Heidelberger Druckmaschinen AG (Heidelberg) setzt seit zwölf Jahren M2M-Kommunkation ein, um den Ausfall von Druckmaschinen bei Kunden zu verhindern und die Druckmaschinen optimal zu warten. Nun will man die vorhandenen Maschinendaten kundenorientiert nutzen und mit diesem Angebot weiter wachsen. Aus den unterschiedlichen Vertriebsabteilungen heraus entwickelte sich die Idee, den einzigartigen Datenbestand des Herstellers (mit Informationen über die Performance zahlreicher Druckbetriebe rund um den Globus) nicht nur in einzelnen Abteilungen isoliert zu nutzen, sondern unternehmensweit zu vernetzen.
So wurde die Idee des "Heidelberg ASSISTANT" - kurz "HD Assistant" - geboren. Er soll als zusätzlicher Kanal zum Kunden etabliert werden.
Der Heidelberg Assistant zeigt, wie das künftige Informations- und Serviceportal für Heidelberg-Kunden basierend auf der Heidelberg Cloud aussehen wird. Anwender können über ihren PC, ihr Smartphone oder Tablet auf ihn zugreifen. Dabei gliedert sich das Tool in die Bereiche Print Shop, Shopping, Support und Administration. Für den Vertrieb ergeben sich zahlreiche digitale Vorteile: Heidelberg kann sämtliche Produkt- und Service-Angebote über den "HD Assistant" an alle Kunden bereitstellen und gezielte Segment-Vermarktung von maschinenspezifischen Angeboten betreiben. Der "HD Assistant" eröffnet zudem Cross-Selling-Potentiale durch einen individuellen 360-Grad-Blick auf den Kunden. Zudem kann man dem Kunden nun Beratungsprodukte zur Druckperformance anbieten und entsprechende Verbesserungsangebote machen, oder ein individuelles Benchmarking gegen die Druckmaschinen anderer Marktteilnehmer laufen lassen, was somit einem Benchmarking gegen 50-60 Prozent aller weltweit betriebenen Druckmaschinen entspricht.
Der Hersteller erweitert damit die Wertschöpfungskette des Unternehmens vom Verkauf von Druckmaschinen, Ersatzteilen, Verbrauchsmaterialien und der Instandhaltung um mehrwertstiftende Beratungsangebote, die den Kunden messbare Vorteile bringen. Die notwendigen Erfahrungswerte stammen aus einem "Big-Data-Schatz" von über 25.000 Datenlieferanten und werden in der "Heidelberg Cloud" - kurz "HD Cloud" gesammelt. Mit seinem Projekt "Heidelberg ASSISTANT" bewirbt sich das Unternehmen um den Digital Leader Award 2016 in der Kategorie Create Impact.
Projekt-Steckbrief
Finalist: Heidelberger Druckmaschinen AG
Kategorie: Create Impact
Projekttitel: Heidelberg ASSISTANT
Zeitraum des Projekts: "HD Assistant" Phase 1 (Prototyp): Oktober 2015 - Mai 2016; "HD Assistant" Phase 2 (Umsetzung) Mai 2016 - Dezember 2016
Projekt-Phase: Ein Prototyp des "HD Assistants" wurde auf der drupa 2016 (30.05. - 10.06.16) erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Aufnahme des Pilotbetriebs mit etwa 20-30 Pilotkunden ist für Dezember 2016 vorgesehen.
Größe des Projektteams: 15-20 Personen, hauptsächlich aus den Bereichen Service, Vertrieb und IT. Das Projektteam ergänzen Vertreter aus 11 Kundenunternehmen, die im Rahmen von Design-Thinking-Workshops und Einzelgesprächen die Erarbeitung von Use Cases und Prototypen wesentlich mitgestalten sowie dem Projekt als Beta-Tester zur Verfügung stehen.
Die Digitalisierungsstory
Heidelberg setzt auf das Thema Digitalisierung in Form von innovativen Anwendungen, Vernetzung und Integration auf allen Ebenen. Die Digitalisierungsstory des Unternehmens begann vor zwölf Jahren mit der Ausrüstung der Maschinen mit Sensoren sowie mit der Vermarktung der Printshop Software PRINECT, die zum Quasi-Standard im Bereich der ERP/MES-Lösungen für Druckereien wurde. Damals wollte Heidelberg über proaktiv gemeldete Maschinenfehler seine Service-Effizienz steigern. Heute kann die Heidelberg darüber die Kundenperformance mit neuen Produkten aus der "HD Cloud" steigern. Für die Zukunft entwickelt der Hersteller gerade den "HD Assistant".
Über den "HD Assistant" hat die Heidelberg zum ersten Mal einen direkten elektronischen Kundenkanal und damit die Möglichkeit, dem einzelnen Kunden alle relevanten Daten gebündelt auf einer skalierbaren Plattform anzubieten. Zum einen können jedem Kunden die Informationen seiner bisherigen Kommunikation und Geschäfte (z.B. Maschinen-, Bestell- oder Service-Incident-Historien) aufgezeigt werden. Zum anderen sind die analysierten und aufbereiteten Rohdaten der Maschinensensoren und auch die PRINECT-Daten als anonymisierte Performancedaten aus der "HD Cloud" über den "HD Assistant" verfügbar.
Durch den kundenindividuellen Zugang sind zudem spezielle Marketing-Kampagnen und Angebote möglich. So kann in der Kombination von PRINECT-Daten mit der Bestellhistorie ein Angebot über Verbrauchsmaterialien zum optimalen prognostizierten Zeitpunkt platziert werden. Darüber hinaus können jedem Kunden über seine Performance-Daten Ansatzpunkte zur Performance-Verbesserung seines Druckbetriebs im weltweiten Vergleich mit ähnlichen Produktionsbedingungen gegeben werden. Beratung soll in Zukunft also zusätzlichen Umsatz generieren.
