23 Fehler

Wenn der CIO neue Talente verprellt

22.06.2023
Von 
Mary K. Pratt ist freiberufliche Journalistin in Massachusetts.
IT-Führungskräfte können sich im engen Talentmarkt keine Fehler leisten. Wir zeigen Ihnen die größten Fettnäpfchen.
Der Kampf um IT-Talente wird härter. Trotzdem machen Führungskräfte beim Suchen, Einstellen und Weiterentwickeln neuer Mitarbeiter viele vermeidbare Fehler.
Der Kampf um IT-Talente wird härter. Trotzdem machen Führungskräfte beim Suchen, Einstellen und Weiterentwickeln neuer Mitarbeiter viele vermeidbare Fehler.
Foto: fizkes - shutterstock.com

Die Nachfrage nach IT-Fachkräften ist nach wie vor hoch, und es gibt keine Anzeichen für eine Abschwächung. Der Wettbewerb um Talente setzt CIOs und ihre Rekrutierungsteams unter Druck, bei der Einstellung strategisch vorzugehen; sie können sich keine Fehler leisten, wenn sie offene Stellen erfolgreich besetzen wollen. Vor diesem Hintergrund haben wir mehrere Führungskräfte mit Erfahrung in der Rekrutierung und Einstellung von IT-Talenten zu den Fehlern befragt, die ihrer Meinung nach die Einstellung von Mitarbeitern erschweren. Hier sind ihre Antworten.

Fehler 1: Immer extern einstellen

"Viele IT-Manager stellen ein, anstatt ihr Team zu entwickeln. Das Wissen, wann man einstellen sollte und wann nicht, ist ein Muskel, der erst noch entwickelt werden muss", sagt Will Markow, Vizepräsident für angewandte Forschung bei Lightcast, einem Unternehmen für Arbeitsmarktdatenanalyse. Markow zufolge zeigen Untersuchungen seines Unternehmens, dass die Einstellung externer Kandidaten mehr Zeit in Anspruch nimmt, um Stellen zu besetzen, und mehr als 15.000 US-Dollar an zusätzlichen Gehaltskosten verursacht. Außerdem signalisiert dies den vorhandenen Mitarbeitern, dass es nur begrenzte Wachstumschancen gibt. Das macht es wahrscheinlicher, dass sie sich anderswo nach neuen Stellen umsehen.

Fehler 2: Interne weiterbilden, auch unter Zeitdruck

Obwohl er die Einstellung interner Mitarbeiter befürwortet, fordert Markow, dass CIOs bei internen Beförderungen selektiv vorgehen müssen. "Man kann nicht für alles Mitarbeiter weiterbilden; für einige Positionen muss man neue Mitarbeiter einstellen", sagt er. "In manchen Fällen kann eine Schulung schneller sein als eine Einstellung, aber wenn der Experte am besten gestern gebraucht wird, kann man nicht warten und eine Schulung buchen."

Fehler 3: Upskilling ohne freie Positionen

Markow beobachtet bei CIOs ein Missverhältnis zwischen den bestehenden Schulungsprogrammen und dem prognostizierten Personalbedarf. Diese Situation kann sowohl bei Managern als auch bei Mitarbeitern zu Frustration führen. "Manchmal investieren CIOs in die Ausbildung ihrer Mitarbeiter, haben aber keinen klaren nächsten Schritt für die Leute", sagt er. Außerdem hätten CIOs bisweilen keinen Nachfolgeplan, so dass es bei einem Wechsel in neue Positionen auch niemanden gibt, der die alte Rolle übernehmen kann.

Fehler 4: Neueinstellungen passen nicht zu Geschäftszielen

Weil die IT heute eng mit den Geschäftsprozessen verflochten ist, müssen CIOs ihre Einstellungsstrategien mit der Roadmap ihres Unternehmens abstimmen, fordert Seth Robinson, Vice President für Research beim Branchenverband CompTIA. Das erfordert ein solides Verständnis der Geschäftsziele. Wenn die Führungsebene beispielsweise über ihre Datenpläne spricht, sollte man wissen, ob das bedeutet, einen SQL-Entwickler aus dem Team weiterzubilden oder einen Data Scientist einzustellen.

