Im April 2016 erfolgte die Zustimmung seitens des EU-Rats und des EU-Parlaments zur neuen Datenschutzverordnung. Am 04. Mai 2016 wurde sie im Amtsblatt veröffentlicht. Die EU-Datenschutzgrundverordnung tritt damit am 25. Mai 2016 in Kraft und gilt ab 25. Mai 2018. Dann gelten für alle EU-Länder die gleichen Datenschutzstandards.
Es war dringend an der Zeit: Die bisherigen Datenschutzregeln stammen aus dem Jahr 1995. Zu weiten Teilen veraltet, wurden sie in den einzelnen Ländern der Gemeinschaft auch unterschiedlich umgesetzt. Wie geht es aber nun weiter? Was bleibt, was verändert sich? Welche Verbesserungen oder Herausforderungen bringt die EU-DSGVO mit sich?
Eines jedenfalls steht fest: Betroffen sind von den Änderungen alle! Unternehmen, für die es schon jetzt ratsam ist zu prüfen, welche Änderungen relevant sind, wo Anpassungsbedarf besteht sowie welche Ressourcen notwendig werden, um dem neuen Standard gerecht zu werden. Aber auch jeder Einzelne, sowohl als Teil der Wirtschaft als auch als Privatperson, insbesondere als Nutzer des Internets, sollte sich damit auseinandersetzen.
Regelung mit Durchgriffswirkung
Die Vereinheitlichung nationaler Gesetze zum Umgang mit personenbezogenen Daten ist das große Hauptanliegen der neuen Verordnung. Entsprechend heißt es in Artikel 99 "…..Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedsstaat." Der bisherige Flickenteppich nationaler Regelungen gehört damit der Vergangenheit an. Als allgemeine Regelung mit unmittelbarer innerstaatlicher Geltung, verfügt die neue EU- DSGVO über eine "Durchgriffswirkung". Diese grundsätzliche Vollharmonisierung ersetzt nationales Datenschutzrecht.
Übergangsfrist und Öffnungsklauseln für nationale Umsetzung
Zwei Jahre, bis 25. Mai 2018, haben die einzelnen Länder jetzt Zeit, die EU-Verordnung mit ihrer nationalen Gesetzgebung in Einklang zu bringen. In bestimmten Bereichen gibt es Öffnungsklauseln für den nationalen Gesetzgeber, die es vor Inkrafttreten der EU-Datenschutzgrundverordnung zu regeln gilt.
Die Liste reicht von Gesundheit und Forschung über den Arbeitnehmerdatenschutz und den Datenschutzbeauftragten bis hin zu Berufsgeheimnissen. Auch die Bedeutung des zukünftigen EU-Datenschutzrechts für Unternehmen und Betriebe im Detail, sprich für den für die Verarbeitung Verantwortlichen (im BDSG bisher die verantwortliche Stelle), zählt dazu.
Was ändert sich mit dem neuen Recht für Unternehmen?
Ob das EU-Datenschutzgesetz wirklich strenger als das bisherige deutsche Recht ist, wird kontrovers diskutiert. Wie so oft kommt es auf den Blickwinkel des einzelnen Unternehmens an. Die EU schraubt an vielen Stellen:
1. Bußgelder
Waren sie bisher kaum ein Thema, macht Brüssel bei den Sanktionen nun Ernst. Sie sollen "wirksam und abschreckend" sein (Art. 83). Halten sich Unternehmen oder ein Betrieb nicht an die neuen Vorgaben, drohen empfindliche Geldbußen, beispielsweise bei Verstößen gegen Organisationsregeln bis zu zwei Prozent des Umsatzes oder zehn Millionen Euro - je nachdem, welche Summe höher ist. Bei Verstößen gegen Zulässigkeit und Rechte der Betroffenen sollen zukünftig Bußgelder bis 20 Millionen Euro oder vier Prozent des weltweiten Jahresumsatzes verhängt werden. Der Bußgeldkatalog ist bindend. Die Aufsichtsbehörden haben keinen Ermessensspielraum.
2. Haftung betrieblicher Datenschutzbeauftragter
Eine Bestellpflicht besteht künftig, wenn die Bedingungen unter Kapitel 4 Abschnitt 4 Artikel 37 gegeben sind. Da eine nationale Öffnungsklausel existiert, wird Deutschland vermutlich Paragraf 4f des Bundesdatenschutzgesetzes übernehmen. Zu den bisherigen Aufgaben des Datenschutzbeauftragten - Sicherstellungs- und Hinwirkungsauftrag - wird jedoch ein Überwachungsauftrag hinzukommen.