Um den "HD Assistant" zu implementieren, gilt es zwei Herausforderungen zu meistern: Zunächst sind Projekte nicht alltäglich, die über eine weltweite und bereichsübergreifende Zusammenarbeit erfolgreich abgeschlossen werden müssen. Für die Umsetzung des "HD Assistant" arbeiten mehrere Heidelberg Geschäftsbereiche (Business Areas) mit dem Vertrieb und der IT eng zusammen, um gemeinsame Ziele zu definieren und diese mit vereinten Kräften zum Erfolg zu führen.
Die zweite Herausforderung bestand darin, die über die letzten 10 Jahre heterogen gewachsene IT-Architektur zu aktualisieren, zu harmonisieren und auf eine aktuelle Technologiebasis zu bringen. Dabei darf der operative Betrieb, z.B. das laufende Predictive Maintenance im Service nicht gefährdet werden. Gleichzeitig muss die notwendige Datenkonsistenz und -qualität in den verschiedenen Business Areas dem Geschäftsmodell entsprechend hergestellt werden.
Die Umsetzung
Die Projekte zur Digitalisierung werden in gemeinsamer Arbeit zwischen den einzelnen Fachbereichen und der IT durchgeführt. Das Projektteam setzt sich zu 40 Prozent aus Vertrieb und Service sowie zu 60 Prozent aus IT-Mitarbeitern zusammen. Während die IT für Umsetzungsmöglichkeiten das Technologie-Screening übernimmt, ist der Fachbereich für die Evaluation der geschäftlichen Potentiale passend zum Unternehmensportfolio zuständig. Im Rahmen des Design-Thinking-Ansatzes wurden externe Berater für die Einführung und Anwendung dieser Methodik beauftragt. Ziel der Workshops war es, Mehrwertangebote aus Sicht der Kunden zu definieren und daraus Use-Cases mit Umsatzpotential zu entwickeln.
Schon heute werden Maschinendaten über ein IoT-Backbone (PTC MachineCloud) übertragen und ausgelesen. Die USU-Big-Data-Architektur basiert auf OpenSource-Komponenten mit Complex Event Processing Tool in Verbindung mit einem Regeleditor als Grundlage für die derzeitigen Services Predictive Maintenance, Performance Plus und Remote Monitoring. Seit 2004 hat sich das als zuverlässige Lösung für die internetbasierte Anbindung von Sensoren erwiesen.
Derzeit baut Heidelberg ein semantisch korrektes Unternehmens-Datenmodell auf, um die aus den Maschinen anfallenden großen Datenmengen mit unterschiedlichen Datenquellen aus anderen Bereichen zu vernetzen. In einer ersten Phase sollen die wichtigsten Maschinendaten mit anderen Unternehmensdaten (z.B. SAP, CRM etc.) verknüpft werden. Weiter sollen auch externe Quellen wie beispielsweise Social Media eingebunden werden. Dafür will man in Zukunft auf ein In-Memory-basiertes Datawarehouse (BI on HANA) für Data Analytics setzen. Man stellt also auf SAP HANA um, da HANA Vorteile bei der Verarbeitung und Auswertung großer Datenmengen bringt.
Bereits in Betrieb befindliche Architektur-Komponenten werden sukzessive ersetzt. So soll der "HD Assistant", der derzeit als on-premise gehostete Plattform mit Web-Zugriff arbeitet, schrittweise in eine Public Cloud (Platform-as-a-Service) überführt werden. Für die "HD Cloud" wird auch zukünftig die PTC-MachineCloud genutzt, die in einem Rechenzentrum in Frankfurt/Main steht. Das Cloud-Rechenzentrum ist ISO27001 und TRUSTe Privacy-zertifiziert und unterliegt durch seinen Standort den strengen Datenschutzrichtlinien der EU. Im gleichen Rechenzentrum wird auch das zentrale ERP-System betrieben.
Die Heidelberg hat sich in den vergangenen drei Jahren mit den Wachstumsfeldern "Digital" und "Services" strategisch neu ausgerichtet. Der Prozess, vom Maschinenbauer auch zum Dienstleistungsunternehmen zu werden, wird vom Gesamtvorstand vorangetrieben. Daher betrachtet das Maschinenbauunternehmen die digitale Transformation als Unternehmens- und Teamaufgabe und hat keine allein verantwortliche Ressource installiert.
Der Business-Nutzen
Derzeit befindet sich das Projekt noch in der Entwicklungs- und Umsetzungsphase. Doch schon jetzt geht Heidelberg davon aus, dass sich der "HD Assistant" in Verbindung mit der "HD Cloud" auszahlen wird. So sollen durch die Prognosefähigkeit von Big Data und durch die Analyse von "Triggern" Bedarfe an Verbrauchsmaterialien und Ersatzteilen zuverlässig prognostiziert werden. Damit zielt man auf eine Steigerung des Umsatzes je Kunde ab.
Die Verknüpfung des Webshops mit dem "HD Assistant" soll zudem die Transaktionskosten beim Verkauf von Verbrauchsmaterialien senken. Durch die Bereitstellung der "HD Assistant"-Plattform für alle Kunden wird zudem die potentielle Kundenbasis erweitert. Ob es für Heidelberg und ihr Projekt "Heidelberg ASSISTANT" zum Sieg in der Kategorie Create Impact des Digital Leader Award 2016 reicht, zeigt sich auf der Award-Gala am 29. Juni 2016.