Fehler 5: Später Vogel bleibt hungrig

"Wir erleben, dass Arbeitgeber in eine neue Technologie investieren und viel Geld dafür ausgeben, bevor sie merken, dass sie niemanden mit den richtigen Fähigkeiten haben, um sie zu bedienen", sagt Markow. Er arbeitete mit einem Unternehmen zusammen, das in eine Datenanalysesoftware investiert hatte, die sechs Monate lang ungenutzt blieb, während gleichzeitig Mitarbeiter für den täglichen Betrieb gesucht und geschult wurden.

Fehler 6: Auf Erfahrungen in der ersten Liga bestehen

Ein weiterer Fehler bei der Einstellung von Bewerbern ist, dass sie über Erfahrungen bei namhaften Unternehmen verfügen müssen - insbesondere bei Firmen, die in Tech-Hotspots angesiedelt sind, sagt Eric Tan, CIO beim Softwarehersteller Coupa. "Ich sehe zu viele meiner Kollegen, die nur Leute mit 'wirklich guten Lebensläufen' wollen." Zwar böten diese Unternehmen in der Regel eine hervorragende Ausbildung für ihre Mitarbeiter, aber sie seien nicht die Einzigen, die kompetente Talente hervorbringen. Tan verweist auf das "Veteranenprogramm" seines Unternehmens, das ihm geholfen hat, etwa 20 Prozent seines Teams mit hochkarätigen Mitarbeitern zu besetzen, die über ein hohes Maß an Ausdauer und Loyalität verfügen.

Fehler 7: Nur erstklassige Hochschulen anvisieren

Auch ist Tan der Meinung, dass CIOs ihre Rekrutierungsbemühungen über die bekannten technischen Universitäten hinaus ausweiten sollten - was er nach eigenen Angaben mit großem Erfolg tut. Sein Unternehmen arbeitet mit der University of Nevada, Reno, und dem Ausbildungsprogramm Year Up zusammen, um Kandidaten, die deren Programme durchlaufen, zu identifizieren und einzustellen.

Fehler 8: Die technische Vorauswahl überbewerten

"Technologie ermöglicht es den Einstellungsteams zwar, Lebensläufe schnell zu bewerten, aber bei der Vorauswahl können viele Menschen verloren gehen, die gute Kandidaten sind", sagt Ximena Hartsock, CEO und Mitbegründerin von BuildWithin, einer Softwareplattform für die Erstellung und Verwaltung von Lehrlings- und Mitarbeiterlernprogrammen. Das ist in einem angespannten Arbeitsmarkt ein großes Problem. Hartsock sagt, dass Personalverantwortliche, die sich zu sehr auf Technologien einschließlich der Bewerberverfolgungssysteme verlassen, möglicherweise Lebensläufe mit einem großen Potenzial übersehen.

Fehler 9: Ignorieren von Nicht-IT-Talenten

Tan erzählt von einer seiner jüngsten Neueinstellungen, einer ehemaligen Managerin in einem gehobenen Einzelhandelsgeschäft. In dieser Funktion war sie mit Unmengen von Daten und Datenanalysen konfrontiert, was sie in Tans Augen zu einer hervorragenden Kandidatin für eine Datenfunktion in seinem Team machte. "Wir sollten nach Talenten auch jenseits des traditionellen IT-Berufs suchen", fügt er hinzu.

Fehler 10: Unspezifisch auf Skills eingehen

Auch wenn Sie "nur" einen Programmierer brauchen, muss die Stellenausschreibung für diese Rolle individuell sein, um erfolgreich zu sein, fordert Apratim Purakayastha, Chief Product and Technology Officer bei Skillsoft, einem Hersteller von Lernmanagementsystemen und -inhalten. "Wollen Sie eine bestimmte Stelle besetzen, müssen Sie sich auf die wichtigsten Fähigkeiten und Kompetenzen konzentrieren", erklärt er. HR-Verantwortliche erzielen bessere Ergebnisse, wenn sie die Kompetenzen auflisten, die sie bei erfolgreichen Bewerbern tatsächlich erwarten, und diese in ihren Anzeigen angeben, damit Bewerber nicht raten müssen, ob sie zu ihnen passen.

Fehler 11: Unrealistische Erwartungen formulieren

Es ist gut, wenn Sie sich darüber im Klaren sind, was Sie wollen, aber Sie sollten auch realistisch bleiben. Erwarten Sie bei der Suche nach einem Junior-Programmierer nicht, dass Bewerber alle möglichen Programmiersprachen beherrschen oder über eine Reihe von Zertifizierungen und mehrere Jahre Erfahrung verfügen. Erwarten Sie auch nicht, dass ein Kandidat alles genauso vorweisen kann, wie Sie es beschrieben haben. Ein erfahrener Programmierer beherrscht vielleicht nicht alle Sprachen, die Sie sich wünschen, aber ein ansonsten guter Bewerber kann sie erlernen.