Da der Datenschutzbeauftragte die Umsetzung datenschutzrechtlicher Vorschriften nicht selbst vornehmen kann, konnte er bislang auf die Einhaltung von Gesetz und Vorschriften zum Datenschutz nur hinwirken. Die EU-DSGVO verlangt zukünftig die Überwachung, dass alle Vorgaben und Regeln eingehalten werden. In der Konsequenz haften Unternehmer und Datenschutzbeauftragte nun auch persönlich.
3. Nachweispflicht und Unterrichtung
Die Unternehmen und Betriebe müssen, wie bisher auch, wirksame Datenschutzrichtlinien einführen und ihre Mitarbeiter schulen. Neu ist, dass die Einhaltung nachgewiesen werden muss. Ein effektives Datenschutz-Managementsystem inklusive Risikoanalysen, Strukturen, Prozessen, Kontrollen und Change Management wird notwendig. Des Weiteren müssen Unternehmen betroffene Personen über deren Datenverarbeitung künftig umfassender und früher informieren. Bei Nichtbeachtung drohen hohe Bußgelder.
4. Datenschutz-Folgeabschätzung
Neu ist auch die Pflicht zur Datenschutz-Folgeabschätzung (Art. 35). Wobei, so ganz neu ist das Thema nicht. §4d BDSG regelt dies bereits mit der Vorabkontrolle. Setzt ein Unternehmen eine neue Technik oder ein neues System zur Datenverarbeitung ein, sollen Risiken für betroffene Personen erkannt und bewertet werden. Angesichts der unterschiedlichen Interessen und Rollen der Beteiligten, sollen so Grundrechtsverletzungen verhindert werden. Die sechs Schutzziele, wie Verfügbarkeit, Integrität und Vertraulichkeit sowie aus den Datenschutzzielen die Nichtverkettbarkeit, Transparenz und Intervenierbarkeit, werden nicht nur aus der Unternehmensperspektive zur Sicherung der Geschäftsprozesse betrachtet.
Vielmehr geht es um die Organisation selbst, die Daten verarbeitet und als Risiko betrachtet wird. Wenn also eine Datenverarbeitung voraussichtlich hohe Risiken für die persönlichen Rechte und Freiheiten betroffener Personen zur Folge hat, muss das Unternehmen eine umfassende Vorprüfung vornehmen, dokumentieren und gegebenenfalls später mit der Datenschutzbehörde abstimmen.
5. Funktionsübertragung ade
Lange diskutiert wurde die Abgrenzungsfrage, wann die Tätigkeit eines Dienstleisters aus seiner technischen Unterstützung in die eigenverantwortliche Verarbeitung im Sinne des §3 Abs. 7 BDSG übergeht. Nach der neuen EU-Vorgabe, hat der für die Verarbeitung Verantwortliche grundsätzlich die Zwecke der Verarbeitung vorzugeben, dem Auftragsverarbeiter bleibt jedoch die Entscheidung über die Mittel. Dadurch werden die bisherigen Funktionsübertragungen in Zukunft regelmäßig unter die Auftragsverarbeitung fallen. (Art. 26 DS-GVO regelt die Auftragsverarbeitung in Verbindung mit Art. 24)
6. Weltweite Geltung
Die Datenschutzgrundverordnung soll nicht nur innerhalb der Europäische Union gelten, sondern weltweit. Auch Unternehmen im Ausland müssen den europäischen Datenschutz einhalten, wenn sie Daten von Personen aus der EU verarbeiten, diesen Personen Waren und Dienstleistungen anbieten.
Neue Rechte für betroffene Personen
Datenschutz klingt vordergründig, als müssten Daten geschützt werden. Doch vielmehr geht es um den Schutz all der Personen, welche diese Daten "verursachen". Die Schutzwürdigkeit der Persönlichkeitsrechte liegt dem Datenschutz zugrunde bzw. macht ihn überhaupt erst notwendig. Demzufolge ist es nur logisch, dass die neue EU-Datenschutzgrundverordnung insbesondere die Rechte der betroffenen Personen stärkt.
1. Recht auf Löschung
An erster Stelle sei das neue "Recht auf Vergessenwerden" (Art. 17) genannt. Es bedeutet, dass bei der Veröffentlichung von Daten angemessene, auch technische, Maßnahmen ergriffen werden müssen, um dritte Parteien über einen Löschungswunsch informieren zu können. Damit haben Nutzer zukünftig das Recht, Informationen leichter wieder löschen zu lassen. Auch der Empfänger, an den ein Unternehmen Daten weitergegeben hat, muss über eine Löschung informiert werden.
