Transparenz zahlt sich aus

Warum ESG eine Chance für Unternehmen ist

06.09.2023
Von 
Lennard Everwien ist Head of Business Sustainability bei Campana & Schott.
Die verschärfte ESG-Regulierung stellt hohe Anforderungen an Unternehmen. Doch darin liegen auch Chancen: Betriebe können viele neue Erkenntnisse gewinnen, die sie voranbringen.
Unternehmen, die ESG ernst nehmen, sind nicht nur rechtlich auf der sicheren Seite. Sie werden auch als Arbeitgeber sowie als Geschäftspartner attraktiver.
Unternehmen, die ESG ernst nehmen, sind nicht nur rechtlich auf der sicheren Seite. Sie werden auch als Arbeitgeber sowie als Geschäftspartner attraktiver.
Foto: Fahroni - shutterstock.com

Mit der ESG-Berichtspflicht (ESG = Environmental, Social, Governance) kommt ein erheblicher Mehraufwand auf Unternehmen zu. Ab 2024 müssen Unternehmen in der EU in ihren Lageberichten detailliert über Umwelt, Soziales und Governance berichten. Doch die Einführung entsprechender Tools und Prozesse bedeutet nicht nur Kosten und Umstand, sie birgt auch jede Menge Potenziale. In ihrer Transformation können die Betriebe ein umfassendes Bild von sich selbst gewinnen - und danach nicht nur nachhaltiger, sondern auch erfolgreicher arbeiten (Lesen Sie auch: 6 Tools, um Ihre ESG-Ziele zu erreichen).

Der Energie- und Ressourcenverbrauch ist für jedes Unternehmen ein zentraler Kostenfaktor, hier lauern oft jede Menge Risiken. Mehr Transparenz hilft, effizienter zu wirtschaften, sich glaubwürdiger darzustellen und neue Türen zu öffnen. Kunden, Partner und nicht zuletzt die gegenwärtigen und künftigen Beschäftigten dürften sich freuen: Für sie wird es einfacher, sich ein objektives Bild von einem Unternehmen zu machen.

Unternehmen sollten folgende Schritte gehen, um diese gewünschte Transparenz zu erreichen:

  • Doppelte Wesentlichkeitsanalyse

Am Anfang steht die Doppelte Wesentlichkeitsanalyse. Sie ist ein aufwändiger Prozess, der durch die neuen Regelungen explizit vorgeschrieben ist. Dabei müssen Unternehmen nachhaltigkeitsbezogene Auswirkungen aus zwei Perspektiven betrachten: Inside-out, also die Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit auf Umwelt und Gesellschaft, sowie Outside-in. Dabei geht es darum, welche Chancen und Risiken sich aus Umwelt und Gesellschaft für die eigene Geschäftstätigkeit ergeben. Die Wesentlichkeitsanalyse ist zentral: Wird sie nicht sorgfältig vorgenommen, kann das dazu führen, dass die Schwerpunkte in der Strategieentwicklung hin zum nachhaltigen Unternehmen falsch gesetzt werden.

Mit der Wesentlichkeitsanalyse legen Unternehmen die Grundlage für die eigene Nachhaltigkeitsstrategie und bestimmen, welche Indikatoren zu erfassen sind, um die eigenen Fortschritte regelmäßig erheben und reporten zu können. Dabei ist es wichtig, sich in der weiteren Ableitung nicht zu verzetteln, sondern auf wesentliche Aspekte zu fokussieren. Für kleine und mittlere Betriebe kann es sinnvoll sein, sich externe Unterstützung zu holen. Das gilt auch an anderen Stellen: Die Berechnung von CO2-Fußabdrücken und das Implementieren von Tools zur Automatisierung verursachen Aufwand - der aber nur einmal anfällt.

