Präzisionslandwirtschaft

Weichen für das Smart Farming werden gestellt

16.03.2016
Von Thorsten Thiede
Die Digitalisierung hat auch die Landwirtschaft erfasst. „Präzisionslandwirtschaft“ ist das Gebot der Stunde: Die Betriebe haben die Chance, die landwirtschaftliche Wertschöpfungskette im Detail zu gestalten. Ein Teil der Arbeit kann an die Agrarzulieferer ausgelagert werden.

Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie stehen vor vielfältigen Herausforderungen. Die Verbraucher wünschen hochwertige Nahrungsmittel zu geringen Preisen - und das unter größtmöglicher Berücksichtigung des Tier- und Umweltschutzes. Um das zu erreichen, gilt es, Produktions- und Management-Prozesse zu verbessern. Durch technisch gestützte Verfahren zur Individualisierung der Feldbewirtschaftung und der Nutztierhaltung, das sogenannte Precision Farming, sollen Pflanzen und Tiere in einem Agrarbetrieb genau die Behandlung erhalten, die sie gerade benötigen.

Präzisionslandwirtschaft: Die Digitalisierung hat auch die Landwirtschaft erfasst.
Präzisionslandwirtschaft: Die Digitalisierung hat auch die Landwirtschaft erfasst.
Foto: Baywa

Bei Schädlingsbefall etwa werden ausschließlich betroffene Pflanzen mit Pestiziden behandelt. In der Nutztierhaltung bekommen Kühe Futterzugaben entsprechend ihrem individuellen Bedarf. Roboter, Drohnen und Sensoren ermöglichen die Erhebung von exakt jenen Informationen, die für eine Landwirtschaft nach Maß erforderlich sind.

Besser vermessen mit Drohnen

Mit Drohnen kann ein Agrarbetrieb seine Nutzflächen vermessen, die Bewirtschaftungsdichte berechnen sowie Wachstum und Entwicklung seiner Pflanzen und Tiere kontrollieren. Sie geben dem Landwirt ein zusätzliches Paar Augen - ähnlich wie Satelliten, mit denen sich Felder und Weiden überwachen sowie landwirtschaftliche Maschinen über GPS-Signale steuern lassen. Schon in den 80er Jahren begann zudem die Robotertechnik in die Landwirtschaft Einzug zu halten, damals zunächst in Form von Schrittzählern und Melkmaschinen. Inzwischen sind weitere wertvolle Helfer verfügbar. Roboter erkennen Unkräuter, entfernen sie in Sekundenschnelle rückstandslos aus dem Boden und sammeln dabei wertvolle Daten über die Pflanzen und ihre Umgebung.

Der intelligente Agrarbetrieb

Mit dem Internet der Dinge, in dem vernetzte Gegenstände kommunizieren, nimmt eine weitere Innovation Fahrt auf. In Zukunft werden alle technischen Komponenten eines Agrarbetriebs Daten sammeln, untereinander austauschen und verwerten können. Sensoren ermitteln dann beispielsweise Bodenfeuchtigkeit, Windverhältnisse und Sonneneinstrahlung, um anhand der gemessenen Werte automatisch das Bewässerungssystem zu steuern oder die Bestellung eines erforderlichen Düngemittels auszulösen. In der Viehwirtschaft lassen sich mit Sensoren der Zustand der Tiere und ihre Umgebung überwachen - vom Ernährungs- und Bewegungsverhalten bis hin zur Luftqualität und Temperatur im Stall. Bei Abweichungen ist der Landwirt in der Lage, Maßnahmen einzuleiten, um Schaden abzuwenden.

Die Vorteile einer datengetriebenen Landwirtschaft lassen sich allerdings nur dann nutzen, wenn aus den Daten die erforderlichen Maßnahmen abgeleitet werden können. Nicht immer kann das der Landwirt in vollem Umfang selbst tun. Zulieferer hingegen können mit entsprechenden Systemen auch sehr große Datenmengen analysieren und dem Landwirt auf Basis der Ergebnisse bestmögliche Lösungen anbieten. Hier kann ein CRM-System die Grund­lage für eine erfolgreiche Informationsverwertung sein.

