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Was bringt Bluetooth LE Audio?

05.07.2022
Von  und
Jason Cross schreibt während seines gesamten Berufslebens - über 20 Jahre - professionell über Technologie. Er liebt es, herauszufinden, wie komplizierte Technik funktioniert, um sie so zu beschreiben, dass sie jeder versteht.
Eugen Wegmann ist Redakteur bei der IDG Tech Media GmbH.
Bluetooth-Audio wird bald um neue Technologien erweitert, die hoffentlich bald in Apple-Produkten zu finden sind.
Die nächsten Airpods Pro sollen Gerüchten zufolge Bluetooth LE Audio unterstützen.
Die nächsten Airpods Pro sollen Gerüchten zufolge Bluetooth LE Audio unterstützen.
Foto: Mohd Syis Zulkipl/Shutterstock.com

Sie werden bestimmt bemerkt haben, dass alle modernen iPhones und Airpods Bluetooth 5.0 unterstützen (die ersten Airpods noch Bluetooth 4.2). Daraus könnte man schlussfolgern, dass Audio über eine neue, moderne Bluetooth-Verbindung übertragen wird. Doch falsch gedacht!

Beim Großteil der Kopfhörer (und Smartphones, Tablets und Laptops), die Bluetooth 5.0 unterstützen, ist das nämlich nicht der Fall. Die grundlegenden Bluetooth-Übertragungsstandards, die für die meisten kabellosen Audio-Übertragungen verwendet werden, basieren nämlich auf sogenanntem „Bluetooth Classic“, das wiederum auf Bluetooth 2.1 + EDR basiert. Diese Spezifikation ist mittlerweile rund 15 Jahre alt. Sie wurde über die Jahre zwar verändert und verbessert, aber die meisten Änderungen betrafen alles andere als die gewöhnliche Audio-Übertragung, die für Musik und Anrufe verwendet wird.

Vor über zwei Jahren hat die Bluetooth SIG (Special Interests Group) den neuen Standard Bluetooth 5.2 verabschiedet und zeitgleich eine neue Audio-Spezifikation eingeführt: LE Audio, wobei LE für „Low Energy“ steht. Ein Bestandteil von LE Audio ist ein neuer Kompressions-Codec: LC3. Zusammen sollen diese zwei Technologien Bluetooth-Kopfhörern einen großen Schritt nach vorn bescheren, was Performance und Features angeht. Hier ist alles, was Sie darüber wissen müssen.

LE Audio

Die wichtigste Innovation von Bluetooth 4.0 war „Bluetooth Low Energy“, ein völlig neues Protokoll, das Verbindungen mit geringen Latenzen, hoher Bandbreite und einem geringen Stromverbrauch ermöglichen soll. In den weiteren Releases hat es sich stark weiterentwickelt und bekam in Bluetooth 5.0 alle Funktionen, die für moderne „Internet of Things“-Geräte benötigt werden. Bluetooth LE macht etwa die Airtags erst möglich.

Selbst die höherpreisigen Airpods Max nutzen Bluetooth 5.0 nicht vollständig aus.
Selbst die höherpreisigen Airpods Max nutzen Bluetooth 5.0 nicht vollständig aus.
Foto: Thomas Bergbold

Doch der primäre Audio-Stack, der zum Streamen von Musik oder zum Telefonieren verwendet wird, basiert nach wie vor auf der alten, langsamen, stromfressenden Bluetooth 2.1 + EDR-Spezifikation, auch „Bluetooth Classic“ genannt. LE Audio baut einen neuen Audio-Stack auf Bluetooth LE auf. Die Unterstützung für LE Audio setzt die Bluetooth Core Specification voraus, die in Bluetooth 5.2 eingeführt wurde, aber nicht alle Bluetooth 5.2-Geräte müssen automatisch LE Audio unterstützen.

Viele „Bluetooth 5.0“-Kopfhörer unterstützen zwar Bluetooth 5, machen aber kaum Gebrauch davon. Stattdessen verwenden sie eine Bluetooth-LE-Verbindung höchstens zum Suchen und Koppeln oder zur Abfrage des Akkustands. Bei Audio-Übertragungen wird jedoch wieder auf die alten „Bluetooth Classic“-Frameworks zurückgegriffen. Apple gibt keine Auskunft dazu, wie es bei den Airpods funktioniert, aber wir gehen davon aus, dass es hier genauso läuft.

