Tipps des Gründers Mike Finckh

Was IT-Unternehmen in China beachten müssen

02.01.2019
Von 
Freddy Staudt ist Geschäftsführer der Web&Tech PR GmbH in Puchheim.
Serienunternehmer Mike Finckh, unter anderem Geschäftsführer des Münchner IT-Distributors Concept International, arbeitet seit fast 20 Jahren mit chinesischen Partnern zusammen. Er erläutert, worauf westliche Unternehmen bei der Auswahl geeigneter Partner Wert legen sollten.
  • In China erfolgt die Umsetzung von der Idee und Produkt sehr schnell.
  • Eine Serienproduktion kann meist mit nur wenigen Tagen Vorlaufzeit angeschoben werden.
  • Was die Entwicklungen neuer Technologien angeht, befinden sich China international auf Augenhöhe.

In einer Studie der Europäischen Handelskammer in Peking zur Stimmung unter den Mitgliedern gaben 60 Prozent der befragten Firmen an, dass sie ihre chinesischen Konkurrenten mittlerweile als genauso innovativ wie sich selbst oder sogar innovativer wahrnehmen. Ein solches Ergebnis wäre vor wenigen Jahren noch undenkbar gewesen. Schließlich nahm der wirtschaftliche Aufstieg Chinas erst Ende der 70-er Jahre seinen Anfang, als das kommunistisch regierte China an geeigneten Standorten im Land Sonderwirtschaftszonen einrichtete.

Auch in China macht sich der starke Wettbewerb im IT-Sektor bemerkbar und hat sich das Anbieterfeld in den vergangenen Jahren konsolidiert.
Auch in China macht sich der starke Wettbewerb im IT-Sektor bemerkbar und hat sich das Anbieterfeld in den vergangenen Jahren konsolidiert.
Foto: My Life Graphic - shutterstock.com

In den dortigen Industriezentren wurden seinerzeit Produkte für den Export gefertigt. Damit einher ging eine starke Urbanisierung des bis dato landwirtschaftlich geprägten Reichs. Die Landbevölkerung zog es in die Städte, weil die Verdienstmöglichkeiten besser waren und die industrielle Arbeit im Vergleich zur Landwirtschaft als angenehmer empfunden wurde. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 und der fortschreitenden Globalisierung wurde auch China zu einem interessanten Wirtschaftsstandort. Westliche Industrienationen, allen voran der Automobilbranche, nahmen an, dort ständen günstige Produktionsmöglichkeiten und ein gigantischer Absatzmarkt offen.

Finckh machte 2001 erste Erfahrungen mit China, als er eine Roadshow für eine Softwarefirma organisierte. Diese führte ihn quer durch ein sich langsam der Welt öffnendes Land - von Hongkong bis an die Grenze zur Mongolei. Der damalige geschäftliche Erfolg, so Finckh, sei überschaubar gewesen. Doch gerade in China würden Menschen mit Menschen arbeiten, nicht nur Unternehmen mit Unternehmen. Oder wie ein chinesisches Sprichwort sagt: "Der kürzeste Weg zwischen zwei Menschen ist ein Lächeln." Mit anderen Worten: Durch die gemeinsam mit chinesischen Partnern verbrachte Zeit konnte er frühzeitig viele Kontakte knüpfen, die sich später als wertvoll erwiesen. Er war sich deshalb sicher, wenn die Produktionsfähigkeiten eines chinesischen Unternehmens richtig genutzt und hierzulande zielgruppengerecht vermarktet würden, würde sich der Erfolg einstellen.

Ein Partner und ein Markt finden sich

Es sollte nur eine Frage der Zeit sein, wann er mit einem Hersteller aus dem Reich der Mitte in eine Geschäftsbeziehung treten würde. 2004 diskutierte er auf der CeBIT in einem beiläufigen Gespräch am Stand des chinesischen PC-Herstellers Giada Verbesserungsvorschläge zu einem existierenden Modell. Der Sales-Verantwortliche notierte eifrig mit. "Obwohl ich als Nobody den Stand besuchte und keinerlei Commitment machte, wurde das Produkt im darauffolgenden Jahr mit meinen verwirklichten Ideen ausgestellt. Diese fast schon leidenschaftliche Bereitschaft, Produkte und Produktideen für mich zu realisieren, war der Grundstein für eine erfolgreiche, langjährige Zusammenarbeit", erinnert sich der China-Spezialist.

