Lernender Supercomputer

Watson ist für IBM noch kein großes Geschäft

08.01.2014
Von 
Thomas Cloer war Redakteur der Computerwoche.
Seit drei Jahren arbeitet IBM daran, seinen "Jeopardy"-Gewinner-Computer "Watson" zu kommerzialisieren - bislang allerdings mit eher bescheidenem Erfolg.

Das berichtet das "Wall Street Journal" unter Berufung auf die Mitschrift einer konzerninternen Telefonkonferenz von CEO Virginia "Ginni" Rometty mit verschiedenen IBM-Managern. Dem Transkript zufolge lag der Watson-Umsatz von "Big Blue" Ende Oktober 2013 bei weniger als 100 Millionen Dollar.

IBM hat allerdings deutlich ambitioniertere Ziele: Rometty hofft, dass der "lernende" Supercomputer binnen zehn Jahren auf 10 Milliarden Dollar Jahresumsatz kommt. Zuvor hatte der Watson verantwortliche Manager Manoj Saxena erklärt, sein Business-Plan sehe die erste Umsatzmilliarde für das Jahr 2018 vor. Watson wäre damit der Geschäftsbereich, der am schnellsten diese Rekordmarke erreicht hätte.

IBM glaubt weiterhin daran, dass Watson neben dem PC und dem Mainframe zu einer der größten Innovationen in der mittlerweile 103-jährigen Konzerngeschichte werden könnte. Laut "WSJ" plant der Konzern für Donnerstag auch eine wichtige Ankündigung im Watson-Bereich.

Wichtigster Unterschied zwischen Watson und anderer analytischer Software ist die Fähigkeit des Spezialrechners zu "lernen" - anschließend könnte das System beispielsweise im Gesundheitswesen die beste Behandlungsmethode für Krebspatienten vorschlagen oder einem Aktionär nach Analyse seines Portfolios eine Investment-Strategie empfehlen.

Allerdings gestalten sich solche Vorhaben laut IBM-internen Dokumenten und Interviews mit ersten Watson-Kunden doch schwieriger als der publikumswirksame Sieg in der TV-Rateshow "Jeopardy". Das "Lernen" von Watson setzt nämlich unter anderem voraus, dass IBM-Entwickler die technischen Details des jeweiligen Kundengeschäfts durchdringen und die Anforderungen in brauchbare Software umsetzen - ein mühsamer Prozess.

Außerdem funktioniert Watson nicht mit der Technik des von IBM für zwei Milliarden Dollar übernommenen Cloud-Infrastruktur-Anbieters Softlayer. Und überhaupt habe IBM bislang noch keinen Weg gefunden, mit Watson einen zuverlässigen Umsatzstrom zu generieren.

Den mit 15 Millionen Dollar bis dato größten Watson-Deal hat IBM dem Bericht zufolge mit dem M.D.-Anderson-Krebszentrum der Universität von Texas unter Dach und Fach gebracht. Dort arbeiten Mediziner seit rund zwei Jahren an einer Möglichkeit, durch Mining medizinischer Fachliteratur Therapien für Leukämie-Patienten vorzuschlagen. Das System soll nach Angaben von Lynda Chin, die beim M.D. Anderson die Genom-Medizin leitet, später in diesem Jahr einsatzfähig sein. Auf weitere Krebstypen könne es möglicherweise nach zwei weiteren Jahren ausgeweitet werden.

Das texanische Projekt war zuvor allerdings alles andere als rund gelaufen, berichtet das "Wall Street Journal" weiter. Anfänglich habe es große Verständigungsschwierigkeiten zwischen Ärzten und IBM-Ingenieuren gegeben. Die hätten zudem woanders gearbeitet und nur alle paar Wochen in Houston die Mediziner zu Gesprächen getroffen. Im vergangenen Frühjahr trafen sich dann aber Chin und der Watson-CTO mindestens einmal pro Woche; mittlerweile sitzen die IBM-Entwickler sogar mehrmals wöchentlich mit Ärzten zusammen. "Das war für uns alle mühsam, aber das Produkt ist jetzt viel besser", bilanziert Dr. Chin.