Videoüberwachung? E-Mails mitlesen? Unzulässige Überwachungsmaßnahmen am Arbeitsplatz sorgen immer wieder für Schlagzeilen. Dabei stellt sich mit Blick auf das Datenschutzrecht die Frage, wann und in welchem Umfang Arbeitgeber ihre Beschäftigten überwachen dürfen.
Grundsätzlich haben Unternehmen ein schutzwürdiges Interesse daran, das Verhalten und die Leistung ihres Personals zu kontrollieren. Dem steht jedoch das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entgegen - insbesondere das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Diese widersprüchlichen Interessen gleicht das Datenschutzrecht aus. Da es viele Möglichkeiten gibt, die Belegschaft zu überwachen, muss jede Maßnahme einzeln bewertet werden. In der folgenden FAQ beantworten wir die wichtigsten Fragen.
1. Dürfen Betriebe ihr Personal mittels Videoaufnahmen überwachen?
Es kommt darauf an. Videoüberwachung ist in Deutschland nicht grundsätzlich unzulässig. Wegen des erheblichen Eingriffs in die Persönlichkeitsrechte des Personals ist sie aber an strenge Zulässigkeitsvoraussetzungen geknüpft. So sind zum Beispiel sensible Bereiche wie Umkleidekabinen oder Pausenräume immer von der Videoüberwachung ausgenommen.
Ansonsten ist zu unterscheiden, ob die Überwachung öffentlich oder verdeckt erfolgt. Die Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume ist insbesondere in der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und im Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) geregelt. (Siehe auch: Deutschlands schlimmste DSGVO-Sünder) Sie ist zulässig, wenn sie entweder für die Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen, die Wahrnehmung des Hausrechts oder die Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist. Dabei darf es keine Anhaltspunkte dafür geben, dass schutzwürdige Interessen der betroffenen Person überwiegen.
Eine verdeckte Videoüberwachung ist nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich, nämlich wenn der Anfangsverdacht einer strafbaren Handlung oder einer sonstigen schweren Pflichtverletzung besteht und weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts nicht möglich sind. Die Firmen müssen eine solche Überwachung zeitlich und räumlich auf das notwendige Minimum beschränken.
2. Dürfen Unternehmen Telefongespräche heimlich abhören?
Nein. Das heimliche Abhören oder Aufzeichnen von Telefongesprächen ist verboten. Seltene Ausnahmen gibt es nur im Zusammenhang mit der Aufdeckung von Straftaten.
3. Dürfen Unternehmen Telefongespräche offen abhören?
Es kommt darauf an. Zu Schulungszwecken (etwa im Call-Center) dürfen Arbeitgeber dienstliche Telefongespräche in zeitlich begrenztem Umfang aufzeichnen. Ebenso dürfen sie die Telefonverbindungsdaten (Dauer, Beginn und Ende des Telefonats oder die ersten Ziffern der Telefonnummer) zur Kostenkontrolle sowie zur Überprüfung des Verbots der Privatnutzung auswerten, sofern eine ausschließlich dienstliche Nutzung der Telefonanlage festgelegt wurde.
Gestatten Firmen die private Nutzung der Telefonanlage, sind ihre Kontrollrechte dagegen stark eingeschränkt. In diesen Fällen gelten sie als Anbieter von Telekommunikationsdiensten und das Fernmeldegeheimnis ist zu achten. Eine Verletzung könnte zu einer Strafbarkeit nach § 206 StGB führen. Einige Gerichte, vor allem Arbeitsgerichte, gehen allerdings davon aus, dass Arbeitgeber rechtlich nicht mit Telekommunikationsdienstleistern gleichzusetzen sind.
So oder so: Eine Abhörung ist nur dann zulässig, wenn die Beschäftigten jeweils zugestimmt haben. Aufgrund der rechtlichen Unsicherheiten ist dringend zu empfehlen, klare Regelungen zu treffen und sich als Unternehmen abzusichern.
4. Dürfen Unternehmen E-Mails des Personals einsehen?
Es kommt darauf an. Wie bei der Nutzung der Telefonanlage ist für die Zugriffsrechte des Arbeitgebers entscheidend, ob den Beschäftigten die private Nutzung gestattet wurde oder nicht. Ist sie verboten, können Firmen - im Gegensatz zu Telefongesprächen - auch den Inhalt von E-Mails überwachen. Ist die private Nutzung hingegen erlaubt, werden die Zugriffsrechte durch den Beschäftigtendatenschutz eingeschränkt.
