Motorola fürs Business?

Warum das ThinkPhone nicht zu empfehlen ist

Kommentar  04.05.2023
Von 
JR Raphael ist freier Mitarbeiter bei der Computerworld.
Unternehmen, die mit Motorolas neuem ThinkPhone liebäugeln, sollten sich eines gewichtigen Nachteils bewusst sein.
  • Achtung, Meinungsbeitrag!
Gut lachen haben Android-Nutzer im Regelfall nur, wenn sie auch zeitnah ein Stück vom Update-Kuchen abbekommen.
Gut lachen haben Android-Nutzer im Regelfall nur, wenn sie auch zeitnah ein Stück vom Update-Kuchen abbekommen.
Foto: Michael Vi - shutterstock.com

Das Motorola ThinkPhone wird als DAS Android-Business-Device des Jahres 2023 angepriesen. Es ist das erste Mal, dass das Unternehmen - das sich seit 2014 im Besitz von Lenovo befindet - ein reputationsstarkes Lenovo-Brand so prominent vermarktet.

Dabei stellt Motorola insbesondere auf die Cybersecurity-Funktionalitäten seines Smartphones ab und vermittelt auf seiner Produktseite die Botschaft, es wäre aus Sicherheitsperspektive das beste Gerät das man besitzen könne. In einer Pressemitteilung spricht der Konzern von "spezialisierter Hardware, Software und Prozessen, die die Sicherheit des gesamten Geräts gewährleisten". Ich habe wirklich versucht, diese Zeilen zu lesen, ohne dabei mit den Augen zu rollen - beziehungsweise die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Das ThinkPhone von Motorola sieht von außen tatsächlich sehr gut aus und hat mit seiner Verarbeitungsqualität auch in ersten Tests überzeugt. Es ist zudem mit Sicherheit ein Android-Telefon mit einzigartigen Designelementen (die vom klassischen ThinkPad-Design inspiriert sind). Das alles ändert allerdings nichts an einem schwerwiegenden Problem, wenn es um Lenovos Android-Telefone im Allgemeinen geht.

Das Motorola ThinkPhone wirft zweifelsohne eine schickes Design mit Alleinstellungsmerkmalen in die Waagschale.
Das Motorola ThinkPhone wirft zweifelsohne eine schickes Design mit Alleinstellungsmerkmalen in die Waagschale.
Foto: Lenovo

Was das ThinkPhone versenken könnte

Dernn jedem Privat- und Business-Anwender sollte klar sein, dass Motorola bislang ein furchtbares Gebahren an den Tag gelegt hat, wenn es darum geht, seine Produkte nach dem Verkauf mit aktueller Software zu versorgen. Schon seit Jahren demonstriert das Unternehmen immer wieder "eindrucksvoll", dass man sich nicht um den Support für seine Devices kümmert und sich nicht die geringste Müge gibt, kritische Updates zeitnah zu veröffentlichen.

Ich beobachte Android-Upgrades herstellerübergreifend nun schon seit über einem Jahrzehnt und kann mit gutem Gewissen schreiben, dass Motorola schon seit Ewigkeiten vor sich hinstolpert und versagt, wenn es darum geht, signifikante Softwareupdates bereitzustellen. Und wir reden hier nicht von leichten Verzögerungen: Von Android 9 bis Android 13 hat es das Unternehmen beispielsweise in keinem einzigen Fall geschafft, kritische Softwareupdates innerhalb von sechs Monaten nach Veröffentlichung an seine zahlenden Kunden zu verteilen.

Im Fall von Android 13 sind nun bereits mehr als acht Monate seit der Veröffentlichung vergangen. So lange schlagen sich Besitzer von Motorola-Flaggschiff-Smartphones nun schon mit einem veralteten Betriebssystem herum. Nicht nur die offiziellen Lenovo-Foren quellen diesbezüglich vor Nutzerbeschwerden über:

Für den "normalen" Android-Nutzer mag das alles wie viel Lärm um Nichts erscheinen. Aber jeder, der sich intensiv mit Android beschäftigt und der Wert auf einen optimalen Schutz seiner Privatsphäre und der Sicherheit seines Smartphones legt, weiß, dass Betriebssystem-Updates für Android weit mehr bedeuten als nur Verbesserungen der Oberfläche und neue Funktionen.

Der wichtigste Teil eines Android-Updates betrifft fast immer Optimierungen unter der Haube - insbesondere in den Bereichen Datenschutz, Security und Performance. Dabei handelt es oft um kritische Änderungen, die Schwachstellen beheben, die Fähigkeit der Software, Ihre Daten zu schützen, stärken und die Interaktion von Apps mit allen möglichen sensiblen Daten weiter einschränken. Wenn Systemupdates einige Monate hinterherhinken, ist das bereits besorgniserregend - und zwar sowohl für Privat- als auch Unternehmensanwender. Ein Rückstand von über einem Jahr - ohne dass ein Ende in Sicht wäre - ist schlicht und ergreifend völlig inakzeptabel.

Diese Fakten lassen Motorolas eingangs zitierte PR-Versprechen mindestens in fadenscheinigem Licht erscheinen. In meinen Augen sind diese Aussagen absurd und verdeutlichen einen beinahe peinlichen Mangel an Self-Awareness. Solange Motorola sich nicht klipp und klar dazu bekennt, das ThinkPhone zeitnah und fortlaufend mit aktueller Software zu unterstützen (wonach es aktuell nicht aussieht), wird das Gerät - trotz ThinkPad-Reminiszenzen - nur ein weiteres, schlecht unterstütztes Android-Device bleiben, das aus Security- und Datenschutzperspektive keinesfalls für die geschäftliche Nutzung zu empfehlen ist. Schließlich ist damit zu rechnen, dass die Käufer des ThinkPhone in circa 16 Monaten immer noch darauf warten werden, das Update auf Android 14 zu erhalten. (fm)

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation Computerworld.