"Wir sind die erste Generation, der es schlechter geht als unseren Eltern." Dieser Satz prägt seit fast zwanzig Jahren viele Wohlstands- und Zukunfts-Debatten in Deutschland und Europa. Und zweifellos: Wir stehen vor großen Herausforderungen, etwa dem globalen Klimawandel.
Aber: In der Mikro-Perspektive, dem einzelnen Leben in Mitteleuropa, trifft dieses pauschale Klagelied nicht zu.
Denn: Wir sind umgeben von sechs Wohlstands-Revolutionen, ausgelöst, getragen und befeuert durch die Digitalisierung. Zwei liegen im Wesentlichen hinter uns, zwei weitere sind im vollen Gange und zwei haben zwar begonnen, wir stehen aber noch ganz am Anfang.
Die durchschrittenen Revolutionen
Die erste Art von Wohlstand: Wir haben beinahe unbegrenzten Zugriff auf Medieninhalte aus allen Epochen - Fotos, Bücher, Filme, Musik. Und das zu vergleichbar erschwinglichen Preisen - weil keine Dinglichkeit mehr gegeben ist. Wir erleben deswegen ein ungeahntes Ausmaß an kulturellem Wohlstand.
Die zweite Art: Wir können fast durchgängig mit Freunden und Liebsten im Kontakt sein. Telefon- und Kommunikationskosten allgemein sind durch Digitalisierung erschwinglich geworden. Das bedeutet ein neues Level von sozialem Wohlstand, wie ihn vorherige Generationen nicht erleben durften.
Die Revolutionen im vollen Gange
Eine weitere Revolution hat uns derzeit - auch in den gesellschaftlichen Debatten - fest im Griff: die Umstellung von zentraler, fossil betriebener Energieerzeugung, die jeder von uns teuer einkaufen muss, hin zu Erzeugung auf dem Dach, im Keller, im Garten oder zumindest im Viertel.
Tatsächlich ist die Digitalisierung hierfür - neben der Entwicklung der erneuerbaren Erzeugungstechnik - ein wesentlicher Baustein, denn erst durch die simultane Berechnung und Steuerung der Erzeugung können wir sie im großen Stil einsetzen und ans Netz anschließen. Ja: Die Kosten müssen wir erst einmal stemmen. Aber ist der Weg einmal gegangen, werden wir alle einen ungekannten Energie-Wohlstand erleben.
Denn dann zahlen wir keine Strom- und Heizkosten mehr für unsere Haushalte und Häuser und tun damit gleichzeitig etwas Gutes für die Umwelt und gegen den Klimawandel.
Die vierte Veränderung erleben wir schleichend, aber sie ist schon weit gediehen: die Revolution der Ernährung. Sie geschieht auf zahlreichen Fronten. Einerseits können wir dank digital gesteuerter Landwirtschaft deutlich mehr Lebensmittel mit weniger Aufwand erzeugen - Stichwort "Precision Farming". Zudem sind die Pflanzen selbst durch Forschung und Entwicklung stark optimiert. Allerdings ist nicht nur die Erzeugung betroffen.
Auch der Konsum von Lebensmitteln hat sich verändert. Das verdanken wir teilweise dem Informationszeitalter, denn dadurch sind Informationen zu Ernährungsweisen leichter verfügbar. Wir wissen also - zumindest pozentiell -, wie wir uns gesund ernähren sollten. Offen bleibt bisher die Frage, wie man den Menschen im Dickicht des Internets die richtigen Informationen so zugänglich macht, dass alle davon profitieren. Trotzdem: Wir haben für eine bewusste Ernährung bessere Voraussetzungen als vorangehende Generationen.
Zwei Revolutionen, die uns größtenteils bevorstehen
Der Kampf gegen Alterung und Krankheiten hat im vergangenen Jahrzehnt wahnsinnige Fortschritte gemacht. Einer der Gründe: die Digitalisierung. Wir können dank nahezu unbegrenztem Speicherplatz, künstlicher Intelligenz und Supercomputern nun riesige Datenmengen aus der Forschung leichter durchforsten und auswerten. Testreihen können teilweise am Rechner simuliert werden, und Algorithmen werten Untersuchungsdaten und -Bilder bisweilen präziser aus als der Mensch.
Und dabei haben wir noch kein Wort über Verbesserungen des gesunden Körpers durch Implantate und Prothesen verloren. Das steht uns nach Smartphone und Wearables (natürlich mit Gesundheitsfunktion) nun bevor. Wir werden eine weitere Explosion der Lebenserwartung in den entwickelten Regionen der Welt erleben - einen Wohlstand in Sachen Gesundheit.
Und natürlich ist da noch das Thema Mobilität: Uber und Carsharing sind erst der Anfang eines komplett neuen Verständnisses von Fortbewegung. Öffentlicher Personen-Nahverkehr und auch die Bahn sind in Deutschland und auch weltweit wieder en vogue. Dank kluger Algorithmen für kleinere Shuttlebusse und selbstfahrende Autos - beide erst möglich durch die Digitalisierung - werden wir in naher Zukunft eine neue Art des Wohlstands der Fortbewegung erleben. Das Auto, wie wir es kennen, wird überleben - aber eine wesentlich kleinere Rolle spielen.
Glauben Sie jetzt immer noch, zukünftigen Generationen wird es schlechter gehen?
Dann machen Sie sich klar, dass die Kosten für die Leistungen in all diesen Bereichen deutlich sinken werden. Ein Beispiel: Statt Benzin tanken Sie Strom aus der eigenen Solaranlage. Die Anschaffungskosten sind hoch, aber im täglichen Betrieb amortisieren sich die Initialkosten schnell - und Fortbewegung wird insgesamt deutlich günstiger.
Ich bin überzeugt: Digitalisierung mit dem Menschen im Mittelpunkt ist die Zukunft. Wir sehen dank digitaler Unterstützung rosigen Zeiten entgegen. Zeiten, in denen wir im Alltag einen Wohlstand erleben, wie ihn sich unsere Eltern und Großeltern nur erträumen konnten.