Mit LE Audio können Audio-Streams über Bluetooth LE übertragen werden. Das kann große Auswirkungen auf die Akkulaufzeit haben und sie bei unterstützten Geräten um 50 Prozent oder mehr verlängern. Doch es gibt drei weitere wichtige Funktionen von LE Audio, die den kabellosen Musikgenuss revolutionieren können.

Multi-Stream-Audio: Bluetooth Classic unterstützt einen einzigen Audio-Stream pro Sender und Empfänger. Ein Sender kann dabei ein iPhone oder ein Laptop sein, der Empfänger in der Regel Kopfhörer, Bluetooth-Boxen oder vergleichbare (Ausgabe-)Geräte. Damit True-Wireless-Kopfhörer wie die Airpods Stereoklang wiedergeben können, muss Ihr iPhone zunächst einen Stream an einen Airpod senden, der dann einen zweiten Stream zum anderen Airpod aufbaut und den Ton weitergibt. Dann filtert jede Seite den linken bzw. rechten Kanal heraus und gibt nur den jeweils anderen wieder. Das ist ein netter Kniff, um die Einschränkungen eines 15 Jahre alten Standards zu umgehen, aber eine bessere Lösung ist längst überfällig.

Mit LE Audio kann das Quellgerät mehrere separate Streams an Empfängergeräte senden und sie innerhalb weniger Millisekunden synchronisieren. Ihr linker Kopfhörer verbindet sich also mit Ihrem iPhone und erhält nur den linken Kanal und ihr rechter Kopfhörer den rechten Kanal über eine separate Verbindung, völlig synchron.

Statt des „Kettenbriefs“ von aktuellen kabellosen Kopfhörern unterstützt LE Audio mehrere unabhängige Streams und mehrere gleichzeitige Verbindungen.
Statt des „Kettenbriefs“ von aktuellen kabellosen Kopfhörern unterstützt LE Audio mehrere unabhängige Streams und mehrere gleichzeitige Verbindungen.
Foto: Bluetooth SIG

Broadcast und Multipoint-Audio: Bluetooth Classic unterstützt ein einziges Quellgerät (Ihr Smartphone oder Laptop) und einen Empfänger (Kopfhörer oder Lautsprecher). Entwickler:innen haben gelernt, um diese Einschränkungen herumzuarbeiten, aber das war schon immer eher eine Notlösung. LE Audio unterstützt mehrere Verbindungskonfigurationen, einschließlich Mesh-Networks, Verbindungen von einem Gerät zu mehreren und Verbindungen von mehreren Geräten zu einem. So kann zum Beispiel ein Gerät Audio an mehrere Kopfhörer oder Lautsprecher übertragen. Oder Sie könnten Ihre Kopfhörer gleichzeitig mit Ihrem Smartphone und Ihrem Laptop verbinden. Kein nahtloser Wechsel, sondern echte Wiedergabe von mehreren Quellen.

Ansonsten integriert die neue Spezifikation eine Technologie, die die Bluetooth SIG Auracast nennt. Dabei handelt es sich um die Möglichkeit, dass eine Quelle ein Signal sendet, bei dem sich mehrere Empfänger „einwählen“ können. Die notwendigen Informationen werden an Ihr Sendegerät (Ihr Smartphone oder Laptop) geschickt, das wiederum Ihrem gekoppelten Empfänger (Ihre Kopfhörer oder Lautsprecher) die Anweisungen für den korrekten Audio-Stream übermittelt.

Stellen Sie sich ein Kino vor. Sie sitzen im Saal, zücken Ihr Smartphone und sehen darauf mehrere Tonspuren in verschiedenen Sprachen für den Film, den Sie gleich ansehen werden. Sie wählen Ihre Sprache und die verbundenen Kopfhörer empfangen den korrekten Stream per Audio-Broadcast. Und alle Kinobesucher können gleichzeitig auf diese Funktion zugreifen. Dasselbe Konzept könnte Seminare oder große Präsentationen revolutionieren.