Als diese Hardware die technischen Tests bestanden hatte, war er restlos überzeugt. Doch nicht nur das, er nahm auch eine weitere Anregung und Erfahrung aus den China-Reisen jener Zeit mit: Zum Beispiel wie weit fortgeschritten Digital Signage in China damals schon war. "Da kam dann eines zum anderen: Die kompakten PCs von Giada konnten zwar jeden PC auf einem Schreibtisch ersetzen, aber durch ihren kleinen Formfaktor waren sie auch prädestiniert, hinter Bildschirmen in Geschäften und öffentlichen Räumen montiert zu werden und die Anzeige von Informationen und Bildern zu steuern." Die Erfahrungen aus China mit Digital Signage halfen, die Entwicklung in unserem regionalen Markt besser vorhersehen zu können und einen Bedarf gezielt zu erfüllen, der anderen PC-Herstellern noch unbekannt war. Natürlich war es immer wieder nötig, Geräte den Ansprüchen des europäischen Markts anzupassen. beispielsweise bei einigen Modellen das Kunststoffgehäuse mit einem wertigen Metallgehäuse zu ersetzen, zusätzliche Schnittstellen oder einen höherklassigen Chipsatz anzubieten oder bestimmte Zertifizierungen einzufordern.

Produktanpassung am selben Tag

Eine solche Anpassung der Produktwelt klingt schwierig oder gar unerreichbar, wenn man sie sich in der Zusammenarbeit mit westlichen Technologieherstellern vorstellt. Laut Finckh sei es aber die besondere Mentalität vieler Chinesen, die für eine erstaunlich schnelle Umsetzung von Ideen und Projekten sorge. Gerade bei der Entwicklung neuer Lösungen, wie etwa neuer PC-Modelle, lägen zwischen der von Finckhs europäischen Kunden gewünschten Funktionalität und dem ersten Modell nur wenige Tage: "In Fernost musste nicht erst jemand Schlagworte wie Design Thinking erfinden." Auch die Serienproduktion kann meist mit nur wenigen Tagen Vorlaufzeit angeschoben werden. Eine derartige Geschwindigkeit gleicht locker einen längeren Lieferweg aus und hilft Partnern und Kunden sowohl bei der Umsetzung neuer Projekte als auch beim Anbieten neuer Produkte.

Shenzhen - Hardwaremetropole und Startup-Mekka

Insbesondere die Mega-City Shenzhen zeige, wie stark die chinesische Hands-on-Mentalität die enorme wirtschaftliche Entwicklung in den vergangenen Jahren geprägt hat. Ein Zufallsprodukt war die rasante Entwicklung Shenzhens zum mittlerweile vielseitig gerühmten "Silicon Valley der Hardware" keineswegs. Sie wurde von der Regierung seit Jahrzehnten gezielt gefördert.

Mobile Payment beim Straßenhändler

Im Zuge des raschen Stadt- und Bevölkerungswachstums hat sich auch die Digitalisierung in China auf eine Art und Weise entwickelt, die die westliche Welt in Erstaunen versetzt. So ist bargeldloses Bezahlen nicht nur weit verbreitet, es ist bereits die wichtigste Zahlungsmethode. "Selbst Straßenhändler, die von ihrem Fahrrad aus kandierte Früchte verkaufen, akzeptieren die Bezahlung mit Alipay oder WeChat, den allgegenwärtigen Apps, womit man so gut wie alle alltäglichen Dinge erledigen kann." Diese von den chinesischen Unternehmen Alibaba und Tencent entwickelten Technologien und Services gelten gegenwärtig als Trendbarometer für Unternehmen weltweit.

Ebenso ist Shenzhen zu einem Mekka für Hardware-Startups avanciert, berichtet Finckh: Mitten in der Stadt können Unternehmensgründer in Maker Spaces zusammen mit Tüftlern einen Prototyp ihrer Idee entwickeln, der nahezu im Handumdrehen in den umliegenden Fabriken in Serie gehen kann. Durch den kurzen Weg von der Idee zum fertigen Produkt ist eine vielseitige und bunte Makers Culture entstanden, von der sich nicht nur digitale Vordenker, sondern auch Künstler und Kreative aus aller Welt inspirieren lassen. Von diesem Geist wurde auch Finckh inspiriert, als er sich nach 15 Jahren Tätigkeit im PC-Markt vornahm, eine Marktlücke zu füllen und den Windows-Design-PC Modinice entwickelte. Komplett in Deutschland designt, lässt der Modinice den PC in einem eleganten Monitor-Standfuß verschwinden, macht Schluss mit Kabelsalat und bietet zusätzlich eine Ladefläche für Smartphones. "Ein solches ambitioniertes Projekt kann man nur realisieren, wenn man in jahrelange Beziehungsarbeit in China investiert hat."

Forschung auf Augenhöhe mit dem Westen

Dabei wäre es zu kurz gegriffen, die chinesische Hardwareindustrie auf Auftragsfertigung zu reduzieren. Die Forbes-Liste der 2000 größten Unternehmen weltweit nach Marktkapitalisierung wird mittlerweile nach den USA von China dominiert. Chinesische Konzerne platzieren zunehmend erfolgreich Consumer-Produkte unter eigenen Marken auf dem Weltmarkt. Doch über lange Zeit war es vor allem der B2B-Markt, der zu dem starken Wirtschaftswachstum und der sprunghaften Entwicklung des Know-hows beitrug. Die Forschung und Entwicklung wird in führenden chinesischen Unternehmen weiter vorangetrieben. Finckh ist sich sicher: "Was die Entwicklungen neuer Technologien wie künstlicher Intelligenz (KI) angeht, befinden sich die Institute der Hochschulen auf Augenhöhe mit den Kollegen im Westen." Die eingangs erwähnte Innovationskraft wurde lange unterschätzt oder absichtlich kleingeredet.