  • Datenermittlung und Standardisierung

Für Unternehmen jeder Größe und Branche gilt: Ein ESG-Bericht ist auf aus ganz verschiedenen Bereichen angewiesen. Das betrifft die Soziodemographie der Mitarbeitenden genauso wie Prozesse für Whistleblowing und Compliance und - natürlich - das Abfallaufkommen und die Emissionen. Tools können helfen, den Aufwand für das Ermitteln entsprechender Daten zu reduzieren und Fehler zu vermeiden. Generell sollten die Prozesse für die Bearbeitung der ESG-Daten so weit wie möglich digitalisiert werden.

Die Standardisierung der Daten ist ein wichtiger Schritt. Häufig unterscheiden sich je nach Abteilung oder Dienstleister die Bezugszeiträume zu Datenangaben stark. Vorgaben helfen, um Daten beispielsweise zur CO2-Intensität pro verbrauchter Kilowattstunde oder zum Energieverbrauch für jede produzierte Tonne eines Produkts zusammenfassen zu können.

Dabei können sich Unternehmen an Rahmenwerken orientieren: Im Markt sind etwa die Standards der Global Reporting Initiative, von EcoVadis oder von CDP weit verbreitet. Standardisierte Kennzahlen und Berichtsrahmen vereinfachen es, erreichte Werte mit Benchmarks zu vergleichen.

Vor allem im Bereich der automatisierten Datenerhebung und -auswertung ist das Interesse groß, die Potenziale sind noch lange nicht ausgeschöpft. Hier lassen sich Ressourcen einsparen und gleichzeitig wertvolle Erkenntnisse gewinnen.

  • Datenqualität

Wie immer ist in ESG-Vorhaben die Datenqualität hochrelevant und Vorbedingung, um ein aussagefähiges, vergleichbares Bild zu bekommen. Daten müssen nachvollziehbar und genau sein. Je häufiger Bezugszeiträume fehlen, Lücken auftreten oder mit Näherungswerten gearbeitet wird, desto fehlerhafter wird die Auswertung. Abhilfe schafft hier eine klare, zentral organisierte Guidance für alle betroffenen Bereiche intern, aber auch für Dienstleister und Partner. In der Automobilindustrie etwa zeigt sich, dass Hersteller von ihren Zulieferern bereits Daten zum CO2-Fußabdruck nach dem ISO Standard 14044 anfordern.

  • Datenintegration und Tools

Den nächsten Schritt stellt die Datenintegration dar: Werden ESG-Daten mit Finanzdaten und anderen Kennzahlen jenseits des Finanzbereichs integriert, gelingt die Auswertung und Berichterstattung schneller. Eine ganze Reihe von Tools kann beim Identifizieren, Erheben, Verarbeiten und Auswerten von Daten unterstützen. Einige Beispiele wären der Microsoft Sustainability Manager, EcoVadis Carbon Action Module oder die SAP Cloud for Sustainable Enterprises.

Der Datenauswertung muss allerdings noch ein wichtiger Schritt vorgeschaltet sein: Unternehmen sollten alle Unternehmensprozesse mit Relevanz für den ESG-Bericht aufschlüsseln und kartieren. Darauf aufsetzend lässt sich das Automatisierungspotenzial bewerten.

All die vorhandenen Tools lassen sich gut in bestehende IT-Umgebungen integrieren. Viele können heute schon, gestützt durch KI, fehlende Daten ermitteln und in eine Datenbank übertragen. Hat das Tool Zugriff auf entsprechende Emissionsfaktor-Tabellen, kann es so automatisch etwa zu einer Kilowattsunde Strom das CO2-Äquivalent hinzufügen. Doch ob Zeitintervall, Datenformat und -qualität auch tatsächlich stimmen, muss von Menschen nachgeprüft werden.

Fazit: Der Aufwand ist hoch, aber er lohnt sich

Die Anforderungen an die Ressourcen und das Know-how für die initiale Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts sind erheblich. Doch wenn Unternehmen dann einmal ihre Prozesse mithilfe digitaler Werkzeuge dokumentieren und auswerten können, entsteht eine belastbare Entscheidungsgrundlage. Sie hilft nicht nur für das Reporting, Unternehmen können aufgrund des ganzheitlichen Ansatzes, besser und langfristig erfolgreicher wirtschaften. (hv)