Erfolgt eine Einstufung des Unternehmens als Telekommunikationsdienste-Anbieter, greift das Fernmeldegeheimnis. Ein Zugriff auf E-Mails wäre nach der Einschätzung der deutschen Datenschutzbehörden grundsätzlich unzulässig. Das Landgericht Erfurt (Urt. v. 28.04.2021, Az.: 1 HK O 43/20) hat dagegen in einem Fall entschieden, dass Arbeitgeber grundsätzlich keine Telekommunikationsdienste-Anbieter seien. Daher könne das Fernmeldegeheimnis hier nicht angewendet werden.
Unter diesen Umständen wäre ein Zugriff des Arbeitgebers auf den E-Mail-Account der Mitarbeitenden zulässig, wenn die Interessen des Unternehmens an einem Zugriff höher gewichtet würden als das allgemeine Persönlichkeitsrecht der betroffenen Person. Eine abschließende Klärung des Erfurter Rechtsstreits steht noch aus. In Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit des Zugriffs sollten Arbeitgeber auch immer den Grundsatz der Datenminimierung beachten.
5. Dürfen Arbeitgeber die Internetnutzung kontrollieren?
Es kommt darauf an. Wurde die private Nutzung des Internetzugangs verboten, ist eine umfassende Kontrolle der Internetnutzung zulässig, um die Einhaltung dieses Verbots zu überprüfen. Der Arbeitgeber kann hierzu regelmäßige und fortlaufende Stichprobenkontrollen oder anlassbezogene Vollkontrollen vornehmen.
Ist die private Nutzung erlaubt, handelt es sich (zumindest nach Auffassung der deutschen Datenschutzbehörden) bei der Bereitstellung des Internetzugangs um einen Telekommunikationsdienst. In diesen Fällen können Unternehmen ohne Verletzung des Fernmeldegeheimnisses Sperren für bestimmte Internetseiten einrichten, um eine mögliche Kommunikation bereits im Vorfeld zu unterbinden. Auf abgeschlossene Kommunikationsvorgänge und sonstige Nutzerdaten dürfen Arbeitgeber nur im Rahmen telekommunikationsspezifischer Missbrauchs-Tatbestände zugreifen, etwa wenn gegen das Verbot des Abrufs strafbarer oder pornografischer Inhalte verstoßen wurde.
6. Dürfen Betriebe einen Keylogger einsetzen?
Nein. Das Bundesarbeitsgericht (Urt. v. 27.07.2017, Az.: 2 AZR 681/16) hat entschieden, dass der Einsatz einer Keylogger-Software, die sämtliche Tastatureingaben aufzeichnet, unzulässig ist. Auch hier gibt es aber die Ausnahme, dass ein auf Arbeitnehmer bezogener, durch konkrete Tatsachen begründeter Verdacht auf eine Straftat oder eine andere schwerwiegende Pflichtverletzung vorliegt.
7. Dürfen Arbeitgeber auf dem Dienstrechner gespeicherte Dateien einsehen?
Ja. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (Urt. v. 31.01.2019, Az.: 2 AZR 426/18) dürfen die Firmen auf diese Dateien zugreifen, wenn diese Überprüfung aus einem nicht willkürlichen Anlass erfolgt. Ein durch Tatsachen begründeter Verdacht einer Pflichtverletzung ist aber nicht erforderlich. Darüber hinaus muss die Überprüfung offen erfolgen und den Beschäftigten vorher angekündigt werden. Letztere sind auch darauf hinzuweisen, dass sie bestimmte Ordner und Dateien durch Kennzeichnung als "privat" von einer Überprüfung ohne begründeten Anlass ausnehmen können.
8. Dürfen Unternehmen ihre Mitarbeitenden orten?
Es kommt darauf an. Eine Ortung mittels GPS oder anderen technischen Hilfsmitteln ist nur in wenigen Ausnahmefällen nach Art. 6 Abs. 1 DSGVO zulässig. Das kann etwa der Fall sein, wenn die Ortung dem Schutz des Arbeitnehmers - zum Beispiel dem Fahrer eines Geldtransporters - dient oder wenn das Eigentum des Unternehmens geschützt werden soll. In jedem Fall muss der Zweck der Ortung vorab klar dokumentiert und den Arbeitnehmern mitgeteilt werden.
Fazit: Die Überwachung am Arbeitsplatz ist in Deutschland zugunsten des Personals stark reglementiert. Die Praxis zeigt aber, dass es immer wieder zu unzulässigen Überwachungen kommt. Oft sind sich die Beschäftigten der rechtlichen Rahmenbedingungen nicht bewusst. Dabei kann eine unzulässige Überwachung gravierende Folgen für den Arbeitgeber haben. Unzulässige Maßnahmen können nach der DSGVO mit hohen Bußgeldern geahndet werden (wie beispielsweise bei H&M geschehen) und gegebenenfalls auch Schadensersatzansprüche der Betroffenen begründen. (hv)