IT- und Business-Entscheider in Deutschland sind sich uneins darüber, wer für die Digitale Transformation verantwortlich ist, so der IT-Kompass 2016 von IDC und Computerwoche. Jeder meint, dafür zuständig zu sein. In dieser Gemengelage sehen sich CIOs vor einigen neuen Herausforderungen. Diese gilt es zu strukturieren und die wichtigsten Handlungsfelder herauszuarbeiten.
Die Ausgangspunkte der Digitalisierung sind neue digitale Technologien und eine bislang unerreichte Durchdringung der Welt mit eben diesen Technologien. Als Beispiele lassen sich Smartphones oder MP3-Dateien aufführen. Gerade MP3 zeigt, dass es eben nicht nur um Technologie geht, sondern auch um den Verbreitungsgrad. So wurde das MP3-Format schon in den 1980er-Jahren erfunden - der Durchbruch kam aber erst 20 Jahre später, als die Speicherpreise signifikant gesunken waren.
Digitalisierung: Unternehmen unter Druck
Was passiert also im Zuge der Digitalisierung? Unternehmen sind unter Druck, ihr Leistungsportfolio und ihr Wertversprechen durch diese Technologien anzureichern - und das schneller als die Konkurrenz, die oft aus ganze neuen Playern besteht . Dabei müssen sie besonders die Erwartungen der "Always on"-Smartphone-Nutzer berücksichtigen.
Daraus ergeben sich drei Treiber, die sich auf die IT-Organisation und deren Management auswirken:
Der "Need for Speed" ist unübersehbar - es kommt auf Geschwindigkeit an (und Marktanteile).
Technologisch geht es bei fast allen Digitalisierungsprojekten um Vernetzung - um neue Online-Services oder die komplette Digitalisierung von gesamten Geschäftsprozessen, Geschäftsmodellen und Wertschöpfungsketten.
Die Business-Entscheider haben erkannt, dass mit IT Wettbewerbsvorteile geschaffen werden können.
Treiber 1: Need for Speed
Weil es schnell gehen muss - das Geschäft ist bedroht! -, braucht die IT neue agile Methoden. Diese verändern nicht nur das Projektmanagement, sondern machen auch einen Kulturwandel in der Organisation zwingend erforderlich.
Es stellt sich die Frage, wer die Digitale Transformation führen soll - IT-Entscheider oder Business-Entscheider. Zeit also, sich dem Business-IT-Alignment zu widmen. Hier stellt sich die Frage nach der Ausprägung von IT-Governance. Durch die hohe Priorität und geschäftliche Relevanz der Digitalisierungsthemen wandern IT-Budgets ins Business beziehungsweise das Business gibt einen Teil seines Budgets für IT aus.
Oft kommt es dadurch zu einer sogenannten Schatten-IT: Organisationseinheiten, die sich mit der Entwicklung und dem Betrieb von IT beschäftigen, aber zur Fachabteilung gehören. Zuständigkeiten und Entscheidungskompetenzen verschwimmen - die Herausforderungen im Bereich der IT-Governance steigen. Die Schatten-IT-Organisationen beauftragen zudem oft externe Dienstleister und berücksichtigen dabei die Verfahren und Regularien der IT nicht in vollem Maße. Der bedeutendste Themenkomplex hierbei ist die IT-- Security - die definierten Security-Policies der IT sind nicht immer mit den externen Dienstleistern der Fachabteilung abgestimmt.
Treiber 2: Digitalisierung von Geschäftsprozessen, Geschäftsmodellen und Wertschöpfungsketten
Was passiert eigentlich technologisch bei der Digitalisierung? Um es möglichst kurz auf einen Nenner zu bringen: Es geht immer um zunehmende Vernetzung. Mehr und mehr Geschäftsprozesse gehen online und binden den Endkunden direkt mit ein. Genau dies ist ein Grund dafür, dass die IT-Sicherheit im Kontext der Digitalisierung signifikant wichtiger wird.
Treiber 3: Die Business-Entscheider haben erkannt, dass mit IT Wettbewerbsvorteile geschaffen werden können
Die Rolle von IT-Organisationen verändert sich im Zuge der Digitalisierung - das zeigt auch der IT-Kompass 2016: Meinen heute erst 20 (also 5 Prozent) von 400 befragten deutschen Business- und IT-Entscheidern, dass die IT ihres Unternehmens Business Enabler beziehungsweise Innovationstreiber ist, so wird diese Zahl auf 26 Prozent bis 30 Prozent in den nächsten 12 bis 24 Monaten steigen.
