Kritik an Gartner-Modell

Warum "bimodale IT" zu kurz greift

20.07.2016
Von 
Michael Kienle ist Geschäftsführer der it-novum GmbH und gehört zu den führenden Köpfen in der Business Open Source-Welt. Er hat Open Source-Projekte wie openATTIC und openITCOCKPIT gegründet und den Gedanken von Business Open Source maßgeblich vorangetrieben. Bevor Michael Kienle zu it-novum kam, hatte er verschiedene Managementposten in der IT-Branche inne.
Das von Gartner geprägte Modell der bimodalen IT ist sehr populär, übersieht aber einen wichtigen Punkt: die zwei IT-Welten sollen gemeinsam das Unternehmen durch die digitale Transformation zum Erfolg führen.

Der Digitalisierung kann sich kein Unternehmen auf Dauer entziehen. Es geht nicht nur darum, die bestehenden Geschäftsprozesse zu digitalisieren, sondern vielmehr darum, durchgängige digitale Geschäftsmodelle zu entwerfen und umzusetzen. Von der IT wird erwartet, dass sie innovativ, schnell und flexibel die dafür notwendigen Projekte realisiert. Gleichzeitig muss sie aber die bestehenden IT-Strukturen und -Abläufe in bewährter Manier aufrechterhalten. Es entstehen also zwei völlig unterschiedliche IT-Welten, für die Gartner den Begriff bimodale IT geprägt hat. Dabei sorgt die eine IT-Welt, die klassische IT, für Servicekontinuität, Effizienz und Kostenoptimierung. Die andere, genannt agile IT, ist für Innovation, Flexibilität und schnelles Time-to-Market zuständig.

Das Modell von der "langsamen" und der"schnellen" IT greift zu kurz.
Das Modell von der "langsamen" und der"schnellen" IT greift zu kurz.
Foto: Mr. SUTTIPON YAKHAM - shutterstock.com

Auch wenn das Modell der bimodalen IT seit seiner Entstehung sehr populär geworden ist, greift es zu kurz. Denn die zwei IT-Welten sollen nicht unabhängig nebeneinander und auch nicht gegeneinander arbeiten, sondern miteinander und mit einem gemeinsamen Ziel: das Unternehmen in der digitalisierten Geschäftswelt zum Erfolg zu führen.

Die Umwälzungen, die mit der Digitalisierung der Geschäftswelt einhergehen, betreffen natürlich auch die IT-Abteilungen. Allerdings gibt es kein Standardrezept für die notwendigen Veränderungen. Jedes Unternehmen wird den für sich besten Weg und die sinnvollste Veränderungsgeschwindigkeit wählen. Es ist vorteilhafter, dabei auch Strategien zu berücksichtigen, die Bindeglieder zwischen den verschiedenen IT-Welten enthalten, als starr dem Konzept der Bimodalität zu folgen.

OpenStack-Präsident: Die IT wird noch diverser

Auf den Punkt gebracht hat es Jonathan Bryce, Präsident der OpenStack Foundation: „IT-Umgebungen werden diverser, nicht einheitlicher. Strategien wie OpenStack ermöglichen es, Vorteile aus der Diversität zu ziehen.“ Und genau darum geht es: Nicht um die sture Durchsetzung und Einzementierung des einen oder anderen Organisationsmodells, sondern darum, die richtigen Strategien und Mittel dafür einzusetzen, dass auch die IT erfolgreich im digitalen Zeitalter ankommt. Es ist mit Sicherheit kein Fehler, dabei einen Blick auf das auch von OpenStack verfolgte Open-Source-Denkmodell zu werfen und zu überlegen, ob es nicht als Brückenmodell zwischen den beiden IT-Welten fungieren kann.

Open Source schlägt Brücke zwischen IT-Welten

Im klassischen Teil der IT sind Open-Source-Lösungen längst in die IT-Landschaft der meisten Unternehmen nahtlos integrierte Bestandteile. Ihre Vorteile, die Flexibilität und Skalierbarkeit, die niedrigeren Kosten, die offenen Standards und damit die Herstellerunabhängigkeit sowie die hohe Qualität der Lösungen, tragen zur Zielerreichung maßgeblich bei. Genau diese Vorteile könnte sich auch der agile Teil der IT zunutze machen. Open Source-Lösungen sind auch in einem schnellen, innovativen Umfeld performant. Die Open-Source-Welt bietet viele Technologieteile und -module, die flexibel kombinierbar sind und so ideal unter sich rasch verändernden Voraussetzungen eingesetzt werden können. Die Open Source Community selbst ist höchst innovativ und entwickelt in schnellem Takt neue Lösungen. Open Source ist also das ideale Brückenglied zwischen den beiden IT-Modi.

Erinnern wir uns: Open Source war auch einmal ein revolutionärer Ansatz. Heute ist Open Source längst etabliert, auch wenn kaum ein Unternehmen rein auf Open-Source-Lösungen setzt. Die meisten Organisationen haben die alte und neue Welt verknüpft – und damit auch ohne Gartner-Konzept erkannt, worauf es ankommt. Die IT in zwei Bereiche trennen zu wollen, mutet vor diesem Hintergrund schon fast seltsam an. Bei der Bewältigung der digitalen Transformation werden diejenigen IT-Verantwortlichen die besten Aussichten auf Erfolg haben, denen es gelingt, die für ihr Unternehmen passenden Modelle und Module aus allen Welten zu kombinieren. Open-Source-Lösungen können dazu einen entscheidenden Beitrag leisten. (haf)