Fehler 12: Gehaltsplanung mit alten Gehaltsdaten

Der wettbewerbsintensive Markt für Talente im technischen Bereich übt einen ständigen Druck auf die Gehälter aus, die schneller steigen können als in anderen Berufen. Paul Wallenberg, Senior Director for Technology Recruiting beim Personaldienstleister LaSalle Network, sagt, dass CIOs bei der Gehaltsplanung unbedingt auf die aktuellen Daten zurückgreifen müssen. "Sie müssen sich auf dynamischere Datenquellen und die Zusammenführung von Daten verlassen, die sie bei Bewerbungen sammeln", sagt er. "Ich spreche auch nicht von dem Betrag, den die Bewerber derzeit verdienen. Ich spreche davon, was sie in einer neuen Rolle erwarten."

Fehler 13: Keine Veröffentlichung der Gehaltsspanne

Ab Januar 2023 wird der US-Bundesstaat Kalifornien von Arbeitgebern verlangen, ihre Gehaltsspannen bei Stellenausschreibungen offenzulegen. In anderen Bundesstaaten, darunter Colorado, Washington und New York City, sind solche Gesetze ebenfalls in Kraft oder werden demnächst eingeführt. Aber auch CIOs, die außerhalb dieser Bundesstaaten einstellen, sollten diese Praxis übernehmen, rät Wallenberg. Ihm zufolge zeigen seine Daten, dass Unternehmen, die solche Informationen veröffentlichen - unabhängig davon, ob sie gesetzlich vorgeschrieben sind oder nicht - tatsächlich mehr Bewerber bekommen, und zwar qualitativ hochwertigere.

Fehler 14: Mangelnde Vielfalt in der Gesprächsrunde

IT-Führungskräfte konzentrieren sich nach wie vor darauf, ihre Teams zu diversifizieren, aber allzu oft sind ihre Gesprächsrunden nicht diversifiziert und/oder erwähnen das Thema nicht einmal. Dies könnte dazu führen, dass Bewerber denken, das Interesse des Unternehmens an Vielfalt, Gleichberechtigung und Integration sei nur ein Feigenblatt, sagt Wallenberg.

Fehler 15: Abschreckende Sprache in Stellenbeschreibungen

Bestimmte Formulierungen können auf Bewerber abschreckend wirken, berichtet Robinson. Eine Stellenausschreibung, in der ein "vielfältiger Kandidat" gesucht wird (eine etwas unglückliche Formulierung), während das Unternehmen ein diverses Team aufbauen möchte, könnte potenzielle Bewerber im Unklaren darüber lassen, was der CIO von der Person erwartet. Ebenso könnten Stellenbeschreibungen, die "wettbewerbsfähig" oder "anspruchsvoll" enthalten, potenzielle Bewerber abschrecken. Dafür gibt es Beweise: Ein LinkedIn-Bericht aus dem Jahr 2019 ergab, dass 44 Prozent der Frauen und 33 Prozent der Männer davon abgehalten wurden, sich auf eine Stelle zu bewerben, wenn in der Stellenbeschreibung der Begriff "aggressiv" vorkommt.

Fehler 16: Lästige Gesprächsrunden für Bewerber

Einstellungsteams verlangen von den Bewerbern oft, dass sie ihr Wissen durch die Entwicklung von Code oder die Teilnahme an Tests unter Beweis stellen. Solche Anforderungen, insbesondere wenn sie zeitaufwändig sind, können für Bewerber lästig sein. "Sie könnten Leute ausschließen, die einen Job und keine Zeit für diese Gesprächsrunden oder Hausaufgaben haben", sagt Robinson.

Fehler 17: Zu wenig Aufmerksamkeit für die nichttechnischen Dinge

Es ist leicht, sich bei der Besetzung von Stellen im technischen Bereich nur oder hauptsächlich auf die technischen Fähigkeiten eines Bewerbers zu konzentrieren. Allerdings warnt Purakayastha davor, andere wichtige Fähigkeiten zu übersehen, etwa hinsichtlich Kommunikation und Zusammenarbeit. "Ich erlebe immer wieder, dass sehr kompetente Leute eingestellt werden, die aber nicht über die erforderlichen Soft Skills oder die Fähigkeit zur Anpassung an eine neue Kultur verfügen", sagt Purakayastha. Sein Unternehmen habe daher eine Liste mit 45 Werten aufgestellt, die man sich für eine ganzheitliche Betrachtung der Bewerber wünscht.

