Laut Precedence Research soll der Markt für Software-definierte Fahrzeuge weltweit um 19,5 Prozent wachsen. Bereits heute kommt dieser Markt weltweit auf ein Volumen von rund 35,6 Milliarden Dollar. Die Analysten prognostizieren, dass dieser Wert bis 2032 auf rund 210,9 Milliarden Dollar wachsen wird. Die Automobilhersteller versprechen sich von dieser Weiterentwicklung der Mobilität große Chancen. Doch was ist ein softwaredefiniertes Fahrzeug überhaupt? Was macht es aus?
Flexibel ab Werk - dank Software
Früher wurden Fahrzeuge so gebaut, dass sie, wenn sie vom Band rollten, im Prinzip fertig waren. Alle grundlegenden Funktionen und Fähigkeiten, die das Fahrzeug ausmachten, waren bereits eingebaut und mussten für die gesamte Lebensdauer des Autos ausreichen.
Dieses Konstruktionsprinzip entspricht heute nicht mehr den Erwartungen der Verbraucherinnen und Verbraucher. Denn diese sind es von ihren smarten Geräten gewohnt, regelmäßig mit neuen Möglichkeiten und Verbesserungen beglückt zu werden. Statt das Fahrerlebnis ein für alle Mal festzulegen, wollen sie die Möglichkeit, auch nach dem Kauf nachzulegen und zusätzliche Features zu aktivieren. Modelle und Marken, die dies bieten können, sind daher heute klar im Vorteil.
Genau dieses Bedürfnis erfüllt das Software-definierte Fahrzeug, denn sein zentrales Wertversprechen ist die Flexibilität hinsichtlich der im Auto verbauten Funktionalität.
Dynamisch vernetzt statt fest verdrahtet
Diese Flexibilität wird vor allem durch die Vernetzung ermöglicht. In der Vergangenheit waren Fahrzeuge über Netzwerkstandards wie CAN (Controller Area Network) "fest verdrahtet". Dabei wurden bestimmte Datenquellen entsprechend den ursprünglichen Entwicklungsanforderungen für bestimmte Zwecke fix miteinander verbunden.
Im Gegensatz dazu nutzen Software-definierte Fahrzeuge moderne, dynamische Netzwerktechnologien, um die gewünschte Flexibilität zu gewährleisten. Durch Vernetzungsstandards wie Automotive Ethernet erhalten die Autos flexible Fähigkeiten, insbesondere in Bezug auf wichtige Daten, die in das Fahrzeug hinein- und aus ihm herauskommen. Software-definierte Fahrzeuge können somit moderne Rechenzentrumstechnologien nutzen. Sie sind auch in der Lage, wichtige digitale Anforderungen zu erfüllen, wie die Priorisierung von sicherheitskritischem Datenverkehr und die Gewährleistung von Ausfallsicherheit.
Konsolidierung und Multitasking
Eine weitere Veränderung bei Software-definierten Fahrzeugen betrifft die Entwicklung der Fahrzeugarchitektur: Früher bestand die Fahrzeugelektronik aus vielen einzelnen elektronischen Steuergeräten, den sogenannten Electronic Control Units (ECUs). Dabei handelt es sich um separate Hardwareboxen mit zugehöriger Software, die jeweils eine bestimmte Funktion ausführen, wie zum Beispiel die Steuerung der Fensterheber, der Klimaanlage oder der Bremsen. Diese Boxen, die im wörtlichen und übertragenen Sinne oft als "Black Box" bezeichnet werden, verändern sich während ihrer Lebensdauer nicht und erfüllen nur eine einzige Funktion. Dieser Architekturansatz ist nicht nur kostspielig, sperrig und schwierig zu handhaben, sondern stellt auch ein Hindernis für die Aufrüstbarkeit dar.
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Im Gegensatz dazu konzentrieren sich die Entwickler von Software-definierten Fahrzeugen auf die Konsolidierung der Computerhardware. Die Prämisse lautet: Weniger, dafür aber leistungsfähigere Einheiten, um mehr Flexibilität für Innovationen zu schaffen. Die Komponenten können mehrere Aufgaben gleichzeitig ausführen, ähnlich wie Heimcomputer und Smartphones. Dank moderner Betriebssysteme, Virtualisierung, Hypervisoren und Anwendungscontainern können Anwendungen im Fahrzeug gemeinsam auf Hardwareressourcen zugreifen und nebeneinander laufen, ohne sich gegenseitig zu stören. Diese Entwicklung vereinfacht das Fahrzeugdesign erheblich, reduziert das Gewicht und die Komplexität der Montage und ermöglicht es, im Laufe der Zeit neue Funktionen hinzuzufügen.