Seit diesem Jahr hat das Land sich zudem weiter geöffnet. War für ausländische Unternehmen die Gründung einer Niederlassung in China zuvor nur als Joint Venture realisierbar, lockert sich nach und nach sowohl die Regulierung als auch die behördliche Handhabung für sogenannte WFOE (Wholly Foreign Owned Enterprise). Schon jetzt wird zwar bereits der Löwenanteil aller elektronischen Produkte weltweit in China gebaut, dennoch ist davon auszugehen, dass diese Regelung den chinesischen Markt noch weiter belebt.

Auch in China macht sich der starke Wettbewerb im IT-Sektor bemerkbar und das Anbieterfeld hat sich in den vergangenen Jahren konsolidiert. Finckh begegnet auf den einschlägigen internationalen IT-Messen nur noch wenigen neuen chinesischen Herstellern: "Viele kleinere wurden aufgekauft, zusammengelegt oder sind einfach wieder verschwunden. Und die Übriggebliebenen sind durch einen längeren Selektierungsprozess gegangen und haben somit bewiesen, dass sie auf dem Markt bestehen können." Das sorgt für Vertrauen, wenn man mit einem neuen Partner oder einer neuen Marke zusammenarbeiten will. Dennoch wäre es seiner Meinung nach ein Trugschluss, dass die in den klassischen Industrienationen gewohnten Qualitätsstandards in China überall flächendeckend zu finden seien.

Bei der Auswahl eines geeigneten chinesischen Produktionspartners rät er daher, der Qualitätskontrolle weiterhin einen entscheidenden Stellenwert einzuräumen, und verweist darauf, dass es zahlreiche Hersteller in China gebe, die den westlichen Qualitätsanspruch teilen. Um die Zusammenarbeit mit internationalen Partnern zu erleichtern, lassen sich manche von ihnen nach ISO-Standard 9001 zertifizieren. Diese Zertifizierung bezieht sich auf alle Unternehmensbereiche und stellt sicher, dass alle betrieblichen Vorgänge umfassend strukturiert und kontinuierlich beurteilt werden. Für Geschäftspartner aus dem Westen ist dies eine gute Gesprächsgrundlage. Damit ist gesichert, dass die Geschäfts- und Produktionsabläufe den erforderlichen Standards entsprechen - beispielsweise, dass alle notwendigen Arbeitsgrundlagen wie Formblätter und Checklisten korrekt weitergeleitet werden und intern allen für den Fertigungsprozess zuständigen Stellen zur Verfügung stehen.

Für die weitere Zusammenarbeit empfiehlt Finckh, "einerseits klar zu kommunizieren und andererseits im Bewusstsein zu behalten, dass am anderen Ende der Welt manche Dinge dennoch anders laufen". Darin liege eine Chance: "Das Feedback meiner Geschäftspartner hat mich oft dazu gebracht, Dinge von einer neuen Perspektive zu betrachten und out-of-the-Box zu denken. Nicht nur die anderen, auch wir müssen für den Austausch offen sein."

Verweigerung hat keine Aussicht auf Erfolg

Finckh ist überzeugt: Das Interesse an Kultur, Land und Leuten, der persönliche Austausch auf Reisen, auf Messen und Gesprächen über viele Jahre hinweg helfen dabei, mit chinesischen Partnern nicht nur günstige, sondern auch hochwertige Produkte zu entwickeln und erfolgreich anzubieten. Und die Umsetzungsgeschwindigkeit chinesischer Partner hilft, im harten Wettbewerb einen Schritt voraus zu bleiben. Die Welt rückt näher zusammen. Auch Kritik an diesem Prozess habe ihren Platz. "Aber wer China kennt, weiß: Eine Strategie, sich dieser Entwicklung entgegenzustellen oder sich ihr zu verweigern, hat keine Erfolgsaussichten." Für die meisten größeren Unternehmen stelle sich nicht die Frage, ob sie mit China kooperieren wollten, sondern nur, mit welchem Partner sie es tun möchten. Hierzu sei ein langjähriger Vertrauens- und Kontaktaufbau und interkultureller Austausch vonnöten. Finden sich die richtigen Partner, sei der beiderseitige Erfolg programmiert. Oder, um ein weiteres chinesisches Sprichwort zu zitieren: "Mit einer Hand kann man nicht klatschen." Mit zweien aber schon.