Fehler 18: Ignorieren der nächsten Schritte für neue Mitarbeiter

"Die Einstellung ist nur der erste Schritt", erinnert Purakayastha. Die nächste Etappe sei: Den neuen Mitarbeiter zu halten und ihm bei seiner Entwicklung zu helfen. "Der Wandel im Technologiebereich vollzieht sich viel schneller, als man neue Mitarbeiter einstellen kann, so dass das Management der technischen Laufbahn eines Mitarbeiters einen bedeutenden ROI hat, der nicht übersehen werden sollte."

Fehler 19: Abwerben von Talenten

Abwerbung von Talenten ist eine gängige Praxis, vor allem bei Tech-Unternehmen im Silicon Valley und anderen High-Tech-Regionen. Aber die Vorgehensweise treibt die Gehälter in die Höhe, ohne die Probleme bei der Nachwuchsgewinnung anzugehen, die den harten Wettbewerb überhaupt erst verursachen. Außerdem lassen sich so die Personalprobleme in der Regel nicht auf Dauer lösen. Wie Markow hervorhebt: "Wenn Sie nur das höchste Gehalt anbieten, was hindert ein anderes Unternehmen daran, mehr zu bieten?"

Fehler 20: Sein Licht unter den Scheffel stellen

Bewerber haben auf diesem Markt eine große Auswahl, daher sollten CIOs potenzielle Bewerber davon überzeugen, was sie und ihr Unternehmen alles zu bieten haben. "Wenn Sie kein echtes Interesse an deren Karriere haben, werden Bewerber auch kein Interesse haben, bei Ihnen zu arbeiten", sagt Tan.

Fehler 21: Sie verkaufen nicht, was Ihr Unternehmen bietet

"Sie müssen natürlich wettbewerbsfähige Gehälter zahlen, aber Sie müssen auch sicherstellen, dass Sie Mitarbeiter wegen ihrer Aufgabe einstellen und nicht nur wegen des Geldes", sagt Markow. Untersuchungen zeigen: Unternehmen, die ihren Mitarbeitern einen guten Grund für die Unterschrift geben, der über die Vergütung hinausgeht, können besser Talente anwerben und halten. Dazu zählen eine interessante Aufgabe, eine flexible Zeiteinteilung, die Mission des Unternehmens oder die Aufstiegsmöglichkeiten.

Fehler 22: Personal vorsorglich suchen

Markow berichtet, dass er mit einem CIO zusammengearbeitet hat, der eine größere Einstellungsrunde plante. Er war der Meinung, dass sein IT-Team nicht über die erforderlichen Fähigkeiten verfügte, um erfolgreich im Wettbewerb bestehen zu können. Als er dann tatsächlich die Fähigkeiten seiner Mitarbeiter bewertete, musste er feststellen, dass sein Team tatsächlich marktführend war. Infolgedessen fielen die Einstellungen deutlich geringer aus als geplant. "Zu viele CIOs nehmen sich nicht die Zeit, ihre Stärken zu erkennen, und stellen fälschlicherweise Mitarbeiter mit Fähigkeiten ein, die sie nicht brauchen", fügt Markow hinzu.

Fehler 23: Fokus auf passive Bewerber

Personalverantwortliche halten Arbeitslose manchmal immer noch für weniger begehrenswert oder weniger wettbewerbsfähig und lassen eine Reihe möglicher Gründe für ihren Status außer Acht, berichtet Hartsock. Sie weist jedoch darauf hin, dass viele Arbeitnehmer heute ihre Arbeit aus triftigen Gründen aufgegeben oder reduziert haben, etwa um sich während COVID-19 zurückzuziehen. Hartsock ist der Meinung, dass Unternehmen ihre Einstellungszahlen steigern könnten, wenn sie aufhören würden, passiven Bewerbern hinterherzujagen. Stattdessen sollten sie mehr Energie darauf verwenden, wirklich aktive Bewerber anzusprechen - einschließlich derjenigen, die unterbeschäftigt oder arbeitslos sind und nun versuchen, wieder ins Berufsleben einzusteigen. "Es gibt keinen besseren Arbeitnehmer als jemanden, der einen Job braucht."

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer Schwesterpublikation cio.com