Vorfreude aufs Vorbestellen?

Warum Sie das iPhone X kaufen werden

Kommentar  22.09.2017
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Steven J. Vaughan-Nichols schreibt für unsere US-Schwesterpublikation Computerworld. Er beschäftigte sich bereits mit Business und Technologie als 300bps noch Highspeed war.
Sie werden mehr als 1000 Euro für das iPhone X ausgeben. Dagegen können Sie sich noch nicht einmal wehren. Wir sagen Ihnen, warum das so ist.

Der Release des iPhone X Anfang November ist klug gewählt - schließlich haben die Kunden so auch noch Zeit, sich an das neue Smartphone-Preisniveau zu gewöhnen. Wenn sich die Preorder-Schleusen am 27. Oktober öffnen, kann das iPhone X wahlweise für 1149 Euro (64 GB Speicher) oder 1319 Euro erworben werden.

Ab dem 3. November sollen die ersten Exemplare des iPhone X ausgeliefert werden - zu Preisen jenseits von Gut und Böse. Gekauft wird trotzdem.
Ab dem 3. November sollen die ersten Exemplare des iPhone X ausgeliefert werden - zu Preisen jenseits von Gut und Böse. Gekauft wird trotzdem.
Foto: Apple

Ob es den Preis wert ist? Sicher nicht. Werden Sie es trotzdem kaufen? Sicher doch. Fühlen Sie sich angesprochen? Dann gieren Sie jetzt bestimmt danach zu erfahren, warum das eigentlich so ist.

Smartphone-Zukunft mit unbekannten Variablen

Klar, das iPhone X ist ein heißes Ding. Es hat eine ganze Armada neuer Features an Bord - etwa das neue, randlose OLED-Display, den neuen A11 Bionic-Chipsatz, ein optimiertes Kamerasystem oder die Möglichkeit zum kabellosen Laden. Aber keines dieser Features ist der Grund für Ihre Kaufentscheidung.

Die meistdiskutierte Neuerung - Face ID - schreckt noch dazu nicht wenige Nutzer ab. Das könnte auch daran liegen, dass das Sicherheitsniveau von biometrischen Identifikationslösungen nicht unumstritten ist. Quincy Larson, Ausbilder bei freeCodeCamp, erklärt warum: "Aus historischer Sicht ist die biometrische Identifikation fehlerbehaftet. Kameras können überlistet werden.

Wie viele Fotos von Ihrem Gesicht gibt es im Netz? Könnte man diese Bilder zu einem 3D-Modell Ihres Antlitzes zusammenbasteln, das im Stande ist Face ID zu überlisten? Die Antwort lautet: Ja." Warum also mehr als 1000 Euro für ein Device ausgeben, wenn über dessen Sicherheitsniveau keine Klarheit herrscht?

Deshalb kaufen Sie das iPhone X trotzdem

Die Antwort darauf hat Nir Eyal. Der Buchautor weiß ganz genau, wie Unternehmen Sie dazu bringen, ihre Produkte zu kaufen - auch wenn es nicht die besten sind oder es andere gute Gründe gibt, das nicht zu tun.

Zum einen ist es die Macht der Gewohnheit, die uns Luxusartikel kaufen lässt. Und was ist Luxus, wenn nicht das kommende iPhone X? Diese Gewohnheit ist getrieben durch die Erwartung von Freude - nicht die Freude selbst. Haben Sie schon mal diese Artikel bemerkt, deren Headlines lauten "Sieht so das neue iPhone aus?"?

Natürlich wird die Begierde auf das Home-Button-lose iPhone auch dadurch getrieben, dass sich Apple größte Mühe gibt, seine Produkte mit möglichst viel Mythos zu überziehen. Schließlich zieht uns das Unbekannte magisch an. Und niemand ist besser darin als Apple, seine Produkte interessant und begehrenswert wirken zu lassen. So hat es beispielsweise Tradition, dass mit Journalisten über bevorstehende Veröffentlichungen oder Produkte nicht gesprochen wird.

Es geht Apple dabei ausschließlich um die Erzeugung von Vorfreude und Neugier. Dabei hilft es auch, dass die Belohnung (das neue iPhone) einem variablen Zeitplan folgt: Wir wissen, dass wir alle zwei Jahre ein neues (wesentlich überarbeitetes) iPhone bekommen - nur eben nicht ganz genau wann. Und es gefällt uns.

Diese Vorgehensweise fußt auf dem Wirken von - nein, nicht Steve Jobs - sondern B.F. Skinner. Der Psychologe war der prominenteste Vertreter des Behaviorismus in den USA. Und die durch Skinner bekannt gewordene operante Konditionierung funktioniert bei Apple-Fans ebenso gut wie bei Nagetieren.

Auch wenn das iPhone X also nicht das beste Produkt ist - das macht nichts. Denn nicht das beste Produkt gewinnt immer, wie Nir Eyal weiß: "Es ist das Produkt, das das Monopol unseres Geistes erlangt."

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer US-Schwesterpublikation Computerworld.