2. Recht auf Datenübertragbarkeit
Ein weiteres neues Recht stellt die Datenportabilität (Art. 18) dar. Sie begründet den Anspruch Betroffener auf eine Kopie verarbeiteter Daten, wobei die Übergabe in gängigem, strukturiertem Format erfolgen muss. Für Unternehmen wird die Umsetzung dieser Regelung sicherlich aufwändig und auch teuer werden. Die Datenportabilität gilt auch, wenn beispielsweise ein Arbeitsverhältnis endet.
3. Koppelungsverbot
Vertragliche Zusatzleistungen dürfen nicht mehr daran geknüpft werden, dass die betroffene Person in die Verarbeitung der Daten einwilligt. Dies betrifft vor allem das gängige Procedere "Dienst gegen Daten".
4. Arbeitnehmerdatenschutz
Für den Arbeitnehmerdatenschutz (Art. 88) gibt es eine nationale Öffnungsklausel. Es bleibt abzuwarten, wie die Bundesregierung mit der Öffnungsklausel hinsichtlich des Arbeitnehmerdatenschutzes umgeht. Es ist davon auszugehen, dass § 32 BDSG"Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses" weitestgehend unverändert bleibt. Betriebsvereinbarungen sind weiterhin eine Alternative, setzen jedoch eine gute Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat voraus.
Firmen müssen ihre IT-Systeme nach dem Grundsatz der Erforderlichkeit und Zweckbindung gestalten: Beispielsweise sollen von vornherein nur so viele personenbezogene Daten gesammelt und verarbeitet werden, wie es zur Erreichung des Zweckes konkret notwendig ist. Wenn immer möglich, sind diese Daten zu pseudonymisieren. Insbesondere dem Grundsatz Datenschutz durch Technik (data protection by design) und datenschutzfreundliche Voreinstellungen (data protection by default) ist hier Genüge zu tun.
Das Wichtigste auf einen Blick
Nutzer erhalten das Recht, Informationen leichter wieder löschen zu lassen ("Recht auf Vergessenwerden") und Daten von einem Anbieter zum nächsten mitzunehmen ("Portabilität").·
Zugleich wird das Alter, ab dem man sich bei Online-Netzwerken wie Facebook oder WhatsApp anmelden darf, in einigen europäischen Ländern von 13 auf 16 Jahre steigen.·
Internet-Konzerne wie Google, Facebook & Co müssen sich die Zustimmung zur Datennutzung ausdrücklich einholen und ihre Produkte datenschutzfreundlich voreinstellen ("Privacy by Design"). Daran sind nicht nur europäische Unternehmen gebunden, sondern beispielsweise auch US-Firmen.·
Bei Verstoß gegen die Datenschutzregeln können gegen Unternehmen Strafen von bis zu vier Prozent des weltweiten Jahresumsatzes verhängt werden.
Unternehmen sind gut beraten, sich bereits jetzt auf das Inkrafttreten der neuen EU-Datenschutzgrundverordnung vorzubereiten. Unabhängig davon, wie Bestimmungen mit Öffnungsklauseln in der nationalen Umsetzung konkret ausformuliert werden, führt an der verschärften Regelung kein Weg vorbei.
Handlungsempfehlungen
Damit es kein "böses Erwachen" gibt, sollten die betrieblichen Vorarbeiten baldmöglichst anlaufen - im Einzelnen bedeutet dies:
Prüfen Sie bereits jetzt, welche Systeme im Unternehmen von der neuen Gesetzgebung betroffen sind.
Prüfen Sie Ihr bestehendes Datenschutzmanagement-System auf Gesetzeskonformität.
Wo steht Ihr Unternehmen jetzt und was ist wann zu tun, um den zukünftigen gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden?
Führen Sie eine Risiko-Analyse durch. Welche Risiken und Gefährdungen drohen Ihrem Unternehmen?
Planen Sie Ihre Ressourcen - sowohl im Hinblick auf Mitarbeiter als auch auf das Budget. Es gibt viele Veränderungen und vieles wird anzupassen sein.
Erstellen Sie einen Plan. In größeren Unternehmen wird die Transformation auf die Datenschutzgrundverordnung eine große Herausforderung. Beginnen Sie rechtzeitig - einige Arbeitsschritte können schon jetzt umgesetzt werden.