Oder stellen Sie sich ein Fitnessstudio vor, das mehrere Sender anbietet, mit denen sich seine Kund:innen per Bluetooth verbinden können, statt das komplette Studio über Lautsprecher zu beschallen, während Gewichte klimpern und Schwungräder surren. Das Studio könnte auch die Fernseher an den Wänden freigeben. Zücken Sie einfach Ihr Handy, wählen Sie den Fernseher aus, dessen Programm Sie anhören möchten, und Ihre Kopfhörer verbinden sich automatisch mit dem entsprechenden Audio-Kanal. Sie können sich mit dem richtigen Audio-Kanal auch per QR-Code oder NFC-Tag verbinden.

Ein hypothetisches Beispiel der Bluetooth SIG, wie mehrere Broadcasts an einem Flughafen aussehen könnten.
Ein hypothetisches Beispiel der Bluetooth SIG, wie mehrere Broadcasts an einem Flughafen aussehen könnten.
Foto: Bluetooth SIG

LC3-Codec: Bluetooth Classic setzt lediglich die Unterstützung einer einzigen Kompressionsmethode voraus: den SBC-Codec (Low Complexity Subband Codec). Andere Codecs werden unterstützt: Apple etwa setzt auf AAC, viele andere verwenden aptX von Qualcomm oder LDAC von Sony. Diese sind allerdings völlig optional. LE Audio setzt einen neuen Codec voraus, LC3, der deutlich besser sein soll als SBC.

Der LC3-Codec

LC3 (kurz für „Low Complexity Communications Codec“) ist wichtig genug für einen eigenen Abschnitt. Streng genommen handelt es sich dabei um eine weitere Methode, wie auch SBC, AAC, aptX, MP3 und LDAC, Audio zu komprimieren. Entgegen aller Behauptungen handelt es sich nicht um einen verlustfreien („lossless“) Codec. Die Unterstützung ist laut LE-Audio-Spezifikation jedoch verpflichtend, zumal er eine deutliche Verbesserung gegenüber dem alten SBC darstellt.

Wie jeder verlustbehaftete Codec klingt er besser bei höheren Bitraten. Er ist jedoch deutlich fortschrittlicher als SBC und nutzt eine geringe Decoding-Komplexität, was sich positiv auf die Akkulaufzeit auswirkt. Auch die Latenz soll deutlich geringer sein, auch wenn uns hier noch Beispiele aus Tests unter realen Bedingungen fehlen. Dem Datenblatt zufolge soll LC3 eine Standardlatenz von lediglich 10 ms haben – mit Codierung und Decodierung vermutlich immer noch unter 100 ms. Sowohl SBC als auch AAC kommen jeweils auf über 200 ms.

In einer Studie der Bluetooth SIG selbst übertrifft LC3 SBC bei weniger als der halben Bitrate. Das reicht zwar nicht ganz für AAC oder aptX, stellt aber eine deutliche Verbesserung für die Mindestanforderung dar.
In einer Studie der Bluetooth SIG selbst übertrifft LC3 SBC bei weniger als der halben Bitrate. Das reicht zwar nicht ganz für AAC oder aptX, stellt aber eine deutliche Verbesserung für die Mindestanforderung dar.
Foto: Bluetooth SIG

Die Bluetooth SIG vergleicht LC3 nur mit SBC, dem Vorgänger, und stellt eine deutlich höhere Klangqualität bei halber Bitrate oder weniger fest. Unten können Sie ein Beispiel anhören, aber wir empfehlen dafür kabelgebundene Kopfhörer, nicht Bluetooth-Kopfhörer.

Spätere Experimente von Audio-Experten ergaben, dass LC3 bei gleicher Bitrate nicht ganz die Qualität eines richtig guten AAC-Encoders erreicht, kommt aber sehr nah ran – bei deutlich geringerer Latenz und Komplexität.

Genau wie bei Bluetooth Classic werden Hersteller nicht immer LC3 verwenden müssen – sie müssen es lediglich unterstützen, damit ihre Geräte als LE Audio zertifiziert werden können. Andere, optionale Codecs, wie AAC und aptX können weiterhin verwendet werden.

