Untersuchungen, etwa vom Weltwirtschaftsforum, bescheinigen Deutschland eine hohe Innovationsfähigkeit. Dennoch gründen Wissenschaftler selten Unternehmen. Darum ging das Forschungsteam des Entrepreneurship Research Institutes der Technischen Universität München (TUM ERI) im Auftrag der Joachim Herz Stiftung der Frage nach, welche psychologischen Faktoren und Rahmenbedingungen Gründern in der Wissenschaft zugrunde liegen. Auf einer Konferenz am 10. Oktober an der Technischen Universität München wurden die ersten Zwischenergebnisse präsentiert.
Die Münchner Forscher begleiteten über mehrere Monate hinweg mehr als 100 unternehmerische Teams. Erste Ergebnisse zeigen Die Arbeit im Team ist zentral für den Erfolg. Damit eine Innovation zur Unternehmensgründung führt, muss das Gründerteam divers denken, günstige Teamdynamiken vorweisen und erfolgreiche Stressbewältigung anwenden können.
Herausforderung 1: Ohne Teamarbeit kein Erfolg
Eine innovative Technologie allein reicht nicht aus, um erfolgreich ein Unternehmen zu gründen. Wissenschaftlern fehlt in der Regel die Marktkenntnis, um beurteilen zu können, welche Idee das Potenzial für eine Kommerzialisierung hat. Deshalb sollten sie so früh wie möglich Mitstreiter mit Industrie- und Gründungserfahrung ins Team nehmen, sodass von Beginn an Perspektiven und Bedarfe aus Wirtschaft und Industrie berücksichtigt werden.
Das Münchner Forscherteam stellte fest, dass die Dynamik innerhalb der Gruppe eine ebenso große Rolle spielt: Vielen Gründungsteams fällt es schwer, einen gemeinschaftlichen und geradlinigen Weg zu finden. Dies bezieht sich sowohl auf die Entscheidung, was das Produkt können soll, sowie auf die Frage, wie diese Vision am besten umzusetzen ist.
"Die Gründungsteams beginnen dann, immer mehr Varianten zu diskutieren, ohne sich auf eine Linie festlegen zu können und scheitern letztendlich", erläutert Nicola Breugst, Professorin für Entrepreneurial Behavior am TUM Entrepreneurship Research Institute. "In der Konsequenz dürfen sich universitäre und andere Einrichtungen der Gründungsförderung nicht nur auf die Vermittlung von Technologie- und Marktkenntnissen konzentrieren, sondern sollten auch Soft-Skill-Kurse etwa rund um teamorientiertes Coaching als wichtige Komponente für eine effektive Gründungsförderung anbieten."
Herausforderung 2: Mehr Pragmatismus, weniger Perfektionismus
Gleichzeitig zeigt die Studie, dass sich potenzielle Gründende aus der Wissenschaft von ihren hohen Ansprüchen verabschieden müssen: Nach der Devise "fail fast and early" werden Gründungsteams dazu angehalten, schon früh die Marktfähigkeit ihrer Lösungen zu validieren, indem sie mögliche Kunden mit nicht vollständig ausgereiften Prototypen konfrontieren.
Das kann allerdings Stress im Team auslösen: schließlich stehen das Testen und Einholen von Feedback in einem sehr frühen Stadium im Widerspruch zum wissenschaftlichen Mindset. Das lehnt unausgereiftes Wissen als Basis für Entscheidungen und die Kommunikation mit anderen ab. Diese unterschiedlichen Denk- und Herangehensweisen erschweren auch die Feedbackkultur in den für den unternehmerischen Erfolg so wichtigen interdisziplinären Teams: Nicht immer entspricht der "wissenschaftliche Perfektionismus" auch dem "unternehmerischen Pragmatismus".
"Die ersten Ergebnisse der Studie zeigen, dass selbst interdisziplinäre akademische Gründungsteams mit ähnlichen Ausgangssituationen und Herausforderungen höchst unterschiedliche Entwicklungswege einschlagen. Teams, die weniger auf die Expertentipps aus unserem Inkubator gehört haben und sich in ihren Entscheidungsprozessen quasi verloren haben, waren in der Regel nicht erfolgreich", erklärt Holger Patzelt, Professor für Entrepreneurship, TUM Entrepreneurship Research Institute. "Wissenschaftler sollten zudem vom Pragmatismus in Gründungsunternehmen lernen, indem sie sich trauen, auch mit unfertigen Prototypen mögliche Zielgruppen und wichtige Stakeholder zu konsultieren. Gemeinsam haben sie auf jeden Fall die Charaktereigenschaften Neugier, Risikobereitschaft und Offenheit gegenüber Neuem - immerhin müssen sich Wissenschaftlern auf Forschungsprojekte einlassen, die schlimmstenfalls keine Ergebnisse liefern -, was eine wichtige Voraussetzung für eine Ausgründung ist."
Das insgesamt dreijährige Forschungsprojekt hat das Ziel, grundlegende relevante, aber oft vernachlässigte, psychologische Prozesse in akademischen Ausgründungen zu verstehen. Dazu untersucht das Team, wie Wissenschaftlern zu Gründern werden und welche Einflüsse diesen Prozess unterstützen oder hemmen. Gleichzeitig geht es um das Verständnis, wie interdisziplinäre Gründungsteams erfolgreich zusammenarbeiten, Kompromisse finden und gemeinsame Firmenwerte entwickeln. Ein weiteres Ziel ist es herauszufinden, warum manche Lehrstühle mehr Gründungen hervorbringen als andere. Wie können wir Wissenschaftlern Mut machen, mehr zu experimentieren? Anfang 2021 werden die finalen Ergebnisse in Berlin präsentiert.