Die EU-DSGVO sieht vor, dass die meisten Unternehmen einen Datenschutzbeauftragten bestellen müssen. Unabhängig davon, wie der deutsche Gesetzgeber mit der Öffnungsklausel umgeht: Jetzt ist der beste Zeitpunkt, die interne Situation zu prüfen und sich rechtzeitig externe Unterstützung zu holen.
Das neue Datenschutzgesetz sieht umfassende Rechenschafts- und Dokumentationspflichten vor. Überlegen Sie, wie und mit welchen Mitteln Sie dies zukünftig gewährleisten können.
Dies alles verursacht (hohe) Umsetzungskosten. Planen Sie diese auch in Ihr zukünftiges Budget ein.
Datenschutz ist kein Produkt, Datenschutz ist ein Prozess! Unter diesem Aspekt betrachtet, werden auch die Herausforderungen der neuen EU-Datenschutzgrundverordnung zu meistern sein.
- Ein Gesetz für alle
EU-weit gelten die gleichen Datenschutzregeln. Das bedeutet auch eine gestiegene Verantwortung und Haftung für alle, die persönliche Daten verarbeiten. - "Recht auf Vergessen"
Wollen Nutzer ihre Daten nicht weiter verarbeitet sehen, werden diese gelöscht - vorausgesetzt, es spricht aus juristischer Sicht nichts dagegen. - "Opt-in" statt "Opt-out"
Sollen persönliche Daten verabeitet werden, müssen Nutzer aktiv zustimmen (und nicht aktiv widersprechen wie bisher). - Recht auf Transparenz
Nutzer haben ein Recht auf Transparenz - sie dürfen erfahren, welche Daten über sie gesammelt und wie diese verarbeitet werden. - Zugang und Portabilität
Der Zugang zu den bei Dritten über einen selbst gespeicherten Daten soll einfacher möglich sein. Zudem ist die Dartenportabilität zu gewährleisten - also sicherzustellen, dass persönliche Informationen leichter von einem Dienstanbieter zu einem anderen übertragen werden können. - Schnellere Meldung
Tritt ein Datenverlust auf, müssen Unternehmen und Organisationen im Regelfall binnen 24 Stunden, mindestens aber so schnell wie möglich ihrer behördlichen Meldepflicht nachkommen. - Weniger Behördenchaos
Unternehmen müssen sich nur noch mit einer einzigen Aufsichtsbehörde auseinandersetzen - und zwar dort, wo sie ihren Hauptsitz haben. - Grenzübergreifend
Privatanwender dürfen jeden Fall von Datenmissbrauch an ihre nationale Aufsichtsbehörde melden - selbst dann, wenn die betroffenen Daten im Ausland verarbeitet wurden. - Erweiterter Geltungsbereich
Die EU-Richtlinie gilt auch für Unternehmen, die keinen Sitz in der EU haben, sobald sie Waren oder Dienstleistungen in der EU anbieten oder auch nur Online-Marktforschung unter EU-Bürgern betreiben. - Höhere Bußgelder
Verstößt ein Unternehmen gegen die Datenschutzbestimmungen, droht ein Bußgeld in Höhe von bis zu vier Prozent des Jahresumsatzes. - Bürokratieabbau
Administrative Umstände wie Meldepflichten für Unternehmen, die persönliche Daten verarbeiten, entfallen. - Erst ab 16
Die rechtswirksame Anmeldung bei Internetnetservices wie Facebook oder Instagr.am soll Jugendlichen im Regelfall erst ab 16 Jahren möglich sein - weil sie erst ab diesem Lebensalter eine gültige Einwilligung in die Verarbeitung ihrer persönlichen Daten geben können. Nationale Gesetze sollen laut Datenschutzverordnung hier aber Ausnahmen möglich machen. - Stärkung der nationalen Aufsichtsbehörden
Nationale Datenschutzbehörden werden in ihren Kompetenzen gestärkt, so dass sie die neuen EU-Regeln besser umsetzen können. Unter anderem dürfen sie einzelnen Unternehmen verbieten, Daten zu verarbeiten. können bestimmte Datenflüsse stoppen und Bußgelder gegen Unternehmen verhängen, die bis zu zwei Prozent der jeweiligen weltweiten Jahreseinkünfte betragen. Darüber hinaus dürfen sie Gerichtsverfahren in Datenschutzfragen anstrengen. <br /><br />(Quelle: Forrester Research)