In anderen Worten: Apple könnte bei Geräten, die LE Audio unterstützen, weiterhin auf AAC setzen. Doch wenn die Qualität von LC3 gut genug ist, könnte für die Kommunikation mit den Airpods stattdessen LC3 verwendet werden, um die Akkulaufzeit und die Latenz zu verbessern.

Zumindest werden Sie Gewissheit haben, dass jedes LE-Audio-Gerät, das Sie kaufen, LC3 unterstützt. Ein zukünftiges iPhone, das sich mit einem zukünftigen Auto verbindet, könnte etwa deutlich besser klingen als Geräte mit dem Standard-Codec SBC heute. Der kleinste gemeinsame Nenner wird einfach deutlich besser, besonders bei geringen Bitraten – und das ist ein Vorteil für alle.

Bekommen iPhones und Airpods LE Audio?

Die Preisfrage ist natürlich: Springt Apple auf den LE-Audio-Zug auf? Aktuell wird die Bluetooth 5.2-Spezifikation mit LE Audio nur von Android 13 unterstützt, aber von keinen Kopfhörern, die wir auf dem Markt gefunden haben. Manche geben Unterstützung für Bluetooth 5.2 an, aber das ist lediglich die Basis, die für LE Audio benötigt wird – Unterstützung für LE Audio ist nicht garantiert. Qualcomm hat erst dieses Jahr begonnen, Chips für Geräte und eine Plattform für In-Ear-Kopfhörer (QCC5171 und QCC307x) auszuliefern, die LE Audio unterstützen.

Es kommt also, und zwar bald, aber wann es in einem Apple-Produkt auftaucht, bleibt ungewiss.

Könnte die zweite Generation der Airpods Pro Bluetooth LE Audio unterstützen?
Könnte die zweite Generation der Airpods Pro Bluetooth LE Audio unterstützen?

Freilich wird für Quellgeräte wie iPhones, iPads und Macs neue Hardware benötigt. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass Unterstützung für Bluetooth 5.2 und LE Audio per Firmware-Update nachgeliefert werden kann. Unbekannt ist außerdem, ob der aktuelle H1-Prozessor in den Airpods der dritten Generation, den Airpods Pro und den Airpods Max so aktualisiert werden kann, dass er die neue Spezifikation unterstützt.

Einige behaupten mittlerweile jedoch, dass eine neue Beta-Firmware für die Airpods Max, die zusammen mit der Developer-Beta von iOS 16 erschienen ist, Unterstützung für LC3 auf diesem Gerät aktiviert. Das ist nicht zwangsweise ein Zeichen dafür, dass sie auch tatsächlich LE Audio erhalten. Es ist nämlich möglich, den LC3-Codec auch mit Bluetooth Classic zu verwenden, genauso, wie Apple aktuell auf AAC statt SBC setzt. Man bekommt dadurch nicht alle Vorteile von LE Audio, aber der Wechsel zu einem Codec mit geringerer Komplexität und Latenz könnte dennoch die Akkulaufzeit deutlich verbessern.

Alles deutet darauf hin, dass es bei Apple eine Frage des „Wann?“ und nicht des „Ob?“ ist. Es handelt sich um die erste große Überarbeitung des Bluetooth-Audio-Standards seit fast 20 Jahren und bringt viele große Vorteile mit sich. LE Audio und LC3 können alles, was A2DP (Advanced Audio Distribution Profile, die aktuelle Audio-Streaming-Technologie von Bluetooth) und HFP (Hands-Free Profile, die aktuelle Bluetooth-Technologie für freihändige Gespräche, etwa in Autos), nur viel, viel besser.

In ein oder zwei Jahren dürfte LE Audio in allen gängigen Chipsets und der dazugehörigen Software integriert und bei Android-Smartphones und in neuen Autos gang und gäbe sein. Ohne würde Apple Gefahr laufen, abgehängt zu werden, selbst, wenn das Unternehmen eine proprietäre Lösung findet, ähnliche Funktionen für zukünftige Airpods zu veröffentlichen. Es wäre schlecht für das iPhone, wenn es sich mit Nicht-Apple-Geräten nur über Bluetooth Classic verbinden könnte. (Macwelt)