Eine als nicht ausreichend wahrgenommene Vergütung stellt für 76 Prozent aller Befragten einer LinkedIn-Umfrage einen Grund dar, den Arbeitsplatz zu wechseln. Wer Leistung erbringt, möchte dafür angemessen bezahlt werden. Doch wie lässt sich "angemessen" in Zeiten von Inflation, Krisen und Konflikten definieren? Führungskräfte stehen vor der Herausforderung, die Gehälter ihrer Mitarbeitenden so zu gestalten, dass sie von der gesamten Belegschaft als fair und ausreichend empfunden werden.
Mit anderen Worten: Wer Mitarbeitende halten möchte, muss die internen Vergütungsprozesse transparent und nachvollziehbar gestalten und ihre Fairness evaluieren. Doch das Empfinden für eine faire Vergütung ist subjektiv. Deshalb müssen Führungskräfte einen Rahmen für objektives Verständnis schaffen.
Faire Vergütung: wichtiger Schritt mit großen Auswirkungen
Im Jahr 2017 analysierten Forschende die Auswirkungen ungerechter Vergütung auf körperliches Wohlbefinden und untersuchten dafür die Herzfrequenz der Probanden. Ihre Erkenntnis: Arbeitnehmende, die ihre Bezahlung als ungerecht empfanden, zeigten typische Stresssymptome. Ihr Herz verfiel in eine Art Dauerstressmodus.
Dabei war gar nicht die Höhe der Vergütung entscheidend, sondern vielmehr, ob die Beschäftigten die Vergütung als fair empfunden haben. War dies nicht der Fall, wurden Mitarbeitende schneller demotiviert und leisteten weniger. Dazu trugen neben Frust auch stressbedingte Erkrankungen bei. Das heißt: Eine als unfair empfundene Entlohnung führt zu einem geringeren Leistungs- und Produktivitätslevel und kann sogar gesundheitsschädigend sein. Unternehmen sind in der Verantwortung, dem entgegenzuwirken.
Transparenz anhand objektiver Rahmenbedingungen
Ab wann eine Vergütung als fair empfunden wird, unterliegt in vielen Unternehmen keinem objektiven Verständnis. Ohne sachlich festgelegten Entwicklungsrahmen haben Arbeitnehmende und Arbeitgebende häufig unterschiedliche und subjektive Standpunkte. Um dem Gerechtigkeitsempfinden im gesamten Unternehmen nachzukommen und die eigenen Fachkräfte zu halten, sind Führungskräfte am Zug, klare Kriterien für die Leistungsbeurteilung und Vergütungsprozesse festzulegen. Mitarbeitende müssen wissen, nach welchen Faktoren sie bewertet werden und dass Vorgesetzte diese Entscheidungen nicht aus dem Bauch heraus treffen.
Ein objektiver Rahmen für transparente Vergütung gewährleistet, dass Mitarbeitende, die sich weiterentwickeln und ihre Ziele erreichen, auch entsprechend entlohnt werden. Wichtig dabei ist, Vergütung nicht allein auf Leistung zu stützen, sondern auch das individuelle Wachstum der Mitarbeitenden zu reflektieren, zu belohnen und zu fördern.
Das gelingt mit regelmäßigen Performance-Reviews - Gespräche, in denen Teammitglieder umfassendes Feedback zu ihrer Leistung und Entwicklung erhalten und mit ihrer Führungskraft Rücksprache halten können. Sie verbessern die Selbstreflexion und das Engagement der Mitarbeitenden, helfen bei der Ermittlung von Stärken und Wachstumsbereichen und verbessern die Kommunikation zwischen Teammitgliedern und Vorgesetzten.
Zielgerichtete Entwicklung unterstützen
Performance-Reviews liefern Mitarbeitenden ein besseres Bild davon, was sie tun können, um eine Gehaltserhöhung oder Beförderung zu erreichen. Mittels regelmäßiger Feedbackgespräche kommunizieren Führungskräfte ihre Erwartungen und können auf die Bedürfnisse und Fragen ihrer Teammitglieder eingehen. Für einen transparenten Ablauf gilt es, im Dialog Fremdwahrnehmung und Selbstwahrnehmung auf Basis von nachvollziehbaren Fakten und Daten zu vergleichen.
Dabei ist es unabdingbar, Gespräche über Leistungsbeurteilung und Vergütungsmanagement getrennt voneinander zu planen: Während einer Leistungsbeurteilung über die Vergütung zu sprechen, erschwert es Mitarbeitenden, sich auf das Feedback der Vorgesetzten etwas zu konzentrieren. Diese Unruhe wird durch ein separates 1:1-Gespräch verringert, in dem nur vergütungsbezogene Themen besprochen werden.
