Es geht eben doch nicht alles automatisch

Was steckt wirklich hinter Marketing-Automation?

09.07.2015
Von 

Amelie Höllersberger schreibt als Expertin zu den Themen Marketing Automation und Lead Management. Als Marketing Managerin ist sie Teil der ec4u marketing experts ag, die ihre Kunden u.a. bei der Einführung von Marketing Cloud Lösungen unterstützt. Mit ihren Artikeln möchte sie zum Nach- und Überdenken animieren.

Viele Unternehmen sind bis dato noch der Meinung, es würde ausreichen ein Marketing Automation System zu installieren, um effektives und zielgerichtetes Marketing zu betreiben. Dass mit der Implementierung eines solchen Tools noch eine Vielzahl an Prozessen, Definitionen und Ressourcen benötigt werden, ist oftmals wenig bekannt.

Stellen Sie sich vor, Sie möchten ein Haus bauen. Was benötigen Sie dafür?
Mit der Idealvorstellung ihrer vollverglasten Villa im Kopf kaufen Sie einen Bauplatz und holen die nötigen Genehmigungen ein. Der erstellte Bauplan entscheidet nun darüber, welches Material und welche Maschinerie Sie benötigen. Um die Arbeit zu stemmen, engagieren Sie entweder eine Baufirma oder greifen auf das Knowhow und die Erfahrung erfahrener Freunde und Bekannte zurück. Und natürlich benötigen Sie viel Zeit für dieses Projekt.

Um Marketing-Automation zu einem effizienten Werkzeug auszubauen, ist ein genauer Bauplan nötig.
Um Marketing-Automation zu einem effizienten Werkzeug auszubauen, ist ein genauer Bauplan nötig.
Foto: Frank Boston - shutterstock.com


Wie absurd wäre es, jemand käme auf die Idee, nur mit Hilfe eines Betonmischers und eines Schaufelbaggers ein Haus zu bauen. Oder?

Ein Tool allein macht keine Marketing Automation

Gespiegelt auf die Welt des Marketings eine gar nicht mal so abwegige Vorgehensweise. Wieviele von uns nehmen doch immer wieder an, dass einzig und allein die Implementierung oder Installation eines Tools oder Gadgets sie zum absoluten Experten macht.

Es ist doch aber auch ein tolles Gefühl, die zahlreichen Tools aufzuzählen, die man theoretisch beherrscht. Erweckt es doch den Eindruck, man würde in einem hochmodernen, Unternehmen arbeiten, das mit dem Zahn der Zeit geht.

Mit Werkzeugen alleine ist es nicht getan. Man muss sie auch bedienen können.
Mit Werkzeugen alleine ist es nicht getan. Man muss sie auch bedienen können.
Foto: Mariusz Szczygiel - shutterstock.com

Aus Erfahrung kann ich Ihnen, zumindest was Marketing Automation Tools betrifft, versichern, dass nach der reinen Implementierung eines Systems, noch einiges an Arbeit, Zeit und Nerven auf Sie zukommen wird. Da wären zum Beispiel:

  • die Entwicklung Ihrer Zielgruppen,

  • die Ausrichtung Ihrer Inhalte auf die Zielgruppen,

  • die stufenweise Definition Ihres Lead Ratings und

  • der Prozess des Lead Nurturings, das in Verbindung mit dem Progressive Profiling einhergeht.

Und letztendlich benötigen Sie auch die Ressourcen, die diese Elemente in ihrem System implementieren und steuern beziehungsweise bedienen können.

Mangelware in der Marketing Automatisierung

Mit dieser Behauptung stehe ich beileibe nicht alleine da. Das Unternehmen SiriusDecisions, das spezialisiert auf Analysen rund um Vertrieb und Marketing ist, spricht darüber in seiner Studie "B-to-B Marketing Automation". Dort heißt es unter anderem, dass es bis dato in der Marketing Automatisierung an zwei essenziellen Dingen mangelt: Erfahrungen und Ressourcen.

Mehr als nur ein erweitertes E-Mail Marketing

Natürlich bewerben die meisten Hersteller ihre Software mit "It's easy going" und suggerieren ihren Kunden, dass sie praktisch gleich nach der Implementierung des Systems mit mehrstufigen Trigger-Kampagnen inklusive automatischem Lead Scoring, starten können. Marketing Automation scheint also nur die erweiterte Form eines E-Mail Marketing Tools zu sein. Mit dem einzigen Unterschied, dass es effizienter und erfolgreicher macht.

Tools installieren und dann geht alles von alleine - schön wär's.
Tools installieren und dann geht alles von alleine - schön wär's.
Foto: Zhukov Oleg - shutterstock.com

Ausgestattet mit diesem Fehldenken legen viele Unternehmen dann auch gleich los. Das Marketing Automation Tool wird anstelle des E-Mail Tools verwendet und verschickt die altbewährten breit gestreuten E-Mail-Kampagnen an die komplette Kundendatenbank. Laut der oben erwähnten Studie, spicken 64 Prozent der Unternehmen diese dann weiterhin mit statischen Formularen, um die nötigen Informationen aus ihren Leads "herauszukitzeln". Hochgelobte und lang diskutierte Dinge wie Lead Nurturing oder Progressive Profiling finden niemals statt. Und so ist es dem Marketing fast unmöglich "qualifizierte" Leads für den Vertrieb zu generieren. Dort ist dann auch die Enttäuschung groß, denn mit der großartigen Aussicht auf hochqualifizierte Leads wurden sie im Vorfeld ja an Bord geholt.

Know How und Ressourcen werden ausgelagert

Seit 2011 ist die Zahl der Unternehmen, die mit Marketing Automation arbeiten, deutlich in die Höhe gestiegen. Einerseits sehr erfreulich, andererseits geradezu erschreckend, wenn man diese Zahl ins Verhältnis mit den sogenannten "Power Usern" setzt. Diese Zahl lässt sich aber auch dadurch erklären, dass ein großer Teil der Unternehmen Routinetätigkeiten wie Kampagnen, Landing Pages oder integriertes Lead Management an externe Dienstleister überträgt und sogenannte "Demand Center" betreibt. So stellt man die hunderprozentige Effektivität des Systems sicher und muss sich gleichzeitig keine Gedanken über die aufwändige Bedienung des Systems machen.

Aufgabe an Sie: Durchstöbern Sie doch mal Ihr Xing-Profil. Welche Tools unter "ich biete" beherrschen Sie wirklich und welche Tools haben Sie nur erwähnt, weil ihr Unternehmen sie installiert hat? (bw)