Sie werden oft als Eigenbrötler bezeichnet, gelten als schwierig und wenig kommunikativ. Es geht um die Introvertierten. Und weil allein der Begriff "introvertiert" einem Krankheitssymptom gleichkommt, spricht die Expertin und Autorin Sylvia Löhken lieber gleich von den "Leisen". Dabei geht es gar nicht um eine Minderheit. Schätzungsweise die Hälfte der Menschheit hat eine Tendenz zur Introversion, die andere zur Extroversion. Es liegt aber in der Natur der Sache, dass Letztere mehr auffallen und anscheinend den Ton angeben. Ihre Bibel heißt "Geh nie alleine essen" (ein toller Tipp für Extrovertierte, eine unsägliche Drohung für Introvertierte) ihre Lieblingsbeschäftigung ist das Networking ("Bin ich Fischer oder was?", fragt sich der Introvertierte).
Mit ihrem interessanten Buch "Leise Menschen - starke Wirkung" schlägt Löhken jetzt den Stillen im Lande eine Bresche. Zeigt, wie sie sich mit ihren eigenen Mitteln und Stärken Gehör verschaffen.
Willkommen im Klub von Angela Merkel und Günther Jauch
Dass Introvertierte nicht alle im stillen Kämmerlein vor sich hin werkeln, zeigt Löhken gleich zu Beginn mit ihrer eindrucksvollen Prominentengalerie der Introvertierten. Die wenigsten hätten wohl den amerikanischen Präsidenten in dieser Riege vermutet. Er gibt zugleich das schönste Beispiel, wie sich Introvertierte durch Übung und Beharrlichkeit zu begeisternden Rednern entwickeln können. Und genau das ist das Ziel der Autorin. Introvertierten zu zeigen, dass sie sich nicht blenden lassen sollen von der Präsenz der Lauten. Sondern Zutrauen zu ihren Stärken und Fähigkeiten fassen.
Introvertierte und Extrovertierte haben zwei grundsätzlich unterschiedliche Arten, Energie zu tanken. Der zentrale Unterschied zwischen Introvertierten und Extrovertierten (die jeweils selten in Reinform vorkommen sondern sich eher auf einem Kontinuum bewegen) zeigt sich nach Löhken daran, "woher die Energie kommt".
Extrovertierte schöpfen demnach Energie aus dem Austausch mit anderen. Introvertierte dagegen ziehen sich, um Energie zu tanken, zurück. Löhken findet ein schönes Bild für diesen grundlegenden Unterschied. Die einen sind Windmühlen, brauchen Energie von außen und müssen selbst in Aktion sein, sich "drehen". Die anderen, die Leisen, laden dagegen still und leise ihren "Akku auf", indem sie auf alle anderen Aktivitäten verzichten.
Introvertierte können gute Führungskräfte sein
"Leise Menschen - starke Wirkung" gibt den Introvertierten Tipps für alle Lebenslagen. Wie sie sich in Teams durchsetzen, wie sie als Führungskraft punkten und auch, wie sie Partnerschaften konfliktfrei gestalten. Das alles ist gar nicht so schwer. Denn die Leisen haben Stärken, von denen die anderen nur träumen können.
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Sie sind vorsichtig. Das schützt auch vor allzu schnellen Urteilen.
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Sie können sich konzentrieren. Während Extrovertierte dazu neigen, Dinge halbfertig liegen zu lassen, bleiben "Leise" bei der Sache.
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Sie können gut zuhören. Eine Fähigkeit, die nicht nur für Verkäufer, Verhandler und Mediatoren von zentraler Bedeutung ist.
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Sie verbreiten Ruhe und können analytisch denken. Besonders in schwierigen Situationen schätzt man diejenigen, die den Überblick behalten.
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Sie sind unabhängig von der Meinung anderer. Im Gegensatz zu Extrovertierten laufen Introvertierte nicht so leicht Gefahr, anderen gefällig sein zu wollen.
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Sie können in der Regel gut schreiben.
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Und sie sind beharrlich. Ein Grund, warum so viele Introvertierte in gehobenen Positionen zu finden sind. Denn Beharrlichkeit ist die eine, wesentliche Voraussetzung für Erfolg!
Hallo Extrovertierte, ihr seid nicht allein auf dieser Welt!
Introvertierte oder "Leise" werden seit dem frühesten Kindesalter mit unpassenden Forderungen gequält: "Spiel doch mit den anderen", "Bring dich mehr ein in der Schule", "Geh doch mal mit den anderen aus". Und im Erwachsenenalter setzt sich das fort. Dass man mit diesen Ratschlägen einfach mal die Hälfte der Menschheit ignoriert, fällt dabei unter den Tisch. Deshalb ist es gut, dass Löhken jetzt ein Buch mit Erfolgs- und Karrierestrategien ganz speziell für die "Leisen" geschrieben hat. Möge es dazu beitragen, dass die "Lauten" merken, dass sie nicht allein auf der Welt sind. (kf)