Wer kennt das nicht: Obwohl der Arbeitstag vollgepackt ist mit Aufgaben wie Meetings und Telefonaten, der Bearbeitung von To-Do-Listen und der Erledigung von Dokumentationen, stehen letztlich wenig produktive Ergebnisse zu Buche. Wenn das regelmäßig der Fall ist, könnte es sein, dass Beschäftigte von Fake Work - oder Scheinarbeit - betroffen sind.
Fake Work definiert
Fake Work bezeichnet Tätigkeiten, die letztlich keinen tieferen Nutzen bringen - obwohl es auf den ersten Blick so aussieht, als ob die betreffenden Mitarbeiter ständig beschäftigt sind. Das Problem: Die Ziele eines Unternehmens oder das Ergebnis eines Projekts werden dabei häufig nicht - oder nur spärlich - unterstützt. Oft liegt es allerdings nicht an den Beschäftigten selbst, wenn sie Aufgaben bearbeiten, die mit wenig Mehrwert verbunden sind. In der Regel sind es die Rahmenbedingungen, die es ihnen erschweren, wirklich produktiv zu sein.
Ende der 2000er-Jahre wurde der Begriff durch die US-amerikanischen Unternehmer Brent D. Peterson und Gaylan W. Nielson geprägt. Schon zu dieser Zeit war das Phänomen nicht völlig neu, allerdings gewinnt es in der heutigen Arbeitswelt zunehmend an Bedeutung. Dafür sind verschiedene Aspekte ursächlich:
Reportings nehmen eine immer wichtigere Rolle ein. Vielfach wird die Leistung der Menschen in Unternehmen ausschließlich über Kennzahlen bewertet.
Wachsende bürokratische Hürden und Dokumentationspflichten verlagern per se Ressourcen in unproduktive Tätigkeiten.
Bedingt durch mobiles und hybrides Arbeiten finden immer mehr Online-Meetings ohne konkrete Agenda statt.
Das Angebot an Informationskanälen und Medien, die Aufmerksamkeit absorbieren und das Konzentrationsniveau senken, wächst stetig.
Laut einer Slack-Studie verbringen Arbeitnehmende in Deutschland knapp 30 Prozent ihrer Arbeitszeit mit unproduktiven Aufgaben. Über ein Drittel der in diesem Rahmen befragten Fach- und Führungskräfte gibt demnach an, von zu vielen Besprechungen und E-Mails abgelenkt zu sein. Dazu kommt noch das Beschaffen von Informationen und die Zusammenarbeit mit Kollegen.
Das alles führt laut den Studienautoren dazu, dass viele Mitarbeitende regelmäßig demotiviert sind und sich schlecht konzentrieren können. Flexible Arbeitspläne seien demnach die beste Methode für Arbeitgeber, um die Mitarbeiterproduktivität zu steigern.
Fake-Work-Konsequenzen
Wenn Mitarbeiter weniger produktive Arbeit leisten können, resultieren daraus für Unternehmen insbesondere auf lange Sicht eine Reihe von Problemen:
Projekte benötigen mehr Zeit, um abgeschlossen zu werden - daraus können auch finanzielle Einbußen für das Unternehmen resultieren.
Fehlende Struktur führt oft zu Redundanzen - und mehrere Abteilungen erledigen die gleiche Arbeit. Das ist nicht nur Zeit- sondern auch Geldverschwendung.
Mitarbeiter engagieren sich ausschließlich, um definierte Kennzahlen zu erfüllen.
Da die Produktivität mit Scheinarbeit sinkt, werden mehr Mitarbeiter benötigt, um die gleichen Ergebnisse zu erzielen - der Personalstand steigt.
Strategische und aus unternehmerischer Sicht wichtige Ziele können nicht erreicht werden, worin sich Wettbewerbsnachteile manifestieren.
Forschung und Entwicklung findet nur unter Einschränkungen statt. Die in der heutigen Zeit so wichtigen Innovationen können nicht realisiert werden.
Auch davon betroffene Mitarbeiter und Führungskräfte verschaffen sich selbst keine Vorteile, wenn sie lediglich nach außen hin vorgeben, produktiv zu sein. Vielmehr leiden Menschen darunter, wenn ihnen die Möglichkeit genommen wird, ihren Beitrag zu nachhaltiger Wertschöpfung zu leisten:
Fake Work raubt Arbeitnehmern die Motivation. Es fehlt an der Freude, die sinnstiftende Arbeit generiert.
Beschäftigte leiden darunter, wenn sie bei ihrer Arbeit regelmäßig von Besprechungen und unstrukturierten Anfragen unterbrochen werden.
Verpflichtende Meetings und Telefonate, die keine Ergebnisse bringen, können frustrieren.
Angestellte verlieren durch Scheinarbeit den Gesamtblick auf die Ziele des Unternehmens. Innovationskraft und Experimentierfreudigkeit werden beeinträchtigt.
Individueller Kreativität und Denkweisen werden abseits von KPIs keine Bedeutung zugemessen.
Scheinarbeit verhindern
Wenn für Beschäftigte der "Purpose" fehlt, steht dies am Ende einer Kette: Zugrunde liegt dem eine Unternehmenskultur, die zwar auf Produktivität ausgerichtet ist, diese jedoch eindimensional betrachtet. Doch tatsächlich ist Produktivität die Quintessenz einer Kultur der Offenheit. Wenn Unternehmen Fake Work verringern wollen, sollten sie zu allererst eine Feedbackkultur etablieren. Das Management muss nicht nur Feedback aufnehmen, sondern dieses auch nutzen, um Veränderungen voranzutreiben. Allzu häufig ignorieren Vorgesetzte jedoch Mitarbeiter, die Verbesserungsvorschläge einbringen - oder sie tragen das Feedback in die nächste Führungsebene, wo es abgeheftet und vergessen wird.
Die folgenden Schritte helfen Unternehmen dabei, eine positive Unternehmenskultur auf den Weg zu bringen, in der jeder Kollege das nötige Gehör findet:
Ein sicheres Umfeld schaffen, in dem Feedback vom Management wirklich ernstgenommen und berücksichtigt wird.
Mitarbeiter bei der Prioritätensetzung unterstützen.
Meetings etablieren, in denen Arbeitsweisen offen diskutiert und hinterfragt werden.
Um wertschöpfende Arbeit zu ermöglichen und das Unternehmen fit für die Zukunft zu machen - beispielsweise mit Innovationen - ist es auch notwendig, einzelnen Mitarbeitern mehr Verantwortung zu übertragen. Sie sollten Entscheidungsfreiheit haben, wo immer das möglich und sinnvoll ist. Damit sind sie etwa befugt, Meetings abzulehnen, wenn diese für sie keinen Sinn ergeben. Das bezieht sich auch auf Jour Fixes mit dem Vorgesetzten, die aus reiner Gewohnheit stattfinden.
Ebenso entfallen sollten unnötige Analysen und Berichte, in deren Zuge Mitarbeiter vor allem viel Zeit verlieren. Jegliche Dokumentation sollte auf ihre Sinnhaftigkeit überprüft werden. Selbst bei automatisierten Reportings sollten die Empfänger abwägen, ob die Zeit, die zum Lesen benötigt wird, sinnvoll investiert ist. Vorgesetzte wiederum können sich in einem solchen Umfeld darauf konzentrieren, Hürden zu beseitigen und ihre Teams dabei zu unterstützen, Projekte effizient voranzubringen und abzuschließen. (fm)