Das heißt: Die Business-Verantwortlichen haben endlich erkannt, wie wichtig die IT ist! Nun wird deutlich, was die IT schon seit Jahren sagt: Die IT verschafft dem Unternehmen entscheidende Wettbewerbsvorteile. Das bedeutet für IT-Organisationen, dass sie mehr und auch neue Aufgaben wahrnehmen müssen. Das ist aus Sicht der IT positiv - allerdings wird auch der Umsetzungsdruck höher.
Digitale Transformation: Handlungsfelder der IT
Bezüglich der neuen Rolle der IT-Organisation sind im Kontext der Digitalisierung verschiedene Disziplinen wichtig - hier entsteht bedeutender Handlungsbedarf:
Das Portfolio: Kommen mehr und andere Aufgaben auf die IT zu, muss das Leistungsportfolio überdacht und überarbeitet werden.
Das Budget: Die höhere Bedeutung der IT und die Wettbewerbsvorteile, die mit IT erschlossen werden sollen, führen dazu, dass in IT investiert wird. Nur so kann auch der erwartete Nutzen generiert werden.
Die Mitarbeiter / Skills: Es muss definiert werden, welcher Skill-Mix für das neue Portfolio, die neuen Aufgaben und Anforderungen notwendig ist.
Das Mindset / die Geisteshaltung: Es muss einen kulturellen Wandel im Unternehmen geben. Die großen anstehenden Veränderungen lassen sich nur mit einer Geisteshaltung bewältigen, die nach vorne schaut und daran interessiert ist, neue Dinge auszuprobieren. Gleichzeitig ist eine neue Fehlerkultur notwendig. Das ist das Fundament für die Umsetzung von agilen Methoden.
Die Kundenorientierung: Es ist wichtig, die Kundenorientierung nicht nur in den Köpfen einzelner Führungskräfte oder Mitarbeiter zu verankern, sondern die komplette Organisation als professionellen Dienstleister mit klarem Fokus auf den Kunden aufzustellen. Der Kunde steht im Mittelpunkt allen Denkens und Handelns. Deshalb ist dieser Punkt eng verknüpft mit dem Mindset.
Die Fertigungstiefe: Die IT muss mehr und neue Aufgaben übernehmen. Dies geschieht in der Regel, ohne die Anzahl der Mitarbeiter zu erhöhen. Deshalb gilt es, über die Fertigungstiefe beziehungweise die Auslagerung von "nicht-differenzierenden" Leistungen nachzudenken. Externe Anbieter übernehmen dann Betriebsleistungen - der Trend zum Outtasking und -sourcing ist ungebrochen. Die von der IT beauftragten Leistungen sollten durch ein professionelles Supplier Management gesteuert werden. Dabei dürfen keine Probleme bezüglich der Einleitung von Regularien und / oder Security-Policies entstehen.
Die Architektur: Alles geht online, alles wird vernetzt. Kundenprozesse werden durch Digitalisierung transparent und müssen über die notwendige Flexibilität verfügen. Die Grundlage hierfür wird durch die IT-Architektur geschaffen. Die Fortführung von Spaghetti-Architekturen oder Silo-Strukturen wird auf kurz oder lang zum Scheitern führen!
Es gibt also genug zu tun. Entscheidend sind die Abhängigkeiten zwischen diesen sieben Disziplinen und den vorgenannten Elementen: Ein unabgestimmtes Sourcing von externen Dienstleistungen führt dazu, dass die Architekturvorgaben nicht eingehalten werden. Die Architektur droht wieder heterogen zu werden, und in einigen Jahren spricht man von einer "historisch gewachsenen Landschaft". Das darf nicht passieren. Je mehr Abweichungen von der vorgegebenen Architektur erlaubt werden, desto schwieriger wird es, die IT-Sicherheit auf ein hohes Niveau zu bekommen. Der Betrieb wird aufwendiger, und das macht es schwieriger, durch die IT eine Plattform für die Geschäftsprozesse zu bieten, die flexibel anpassbar ist.
Fazit: Transformation muss umfassend sein
Die IT der meisten Unternehmen beziehungsweise IT-Dienstleister benötigt eine grundlegende Erneuerung, eine Transformation, um mit den Anforderungen, die sich aus der Digitalisierung ergeben, umgehen zu können. Sicherlich gibt es unterschiedliche Einstiegspunkte, unterschiedliche Pläne, wie diese Transformation umgesetzt werden kann. Um die Zukunftsfähigkeit der IT sicherzustellen, muss die Transformation jedoch umfassend sein. Die dafür notwendigen Disziplinen sind in diesem Artikel beschrieben. (haf)