Gezieltes Datenmanagement statt Datenrauschen
Moderne Fahrzeuge sind mit einer Vielzahl von Sensoren ausgestattet, die eine immense Menge an Informationen generieren. Laut McKinsey können Fahrzeuge etwa 25 Gigabyte an Daten pro Stunde erzeugen. Gleichzeitig erhalten Fahrerinnen und Fahrer eine Vielzahl von Daten aus externen Quellen, sei es Audio-Streaming, Echtzeit-Navigation, Verkehrsinformationen oder möglicherweise sogar die Kommunikation mit anderen Fahrzeugen oder der Infrastruktur in der Umgebung durch V2X-Technologien.
Diese enormen Datenmengen müssen verwaltet werden. Um sie über LTE-Netze übertragen und speichern zu können, ist ein effizientes Datenmanagement erforderlich. Zudem sind nicht alle Fahrzeugdaten gleich relevant. Nicht jeder Systemzustand muss alle 50 Millisekunden gemeldet werden. Vielmehr sollten die Fahrzeugsysteme selbstständig erkennen können, was in diesem Datenrauschen Signalcharakter hat, was also ein echtes Problem oder ein anderes wichtiges Ereignis darstellt, das eine detaillierte Meldung rechtfertigt und proaktive Maßnahmen oder vorbeugende Wartung erfordert.
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, werden Lösungen benötigt, die in der Lage sind, gezieltere Fragen an die Fahrzeugdaten zu stellen. Es ist wichtig, dass diese Lösungen flexibel sind und es ermöglichen, Abfragen schnell zu entwickeln und zu verfeinern. Dies ermöglicht eine zielgerichtete Auswertung der Daten, um relevante Informationen zu identifizieren und einen Mehrwert für Fahrzeughersteller, Fahrerinnen und Fahrer sowie die gesamte Automobilindustrie zu schaffen.
Cloud-Computing erweitert Verarbeitung an Bord
Schon heute werden Fahrzeuge immer stärker vernetzt, um verschiedene Services wie WLAN an Bord, Streaming-Dienste oder Verkehrsinformationen in Echtzeit anzubieten. Doch das ist erst der Anfang: Um das volle Potenzial softwaredefinierter Fahrzeuge auszuschöpfen, müssen die umfangreichen Möglichkeiten des Cloud Computing noch intensiver genutzt werden.
Die Cloud bietet den geeigneten Rahmen, um wertvolle Fahrzeugdaten zu sammeln, und genug Rechenleistung, einschließlich künstlicher Intelligenz, um diese Daten auch zu verarbeiten. Dadurch lassen sich relevante Muster erkennen, die auf zugrunde liegende Probleme hinweisen könnten. Die Cloud bietet auch eine vielseitige Plattform für die Bereitstellung von Unterhaltungs- und Inhaltsdiensten. Dieser Trend gewinnt zunehmend an Bedeutung, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Fahrzeuginsassen durch das künftige autonome Fahren einen höheren Bedarf an Nachrichten, Informationen und Unterhaltungsdiensten haben werden. Softwarehersteller für Software-definierte Fahrzeuge arbeiten daher in der Regel eng mit Cloud-Anbietern wie AWS und Google Cloud sowie mit den eigenen Cloud-Lösungen der Fahrzeughersteller zusammen.
Fazit - mit Software zu neuen Anwendungsmöglichkeiten
Software-definierte Fahrzeuge versprechen faszinierende neue Anwendungsmöglichkeiten. Um diese Vorteile zu realisieren, sind vier grundlegende Veränderungen erforderlich:
Flexibilität und Aufrüstbarkeit,
Konsolidierung der Hardware,
gezieltes Datenmanagement und
Anbindung an die Cloud.
Mit diesen entscheidenden Eigenschaften eröffnet die nächste Generation von Fahrzeugen als Software-defined Vehicles ein enormes Potenzial für innovative Erlebnisse und neue Möglichkeiten der Wertschöpfung. (ba)