sein und Menschen dazu bringen, von anderen zu lernen." Schwierig sei nur die Missgunst. Wer als Preisträger damit konfrontiert werde, dem helfe nur Eines: nichts persönlich nehmen. Oder bei Wilhelm Busch nachblättern, der da schrieb: "Neid ist die aufrichtigste Form der Anerkennung."