Laut Microsoft-Chef Satya Nadella haben wir im Rahmen der COVID-Pandemie „in zwei Monaten eine digitale Transformation im Umfang von zwei Jahren erlebt“. Dabei geht der schnelle Wandel aber auch mit Reibungsverlusten einher: Denn viele Menschen wollen zwar nach wie vor im Beruf ihr Bestes geben, benötigen dabei aber Zeit, um die allfälligen Veränderungen zu verinnerlichen und zu leben. Unternehmen sollten daher nicht automatisch davon ausgehen, dass ihre Mitarbeiter problemlos in die Büros zurückkehren oder zu einer hybriden Arbeitsweise übergehen werden. Sie sollten sich vielmehr darüber im Klaren sein, dass viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das frühere Produktivitätsniveau nicht ohne Hilfe erreichen werden.
Die Teams müssen also lernen, dauerhaft im "New Normal" zu arbeiten – mit weniger positivem Flurfunk an der Kaffeemaschine und mit insgesamt weniger „Live-Momenten“. Dazu müssen sie ihre Arbeitsmethoden entsprechend anpassen. Hier kann das Nudge-Konzept helfen, das insbesondere in der Verhaltensökonomie eine Rolle spielt.
Nudging - Definition
Die Grundidee von Nudging (zu Deutsch: anstupsen) ist: Positive Verstärkungen und indirekte, dezente Vorschläge sollen (Individuen, aber auch Gruppen) zu positivem Verhalten anregen. Was hingegen nicht vorgesehen ist, sind Sanktionierungen. Wer auf einen Nudge also nicht reagiert, darf keine negativen Folgen befürchten müssen.
Nudging - Funktionsweise
Durch die unmerkliche Kombination einer Nudge-Plattform mit Tools des täglichen Bürogebrauchs wie Microsoft Outlook, Viva und Teams können Unternehmen ihre Mitarbeitenden unterstützen, ohne sie unter Druck zu setzen. Auf die gleiche Weise, wie eine Smartwatch den Nutzer dazu anregt, nach einer Phase der Inaktivität aufzustehen und ein paar Schritte zu gehen, können Team-Mitglieder profitieren: Sie erhalten in den richtigen Momenten personalisierte Nudges, die sie zu kleinen Aktionen anspornen.
Nudging - Beispiele
Eine Option ist ein intelligenteres E-Mail-Fach: Schickt ein Absender etwa mehrere Nachrichten zu einem Thema, kann ein digitaler Assistent, welcher dem Nudging-Konzept folgt, automatisiert eine Chat-basierte Nachricht erstellen. Dabei ist es wichtig, dass diese passend formuliert ist und zur passenden Zeit eingespielt wird. Ein freundliches "Hallo, Dein Kollege xyz hat Dich einige Male zum Thema angeschrieben – möchtest Du Dir das in 30 Minuten anschauen?" dürfte erfolgreicher sein als eine Nachricht im Stil von "Erinnerung: xyz antworten". Das gilt umso mehr, wenn dieses freundliche Hallo auf eine Lücke im persönlichen Kalender hinweist oder direkt in einer solchen ausgespielt wird.
Weitere, einfache Beispiele für Nudging sind:
automatische Aufforderungen, keine E-Mails außerhalb der Bürozeiten zu versenden;
die Reservierung von Konzentrationszeiten in den Kalendern der Mitarbeiter;
Benachrichtigungen, die zu mehr Pausen ermutigen;
definierte Zeiträume für sportliche Aktivitäten oder Lernen, was bekanntermaßen hilft, das Stressniveau zu senken.
Eine Nudging-Plattform kann auch dazu beitragen, die verbleibenden Bürotage für mehr Miteinander zu nutzen. Sind etwa Team-Mitglieder zur gleichen Zeit im Bürogebäude, kann ein solches System vorschlagen, ein geplantes virtuelles Meeting live abzuhalten – bis hin zu automatischen Vorschlägen für die Raumbuchung.
Nudging - Ethik
Wie so häufig darf die ethische Komponente nicht außer Acht gelassen werden. So ist es selbstredend absolut unzulässig, digitales Nudging zum Ausspionieren von Mitarbeitenden zu verwenden. Daher ist es notwendig, gesetzliche Vorgaben exakt zu beachten. Zudem gilt es ethische Grundsätze hinter dem Einsatz der Verhaltenswissenschaft von Anfang an zu implementieren, sei es in Bezug auf den Datenschutz oder den Ansatz zur Bestimmung der zu fördernden Verhaltensweisen.
Beim Nudging geht es darum, unerwünschtes Grundrauschen zu beseitigen, die richtigen Verhaltensweisen zu unterstützen und letztendlich den Mitarbeitenden zur passenden Zeit und im richtigen Kontext ihrer Arbeit Erinnerungen zukommen zu lassen – ohne dass das Tool zu einer "Nörgel"-Plattform wird. Letztendlich kommt es auf die Werte eines Unternehmens an und darauf, dass die Technologie auf die richtige Art und Weise und für den richtigen Zweck eingesetzt wird. (bw)