Zudem gilt es, Entwicklungsziele gesondert zu definieren: Individuelle Entwicklungspläne geben Mitarbeitenden einen persönlichen Entwicklungspfad im Unternehmen vor. Interne Lern-, Entwicklungs -und Mentorship-Programme sowie individuelle Zielvereinbarungen etwa mittels OKRs (Objectives and Key Results) befähigen Mitarbeitende dazu, ihr Potenzial auszuschöpfen.
Der Vorteil individueller OKRs
OKRs sind ein Instrument, mit dem Teammitglieder ihre individuellen Ziele definieren können. Ihre Grundformel: Ziele festlegen (Objectives) und Kernergebnisse definieren (Key Results). Doch Vorsicht: Vergütung davon abhängig zu machen, wie involviert Mitarbeitende in Team- oder Unternehmens-OKRs sind, ist keine faire Herangehensweise. Schließlich haben alle Mitarbeitenden unterschiedlich viele Touchpoints mit den aktuellen Top-Zielen ihres Unternehmens - was nicht bedeutet, dass ihr Beitrag weniger wichtig ist.
Für die individuelle Entwicklung kann die Festlegung persönlicher OKRs jedoch durchaus von Bedeutung sein. Ein Beispiel für ein persönliches Objective wäre, einen konkreten Entwicklungsplan zur Förderung des professionellen Wachstums umzusetzen.
Darauf folgt die Festlegung der Key Results. Hier steht die Frage "Wie lässt sich der Zielfortschritt messen?" im Vordergrund. Im Falle unseres Beispiels könnten mögliche Key Results wie folgt aussehen:
- Key Result 1 - Die drei wichtigsten Entwicklungskompetenzen wurden identifiziert.
- Key Result 2 - Ein Entwicklungsplan mit drei Schulungen, die diese Kompetenzen ausbauen, wurde erstellt.
- Key Result 3 - Die Abschlusstests für alle drei Trainingskurse wurden bestanden und die Teilnahme durch Zertifikate belegt.
- Key Result 4 - Die Weiterbildung und ihre Anwendung im Arbeitskontext hatte messbare Auswirkungen auf ein Unternehmensziel.
Jedes Objective sollte drei bis fünf spezifische Key Results enthalten. Anhand derer ergibt sich eine Art Checkliste, die Mitarbeitende als Leitfaden nutzen können, um ihren Entwicklungspfad im Unternehmen zu strukturieren.
OKR soll kein Kontrollinstrument sein
Dabei gilt stets zu beachten: OKRs sollten inspirierend, aber ehrgeizig sein, so dass Mitarbeitende nicht unbedingt eine 100-prozentige Erfüllung anstreben - weshalb persönliche OKRs allein keine verlässliche Grundlage für Vergütungsentscheidungen darstellen. Doch ein klarer Zielfortschritt belegt eine positive Entwicklung und kann daher als Argumentationsgrundlage für Gehaltserhöhungen oder Beförderungsentscheidungen dienen.
Wichtig ist auch, dass die Erfassung persönlicher OKRs kein Instrument zur Kontrolle ist. Stattdessen schaffen Führungskräfte eine transparente Basis für gegenseitige Erwartungen. Mitarbeitende können anhand ihrer individuellen OKRs nachweisen, was ihr Lernfortschritt ist und wie ihre persönlichen Entwicklungsziele die Unternehmensziele vorantreiben.
Navigation durch ein unsicheres Arbeitsklima
Gut ausgearbeitetes Vergütungsmanagement hilft dabei, die besten Talente anzuziehen, zu motivieren und zu halten. Bei wirksamen Vergütungsplänen geht es deshalb nicht nur um die Gehaltsspanne, sondern auch um die variable Vergütung. Diese beinhaltet Jahresgehalt, Anreize wie Boni, Eigenkapital, Versicherung, Krankenversicherung, Stipendien für Lebensstil und Fernarbeit, bezahlter Urlaub, Krankheitsgeld und berufliche Entwicklungsmöglichkeiten.
Indem Führungskräfte die Vergütung leistungs- und entwicklungsbasiert gestalten, vermitteln sie ihren Mitarbeitenden Wertschätzung, sorgen für mehr Lohntransparenz und verringern das Stressniveau ihrer Belegschaft - was wiederum zu weniger Mitarbeiterschwund führt.