Die Kopplung bestehender Kundendaten im CRM-System mit den Daten, die der Landwirt durch neue Techniken sammelt, kann Voraussetzung und Basis für dessen proaktive Beratung und individuelle Betreuung werden. Nur wenn die Landwirte bereit sind, ihre Informationen zu teilen, kann eine datenbasierte Landwirtschaft erfolgreich sein. Agrar­betriebe können dann von den Analysemöglichkeiten ihrer Lieferanten sowie von exakt zugeschnittenen Angeboten profitieren.

Daten sind zukünftig das Kapital der Agrarzulieferer. Sie helfen, Angebote zu optimieren sowie passgenaue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln. Für eine digitalisierte Landwirtschaft ist es allerdings unerlässlich, dass die Beziehung zwischen Lieferant und Landwirt im Direktkontakt gepflegt und stabilisiert wird. Agrarzulieferer, die schon heute eine Strategie für die Landwirtschaft der Zukunft verfolgen, haben einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil.

Dass Zulieferer auch untereinander Daten austauschen, ist für die Optimierung der gesamten Agrarkette von Bedeutung. Erfasst eine Melkmaschine beispielsweise, dass einige Kühe zu wenig Milch geben, können Futtermittel-Lieferanten auf Basis dieser Information einen neuen Futterplan für diese Tiere anbieten - und weiterverarbeitende Unternehmen sich sogar vorausblickend auf eine geringere Milchmenge einstellen. Wenn all diese Daten miteinander kombiniert werden, kann die Agrarkette als Ganzes mehr für ihre Zielgruppe, den Landwirt, erreichen. Indem die Daten gemeinsam genutzt werden, entwickelt sich eine erfolgreiche Präzisionslandwirtschaft, und der Agrarsektor wird zukunftsfähig.

Riesiges Wertschöpfungspotenzial

Einer Studie des ITK-Branchenverbands Bitkom zufolge steckt in der digitalen Vernetzung der einzelnen Produktionsschritte in der Landwirtschaft ein Wertschöpfungspotenzial von rund drei Milliarden Euro in den kommenden zehn Jahren.

Die Effekte werden vor allem durch den Einsatz mobiler Geräte für die Planung und Steuerung der landwirtschaftlichen Produktion sowie in der Ad-hoc-Vernetzung von Landmaschinen erzielt.

Derzeit verwenden knapp 20 Prozent der Landwirte Spezialsoftware für ihre Einsatzgebiete. Nur wenn Landwirte die Skepsis gegenüber IT-gestützten Systemen und Managementsoftware verlören und neuen Konzepten eine Chance gäben, könne das Potenzial ausgeschöpft werden, meint der Verband. Auch sollten Startups mit guten Ideen für eine digitalisierte Landwirtschaft besser gefördert werden.

Geschäftsmodelle, die Daten rund um Düngemittelregulierung, Wetter, Kraftstoff- und Saatgutpreise, Kriterien für Agrarsubventionen etc. aufgriffen, hätten gute Per­spektive.

Digital Farming auf der CeBIT

Drohnen sind für die digitalisierte Landwirtschaft interessant, ermöglichen sie doch eine genaue Analyse von Böden und Feldfrucht durch Luftbilder. Hinweise auf Mangelerscheinungen, Schädlingsbefall oder Bewirtschaftungsfehler können frühzeitig genutzt und im Bedarfsfall auch Pflanzenschutzmittel zielgenau ausgebracht werden. In Halle 16 erfahren Interessenten beim Dronemasters Summit alles über Drohnentechnik.

Das IoT Forum in Halle 13 beschäftigt sich mit dem Internet der Dinge - der Basistechnik für Digital Farming. Mobile Endgeräte, Wearables und Sensoren werden in der Landwirtschaft zu einem beherrschenden Thema. Die Anwendungspalette reicht von der GPS-basierten Fuhrparksteuerung über das Vieh, dessen Vitaldaten erfasst und ausgewertet werden, bis hin zu intelligenten Messeinrichtungen, die den Zustand von Ackerböden analysieren.

Am Donnerstag, 17. März 2016, findet in Halle 7 der Thementag "Geoinformation/Geodäsie/Landmanagement/Kartographie" statt.